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Einweihung der Gedenkinstallation "Verblendung"
© Birgit Heimrich, Stadt Marburg
Zur Einweihung der Gedenkinstallation „Verblendung“ von Heiko Hünnerkopf
am Weltfriedenstag, 1. September 2021
Vor fast genau 98 Jahren wurde im noch nicht ganz fertig gestellten Schüler-Park das Denkmal der „Marburger Jäger“ eingeweiht. In ihr sehen manche ein ‚normales‘ Gefallenendenkmal, andere verstehen es als eine Verherrlichung des Militarismus.
Anlässlich einer Streitigkeit um ein anderes Jägerdenkmal in Marburg-Bortshausen klärte 2013 eine von der Universitätsstadt Marburg in Auftrag gegebene Studie die Öffentlichkeit über die Geschichte der „Marburger Jäger“ auf. Dies Studie ergab, dass dieses Bataillon beziehungsweise einige seiner Angehörigen in verschiedene Ereignisse verwickelt waren, die man heute als Kriegsverbrechen einstuft.
Am deutlichsten tritt dies bei der Erschießung von 674 Zivilist*innen in Dinant und Leffe im Jahr 1914 in Belgien zutage. Daraufhin kam es zu einer offiziellen Entschuldigung der Universitätsstadt Marburg bei den Nachkommen der Opfer von Dinant im Sommer 2014. Auch die „Kameradschaft Marburger Jäger“ leugnete „nicht einen Schritt der Kurhessischen Jäger in Dinant“ und entsandte einen Vertreter, der um Vergebung bat.
Eine weitere Folge der Studie war 2016 der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, mit einer Gedenkinstallation an die Opfer der Kriegsverbrechen der „Marburger Jäger“ zu erinnern. „Die Stadtverordnetenversammlung betrachtet die Einrichtung einer solchen Gedenkinstallation nicht nur als einen wichtigen Beitrag für die Aufarbeitung des Marburger Militarismus und für die Aufklärung kommender Generationen, sondern auch als einen lokalen Beitrag für eine Kultur des Friedens und der Völkerverständigung. … Um der Opfer der „Marburger Jäger“ ehrend zu gedenken, wird der Magistrat gebeten, einen entsprechenden Kunstwettbewerb für eine Gedenkinstallation im Schülerpark zu initiieren.“
Der Ort wurde bewusst gewählt, um das bestehende Jägerdenkmal an gleicher Stelle, die von ihm repräsentierte Geschichtsauffassung und auch das Gedenken an die gefallenen Soldaten keinesfalls zu überschreiben oder zu verdrängen, sondern im Gegenteil einen dialogischen Zusammenhang mit der Erinnerung an die Opfer der Kriegsverbrechen herzustellen.
Der Kunstwettbewerb wurde 2017 international ausgeschrieben und aus den 55 eingegangenen Vorschlägen wählte eine Jury acht Entwürfe aus, die der Stadtgesellschaft 2018 in einer einwöchigen Ausstellung vorgestellt wurden. In der Endauswahl der Jury fiel dann die Entscheidung zugunsten der „Verblendung“ des Künstlers Heiko Hünnerkopf. Sein Entwurf überzeugte, weil dabei ein zweiteiliges Halbrund vor der Säule angebrachter Stahlstäbe „eine neue, gebrochene Perspektive“ auf das bereits bestehende Jägerdenkmal bewirkt und durch diese halbtransparente physische Verblendung auch die ideologische Verblendung von Militarismus und Heldenmythos symbolisch dargestellt wird. Auf der Rückseite des äußeren Kreises informieren fünf Kurztexte über die heute als Kriegsverbrechen bzw. Massaker angesehenen Taten der „Marburger Jäger“.
Diese Gedenkinstallation wurde am 1. September 2021, dem Weltfriedenstag eingeweiht.
Dinant 23. - 25. August 1914
© Birgit Heimrich, Stadt Marburg
Dinant, 23.-25. August 1914 weiterlesen