DR. THOMAS SPIES. OBERBÜRGERMEISTER
VORWORT
Warum sagt man eigentlich immer, große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus? Haben große Ereignisse die Sonne denn nie im Gesicht?
Beim großen Stadtjubiläum Marburg800, das die Universitätsstadt Marburg ab dem 28. März 2022 mit über 150 einzelnen Veranstaltungen und Projekten begeht, haben wir ganz bewusst die Differenzierung Marburg erinnern, Marburg erleben und Marburg erfinden gewählt. So haben wir die Sonne vielleicht nicht von allen Seiten. Aber wir springen zumindest über den Schatten des reinen historischen Rückblicks, stehen nicht nur im grellen Licht einer Dauerparty, sondern hellen eine unbekannte Zukunft auch noch durch viele kreative Überlegungen auf. Auf diese Weise durchdringen und befruchten die drei Aspekte unseres Jubiläums einander, bilden Schnittstellen, bringen vielfältige Synergie-Effekte hervor.
Auch die 45. Marburger Sommerakademie ist zweifellos eine solche Schnittstelle. Als eine der älteren kulturellen Institutionen unserer Stadt hat die Sommerakademie längst ihre eigenen Erinnerungen. Aber zu den vielen Freundschaften und künstlerischen Verbindungen, die hier schon entstanden sind, werden im Sommer 2022 auch wieder ganz und immer neu erlebte Erfahrungen hinzukommen. Dass Kunst – gleich ob Schauspiel, Tanz, Malerei oder Bildhauerei – die Zukunft stets kreativ vorwegnimmt bzw. erfindet, versteht sich ohnehin von selbst.
Seien Sie darum herzlich eingeladen, einmal mehr oder auch zum ersten Mal für eine, zwei oder drei Wochen ein wichtiger und immer wieder willkommener Teil der Universitätsstadt Marburg zu werden!
BRITTA SPRENGEL. FACHDIENST KULTUR, AKADEMIELEITERIN
SOMMERAKADEMIE – EIN BEGLÜCKENDER & GEGLÜCKTER MIKROKOSMOS
Wir blicken auf ein weiteres besonderes Jahr zurück; und unser Erfahrungsschatz wächst – von der 43. Sommerakademie, die als Experimentierfeld digital stattfand, über die letzte Sommerakademie, die coronabedingt mit einem strengen Hygienekonzept wieder durchgeführt werden konnte. Aber das Tragen von Masken und das Abstandsgebot haben uns nur räumlich auf Distanz gehalten. Zwischenmenschlich ist genau das Gegenteil passiert: Die besonderen Umstände haben uns wieder näher zusammengebracht.
Die vielen persönlichen Rückmeldungen haben uns einmal mehr gezeigt, was die Marburger Sommerakademie so besonders macht: Sie ist ein Lernort, an dem die Auseinandersetzung mit den verschiedensten künstlerischen Ausdrucksformen auf einen respektvollen, toleranten und rücksichtsvollen Umgang trifft. Ein Mikrokosmos, der wesentliche Aspekte des menschlichen Miteinanders auf nahezu ideale Weise im Kleinen umsetzt.
Unsere Dozent*innen vermitteln ihre Kursinhalte mit Herzblut und lassen sich dabei stets auf jede Einzelne und jeden Einzelnen von Ihnen ein. Jung und Alt haben in der Sommerakademie die Möglichkeit – in den Gruppen, aber auch über die „Grenzen“ ihres Kurses hinaus – bereits beschrittene künstlerische Wege weiterzugehen, den Blick zu schärfen und dabei Neues zu entdecken. Dass das in jedem Fall gelungen ist, zeigte sich an den künstlerischen Ergebnissen und in vielen intensiven Gesprächen. Es herrschte eine konzentrierte Stimmung und eine große Wertschätzung für alles, was zu Pandemiezeiten nicht selbstverständlich war.
Für uns als Organisationsteam war es eine große Herausforderung, aber alle Anstrengungen haben sich gelohnt! Für das, was sich vorab nicht mit großem Vorlauf planen ließ, haben wir spontane Lösungen gefunden: von der Kaffeesusi über Barbecue-Mittagspausen unter freiem Himmel, den Besuch des KulturMobils bis hin zu den drei wunderbaren Sommerakademie-Filmen von Thomas Rösser (Streiflicht-Produktion), die anstelle der Atelierrundgänge und der Sommer-akademie transparent gemacht werden konnten. Sie sind heute noch auf unserer Homepage zu sehen.
Wir alle zusammen sind zu Profis für Zusammenhalt und Spontaneität geworden. Und so steht den Plänen für die nächste Sommerakademie nichts mehr entgegen. Und dieses Jahr 2022 wird auch dank der Jubiläumsfeierlichkeiten Marburg800 wieder zu einem ganz besonderen Jahr. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen oder Kennenlernen! Bleiben Sie gesund!
SELINA SENTI. KÜNSTLERISCHE LEITERIN DARSTELLENDE KUNST
UNSINN UND SINN
Du suchst und suchst, und kannst den Sinn nicht finden.
Gibs auf; denn so wirst du ihn nicht ergründen.
Zieh deines Wegs und träume vor dich hin:
Wie oft enthüllt im Unsinn sich der Sinn!
Mascha Kaléko
Wieso braucht alles einen Sinn? Welche Instanz entscheidet, was einen hat? Was halten wir für Un-Sinn? Kultur? Theater spielen? Darf ich mir etwas erst erlauben zu tun, wenn es „einen Sinn“ hat? Hat etwas erst einen Wert, wenn es einen Zweck hat?
Nicht erst nach dem Sinn suchen: Absichtslosigkeit kann uns auch in der Kunst Freiraum geben. Einfach ins Tun kommen, auch wenn wir erstmal keinen Sinn darin erkennen. Dass wir im Tun selbst einen Sinn finden und der Verstand pausieren darf. Dass wir darauf vertrauen, dass bereits alles in uns ist, die Fülle da ist. Vielleicht finden wir zufällig doch einen für uns? Uns erlauben Un-Sinn zu machen. Seines Wegs ziehen und vor sich hinträumen: vielleicht gehört die Sommerakademie ja dazu? Und wie viel Platz gönnen wir uns während der Kurse zum Träumen?
Das Wort „Sinn“ entwickelte sich möglicherweise aus dem Indogermanischen „sent“, was so viel wie „gehen, reisen, fahren“ bedeutet und kennt unglaublich viele Unterbegriffe: Unsere fünf Sinne, aber auch der Raum-, Scharf-, Gleichgewichts-, Farb-, Zart- und Freiheitssinn zählen unter anderem dazu. Nicht zu vergessen der Blöd- und der Stumpfsinn. Wer mag: Tiefsinn, Frohsinn. So viele Sinne können uns an der Sommerakademie bereichern, in diesem großen Strauß von Möglichkeiten findet sich vielleicht auch ein Sinn für Sie? Vielleicht der Sinn für Humor?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen auf Ihrem Weg bis zum Start der Sommerakademie viel Unsinn.
ANA LAIBACH. KÜNSTLERISCHE LEITERIN BILDENDE KUNST
ICH BIN DANN MAL WEG …
Es gibt Menschen, die pflegen sie heimlich und andere werden von ihr verzehrt. Allgemein wird ihr nachgegangen, und in manchen Menschen wird sie geweckt. Sie löst enorme Begeisterung aus, und die Menschen, die von ihr ergriffen sind, geben sich ihr hin, in der Liebe, in der Lust, in der Kunst – die Leidenschaft.
Uns geht es um die Leidenschaft zur Kunst. Das Besondere und Wunderbare an der Sommerakademie ist die Möglichkeit, die ganz persönliche Sicht auf das Leben mit der Kunst zu vereinen. Abseits herkömmlicher Konventionen und Reglements wird am eigenen Ausdruck und der individuellen Bildsprache gezeichnet, gefeilt, geklopft, geknetet, gekratzt, geschnitzt, gepinselt, geklebt und gewerkelt.
Stets entstehen in dieser Zeit mannigfaltige kleine und große Universen, die Einblicke in die ganz individuellen Sprachen geben. Dabei steht stets der kreative Prozess – und Sie als Sahnehäubchen – im Vordergrund. Bestimmt ist Ihnen das Gefühl der Sehnsucht vertraut etwas ausdrücken zu wollen, was nicht in Worte zu fassen ist.
Die Kunst ermöglicht es uns, in uns zu gehen, um die äußeren und inneren Welten zu studieren.
Nehmen Sie sich die Zeit, einmal weg zu sein. Ihre ganz persönliche Reise wartet auf Sie.