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Sagen vom Weißenstein
Allen Sagen um die Eroberung der Burg spielt der Schwerttanz eine wichtige Rolle.
Johann Jost Winckelmann (1620 - 1699) erzählt schon 1651, dass Sophie von Brabant die Feste mit Hilfe der Bauern von Wehrda zerstört habe. Er habe noch einen solchen Schwerttanz mit eigenen Augen gesehen, und zwar in Lollar, wo halbnackte Jünglinge zur Kurzweil sich tanzend zwischen Schwertern herumwarfen.
Es seien etwa 16 - 20 junge Männer gewesen, die sich zum Schwerttanz vereinigten. Mit dem Degen in der Hand bildeten sie angeblich verwirrende Kreise und stellten sich dann wieder in großer Schnelligkeit zum ordentlichen Tanz auf. Sie erschienen in weißen Hemden, mit einer Feldbinde umgürtet und mit Schellen an den Kniescheiben. Die Arme waren von herabflatternden Bändern umschlungen, auch die Hüte waren mit weißen Tüchern und farbigem Band geschmückt.
Engelhard schrieb 1778: "Weil dem Schloß Weißenstein wegen seiner Höhe und Festigkeit nicht gut beizukommen war, so hatten die nahe dabei gelegenen Einwohner des Dorfes Wehrda den darauf wohnenden Edelleuten und Räubern zum neuen Jahr einen Schwerttanz nach damaliger Art gehalten. Als sie nun unter solchem Schein einmal in das Schloß eingelassen worden, haben sie die unter ihren Kleidern versteckt gehaltenen kleinen Dolche hervorgezogen, die Besatzung niedergemacht, die Räuber dem Landesherrn ausgeliefert und das ganze Schloß geschleift. Für diesen Dienst soll der Landgraf der Gemeinde ein großes Stück Wald geschenkt haben.”
Lange schreibt in seiner "Geschichte von Hessen”: "Interessant ist die Sage, wie sich die Bauern von Wehrda durch eine Verschwörung von ihrem Quälgeist, dem Raubritter der Burg Weißenstein, erlösten. Wissend, daß dieser Wegelagerer und Bauernschinder den Schwerttanz über alles liebte, erschienen einst die Geplagten und erbaten sich Einlaß, um den Burgherrn durch sein Lieblingswaffenspiel zu erfreuen. Gern öffnete man ihnen die Tore, Kaum aber hatte der Tanz begonnen, so fielen die schlauen Bauern über den Ritter her, erschlugen ihn und zerstörten sein Raubnest. Unter den Schätzen und Kostbarkeiten, welche die Edelfrau in die Lahn geworfen, war auch ein goldenes Spinnrad, welches sich seitdem alle sieben Jahre aus dem Grunde erhebt und auf dem Wasser tanzt.”
Eine andere Sage erzählt: "Auf dem Weißen Stein hauste ein Ritter Kuno, unter diesem hatten die freien Bauern von Wehrda viel zu leiden. Einstmals war der Sohn einer Witwe auf seinem Acker und sah, wie ein Hirsch seine Saaten abweidete. Dem Jüngling zuckte es durch den ganzen Körper, und er erlegte das Tier. Das sah der Ritter von seiner Feste, schickte seine Knechte aus und ließ den Jüngling einfangen. Ehe er wieder in Freiheit gesetzt wurde, ließ ihm der Ritter ein Mal auf die Stirne brennen. Diese Untat empörte die Bauern von Wehrda aufs höchste, und sie beschlossen, sich durch List der Feste des Ritters zu bemächtigen. Unter dem Vorwand, einen Schwerttanz aufführen zu wollen, gelangten sie in die Burg, unter ihrem Gewand die verborgenen Waffen tragend. Sie überfielen den Ritter und seine Knechte und machten alles nieder. Die Burgfrau soll den steilen Berg hinunter mit den Kostbarkeiten in die Fluten der Lahn gesprungen sein.”
Verwandt mit der Erzählung vom goldenen Spinnrad ist die Sage vom Riesen Essel, der bei seiner Überwindung die goldene Tür vom Weißenstein beim Esselswerth (Etzelschwert) in die Lahn geschleudert habe, wo sie alle sieben Jahre auftaucht. Dietrich Weintraut (1798 - 1870, Erinnerung an Marburg) und G. Th. Diethmar (Aus Marburgs Vorzeit) haben die Sage vom goldenen Rad in Verse gebracht:
Georg Thomas Dithmar (1810-1901)
Der Weißenstein bei Wehrda, die Kuppe steil und spitz,
war einst, in grauen Zeiten, der ärgsten Zwingherrn Sitz;
Die Burg ist längst zerfallen, kein Stein ist mehr zu sehn,
wie's kam, laß Dir erzählen, wenn auf dem Berg wir stehn.
Schau hier die grünen Wiesen, durchschlängelt von der Lahn,
sieh weiden dort die Heerde, das Dorf, den Thurm sieh an,
Wehrda, das Bild des Friedens, warst's nicht in alter Zeit,
da schuf der böse Ritter dir Drangsal, Schreck und Leid.
Rings um die Burg im Walde ging manches schöne Wild,
Darin die Lust zu jagen der Ritter hat gestillt;
Doch wehe, wenn ein Bauer im Wald sich finden ließ;
Der Ritter gab ihm Prügel und sperrt' ihn ins Verließ.
Sein Thun schrie laut nach Rache, geschmiedet ward der Plan,
und Mädchenkleider thaten die kräftgen Bursche an,
dann auf der grünen Wiese, in heiterm Sonnenglanz,
hielt aus dem Dorf die Jugend ein Fest mit Spiel und Tanz.
Der Ritter auf dem Berge, er sah dem Tanze zu,
bis Lust, auch mitzutanzen, ihn nicht mehr ließ in Ruh;
Der Vogel ließ sich locken aus seinem festen Nest,
die böse Zeit sollt' enden mit diesem frohen Fest.
Ein Schwert hieng im Gewände jedwedem Bursch versteckt,
geschliffen war's zum Morde des, der den Haß erweckt;
Er kam, hat rasch ergriffen zum Tanz die schönste Maid,
da wards auf einmal stille, auf Liebe folgt das Leid.
Sein Schwert ein jeder zuckte hervor aus dem Gewand,
der Ritter lag im Blute, vom Schwärme übermannt.
Nun stürzen sie zur Feste, des Ritters Leute flohn,
und rufen: "Nie ein Zwingherr auf diesem Berg mehr wohn!"
Ein Kleinod war im Schloße, ein Kleinod seltner Art,
von jeglichem Geschlechte als Heiligtum bewahrt,
der Pforte Oberschwelle war von gediegnem Gold,
das eine Fee einst schenkte dem tapfern Ahnherrn hold.
Ergrimmt die Bauern wälzten die Steine in das Thal,
doch war nicht mehr zu finden das goldene Portal,
das Edelfräulein hatte den Schatz getragen fort,
und in die Lahn versenket der alten Väter Hort.
Im Waßer, tief im Grund, halt fest nun diesen Schatz,
des Lahnstroms schöne Nixe, stets an dem gleichen Platz;
Nur alle hundert Jahre gibt sie ihn einmal los,
dann steigt er durch die Fluten aus ihrem dunkeln Schoß.
Einmal, so hörst du sagen, ein Fischer that den Fang,
als eben aus dem Schöße das Gold zur Höhe drang,
doch stieß er, voller Freude, aus seinem Mund ein Wort,
da wieder in die Tiefe sank rasch der goldne Hort.