© Universitätsstadt MarburgMit einer nach Geschlechtern differenzierten Analyse des öffentlichen Haushalts kann die kommunale Haushaltsplanung überprüfen, wer von dem Haushalt profitiert und wer nicht. Damit wird zum Beispiel sichtbar, welche Sportarten eine Kommune fördert und wie viele Mädchen und Jungen davon betroffen sind.
Die Stadt gehört neben dem Landkreis Darmstadt/Dieburg zu den Ersten in Hessen, die das Instrument „Gender Budgeting“ in der kommunalen Haushaltsplanung einsetzen.
Budgeting (engl.) bedeutet Haushaltsplanung, also die Planung der Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Haushalt fair-teilen berücksichtigt die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern im öffentlichen Haushalt, indem es Einnahmen und Ausgaben einer Kommune genau analysiert und – gegebenenfalls – neu strukturiert.
Es bedeutet nicht, pauschal dieselben Summen für Männer und Frauen auszugeben.
Haushalt fair-teilen heißt, vorhandene Ressourcen – Zeit, Geld, Ausstattung – so einzusetzen, dass sie
- den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerungsgruppen möglichst genau entsprechen;
- die Gleichstellung der Geschlechter wirksam fördern;
- und soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nachprüfbar verringern.
- Es dient dazu, vorhandene Ressourcen mit der größtmöglichen Wirkung einzusetzen;
- Es schafft Transparenz in den kommunalen Haushalten, denn damit werden die Zahlen klar und vergleichbar und die Wirkung messbar.
- Es fördert den Sport oder die Jugend, den Kultur- oder den Bildungsbereich noch zielgenauer.
Haushalt fair-teilen ist ein mittelfristiger Prozess. In Marburg sind daran seit März 2017 viele beteiligt: die städtische Verwaltung mit dem Gleichberechtigungsreferat und dem Finanzservice, den beiden Pilotbereichen „Fachdienst Kultur“ und „Fachdienst Sport“ – und darüber hinaus Vereine und freie Träger. Als erster Schritt wurden Daten erhoben, um die kommunale Ausgangslage zu erfassen. Dabei ging es vor allem um Fragen wie: Wer nutzt die Angebote der Sportvereine und Kulturinstitutionen? Und wer hat einen direkten oder indirekten Nutzen von den Ausgaben?
Erste Ergebnisse im Fachdienst Sport
© Heiko Krause i.A.d. Stadt MarburgFrauen in Marburg können aus über 250 Sportangeboten ortsansässiger Vereine wählen, was zu ihnen passt. Diese Angebote sind aber nicht immer überall bekannt. Eine entsprechende Umfrage, die im Zuge des fairen Haushalts lanciert wurde, hat bereits im ersten Schritt für eine bessere Sichtbarkeit dieses Angebotes gesorgt.
In diesem Jahr (2019) wird die Sportförderrichtline überarbeitet – mit dem Ziel, Jungen und Mädchen, Männer und Frauen so zu fördern, dass es allen, auch denen, die divers sind, gerecht wird.
Die Stadt hat die Richtlinie für Ehrungen von Sportler*innen überarbeitet, um auch das Engagement für Frauen und Mädchen sowie für Menschen mit Behinderungen entsprechend zu würdigen. Das war in der Vergangenheit noch nicht explizit in den Richtlinien vorgesehen. Die Änderung der Ehrungsrichtlinie hat der Magistrat im November 2018 beschlossen.
© Stadt Marburg, i. A. Heiko KrauseDie Zeiten, in denen Fußballturniere ausschließlich für Männermannschaften stattfanden, sind in Marburg vorbei. Ab 2019 werden die Stadtmeisterschaften zweimal jährlich, im Sommer und im Winter, auch für Frauenteams stattfinden. Das hat die Sport- und Bäderkommission 2018 einstimmig entschieden.
Auch bei Dunkelheit sicher laufen können – in der Umfrage zu den Sportangeboten in Marburg äußerten einige Frauen diesen Wunsch. Die Stadtwerke haben die Kosten inzwischen grob geplant, das weitere Vorgehen wird aktuell geklärt.
Wie soll es weitergehen mit dem fairen Haushalt in den Marburger Sportangeboten? Um das zu diskutieren, lädt die Stadt Vereine und Interessierte erstmals zu einem Sportforum ein. Eine Anmeldung zu dem Termin am 19. Oktober 2019 um 10:00 Uhr im Vereinsheim des VfL Marburg, Leopold-Lucas-Str. 46a, ist nicht nötig.
Erste Ergebnisse im Fachdienst Kultur
© Universitätsstadt MarburgSeit Anfang 2019 erheben Marburgs Kulturträger erstmals genderspezifische Zahlen zu den Angeboten, die in ihren Häusern stattfinden: Wie viele Männer/Frauen besuchen Konzerte oder Ausstellungen, wie (unterschiedlich) hoch sind die Honorare für Künstler*innen? Damit will die Stadt tragfähiges Zahlenmaterial für eine geschlechtergerechte Kulturförderung gewinnen.
Den Pilotbericht über „Den Haushalt fair-teilen“, der im April 2019 im Ausschuss für Schule, Kultur, Sport und Bäder vorgelegt wurde, finden Sie unter Downloads.
Werden in Marburg mehr Künstler oder mehr Künstlerinnen gebucht? Die Antwort ist, wie auch sonst fast überall in der Bundesrepublik, recht eindeutig. Vor allem im Bereich Rock und Pop herrscht in Marburg ein klares Ungleichgewicht zugunsten der männlichen Kreativen. Das soll sich ändern: Für 2019 – und darüber hinaus – sind Marburger Kulturträger angehalten, für mehr weibliche Präsenz auf ihren Bühnen zu sorgen.
„Vergessene Komponistinnen“ hieß die Veranstaltung im Dezember 2018 im Cineplex Marburg. Sie wollte dafür sensibilisieren, dass in der Klassik Musik dominiert, die Männer komponiert haben – und aufführen. Zu Film und anschließender Diskussion hatten das Marburger Gleichberechtigungsreferat und der Fachdienst Kultur gemeinsam geladen. Mit dabei: die Pianistin Kyra Steckeweh, die auch die Idee für den Film hatte, und der Regisseur Tim van Beveren.
© Universitätsstadt MarburgDie Marburger Ökumenegespräche sind – historisch bedingt – eher männlich dominiert. 2019 war das anders: Bei der 16. Auflage des Gesprächs, das die Stadt Marburg, die Philipps-Universität und die Kirchen gemeinsam ausrichten, waren erstmals alle drei Hauptredner*innen weiblich: Die Bundestagsabgeordnete Karin Göring-Eckardt, Prof. em. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz aus Erlangen sowie Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr aus Leipzig.
2018 bildete der städtische Haushalt erstmals Kennzahlen nach Geschlecht für „kulturelle Projekte“ ab, zum Beispiel Besucherzahlen. Auch wurde ein neuer Projekttopf „Freie Frauen-Kulturprojekte“ eingerichtet.
Gesetzlicher Hintergrund von Gender Budgeting
Der Vertrag von Amsterdam (1999) verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, die Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern in allen Entscheidungsprozessen zu beachten. Das bezeichnet man als „Gender Mainstreaming“. Gender Budgeting steht für die „Anwendung von Gender Mainstreaming im Haushaltsprozess“ und soll dazu dienen, die finanziellen Mittel gerecht zwischen Frauen und Männern zu verteilen. Als haushaltspolitisches Instrument trägt Gender Budgeting dazu bei, die Gleichstellung und tatsächliche Chancengleichheit aller Geschlechter zu verwirklichen.
In vielen EU-Staaten wurde Gender Budgeting eingeführt, etwa in Österreich, wo es mit der Haushaltsrechtsreform 2009 als Staatsziel festgelegt wurde. In Deutschland wenden neben Freiburg vor allem das Land Berlin und die Stadt München Gender Budgeting an.
Ausführliche Informationen zum Aktionsplan und zum aktuellen Stand der Umsetzung finden Sie unter DOWNLOADS.