© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Bäume umgeben die Lichtung, ein kleiner Teich ist in der Nähe, es gibt viel Grün – und nur wenige Meter entfernt ist schon die Cappeler Straße mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und an die Innenstadt. Entstehen soll an dieser Stelle ein VinziDorf nach dem Vorbild der österreichischen VinziWerke – eine Siedlung mit kleinen Häusern für Obdachlose, ergänzt um ein Verwaltungs- und Gemeinschaftsgebäude als zentraler Ort für Gemeinschaft, für ehrenamtliche Angebote und für städtische Unterstützung und Beratung.
„Menschen in unserer Mitte werden durch Schicksalsschläge obdachlos und sind auf Hilfe angewiesen. Es ist nicht nur unsere Pflicht, ihnen zu helfen – sondern es ist uns eine Herzensangelegenheit, ihnen gute Unterstützung und ein sicheres Zuhause zu bieten“, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Das tut die Stadt bereits mit vielfältigen Angeboten, um im besten Fall bei der Rückkehr in ein eigenes, reguläres Mietverhältnis zu helfen. So gibt es bereits das Probewohnen, bei dem die Stadt zunächst den Mietvertrag für die Wohnungslosen übernimmt und eine pädagogische Betreuung bietet und es gibt seit dem vergangenen Jahr eine Unterkunft für wohnungslose Frauen und Familien.
Tiny-Häuser und eine gute pädagogische Unterstützung
„Mit dem VinziDorf soll nun ein weiterer, betreuter Ort entstehen, an dem etwa zwölf obdachlose Männer leben können, wenn es für sie keine andere Perspektive gibt“, ergänzt Stadträtin und Sozialdezernentin Kirsten Dinnebier. Gebaut werden sollen auf dem Vitos-Gelände in der Cappeler Straße kleine Häuser mit grundlegender Möblierung und sanitärer Grundausstattung, wie Jürgen Rausch, Geschäftsführer der GeWoBau erklärt. Die Häuser werden etwa acht Quadratmeter groß und gruppieren sich an das zentrale Gemeinschaftsgebäude, in dem städtische Ansprechpersonen sein werden.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg Das bauliche Konzept geht zurück auf die Idee für die Gestaltung von Vinzidörfern in Österreich, die vom Architekturbüro gaupenraub+/- aus Wien entwickelt wurde. Alexander Hagner und sein Team haben den Standort als sehr gut geeignet bewertet. Das Wiener Büro soll auch die Ausführungsplanung für den Bau in Marburg übernehmen. Bevor gebaut werden kann, muss allerdings noch ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Gebaut werden könnte dann voraussichtlich ab 2024/25. Angesichts des frühen Planungsstadiums möchte Rausch noch keine genauen Kosten benennen. Allerdings werde das VinziDorf deutlich günstiger, als es Geschosswohnungen für den gleichen Zweck wären. „Und das, obwohl es sich um eine deutlich besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnittene Lösung handelt“, so der Gewobau-Geschäftsführer.
Parallel zu den baulichen Planungen wird die Stadt weiter am Betriebskonzept arbeiten – das umfasst etwa die Ausstattung der Tiny-Häuser, das benötigte Personal und die Gestaltung der Begegnungsräume.
Den Standort haben die Stadt und die GeWoBau sorgfältig ausgewählt. Geprüft wurden mehrere Möglichkeiten. „Dieser Standort auf dem Vitos-Gelände erscheint uns als besonders geeignet“, erläutert OB Spies. Gemeinsam mit Betroffenen und mit Einrichtungen wurden in einem Beteiligungsverfahren Standortkriterien entwickelt, die durch die Fläche an einer früheren Grillhütte gut erfüllt werden: Das Grundstück liegt zentral, ist an den ÖPNV angebunden und hat eine gute Infrastruktur in der direkten Umgebung. „Zugleich bietet es den Bewohnern Ruhe und Schutz, weil es etwas abseits auf dem Vitos-Gelände liegt – das ist für sie ein wichtiges Bedürfnis“, so Dinnebier.
„Häuser für die Unbehausten“ – getragen von der Stadtgesellschaft
„Es ist wichtig, dass wir dieses Projekt gemeinsam angehen und möglichst breit mit der gesamten Stadtgesellschaft tragen“, erklärt das Stadtoberhaupt. Von der Geburt der Idee für ein VinziDorf Marburg an, beteiligen sich viele Menschen aus der Stadtgesellschaft und aus verschiedenen Initiativen – ebenso wie natürlich von Obdachlosigkeit Betroffene - an den Planungen, an der Standortsuche und an den Standortkriterien. Sie sind Teil des Engagement-Bündnisses, haben an den Workshops zu Planung teilgenommen, werben für die Idee, wollen sich außerdem am Bau der Häuser, am Anlegen von Gärten oder in der Nachbarschaftsarbeit einbringen und etwa gemeinsame Kochangebote machen.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg Um die künftigen Nachbar*innen mitzunehmen und einzubinden, hat die Stadt Marburg sie nun bei einem Grillfest am Standort des VinziDorfes informiert. OB Spies, Stadträtin Dinnebier, GeWoBau-Geschäftsführer Rausch und die städtischen Fachdienste standen bereit, um vielfältige Fragen zu beantworten und über die Gedanken und Anmerkungen der Nachbarschaft zu sprechen. Außerdem wird das VinziDorf nun in der Hansenhausgemeinde und im angrenzenden Stadtteil Richtsberg im Ortsbeirat näher vorgestellt.
Hintergrund
Die Idee des VinziDorfs stammt von Pfarrer Wolfgang Pucher. Er ist der Gründer der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg - VinziWerke Österreich. Der Architekt Alexander Hagner vom Büro gaupenraub+/- hat im Rahmen der Zukunftsreihe „Marburg800-weiter denken“ seinen Ansatz einer „Architektur für Obdachlose“ vorgestellt. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau Marburg-Lahn plant den Bau der kleinen Häuser. Die Unterbringung und Betreuung der obdachlosen Menschen wird durch die Stadt Marburg erfolgen.
Wer das Projekt unterstützen und Teil des Engagementbündnis VinziDorf werden möchte, kann sich weiterhin als Unterstützer*in registrieren lassen. Infos dazu und zum Projekt insgesamt gibt es unter www.marburgmachtmit.de/VinziDorf online.
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