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Landschaftsplan Marburg Mitte
Der Landschaftsplan Marburg Mitte ist gemäß § 4 Abs. 6 HENatG (2002) 04/2007 genehmigt.
Die Stadt Marburg hat mit "den projektierten neuen Stadtteilen", dargestellt im "Plan der Stadt Marburg" aus dem Jahr 1868 eine Entwicklung vorgegeben, die bis heute die Stadt zwischen Afföller Wehr, Lahn und Schwanallee definiert, wenn auch im Bereich des Südviertels noch recht unklar.
Der Umfang der damals neuen Stadtteile war jedoch bis zur Lahn ausgelegt. Mit der Projektion und Realisierung des Südviertels ist ein bedeutender und bis heute gültiger Abschnitt der Entwicklung erreicht. Das weitere Wachstum, auch der Verkehrstrassen, erfolgte beidseitig der Main-Weser-Bahn, wobei große Teile des heutigen Straßennetzes definiert sind. Der Richtsberg ist, 40 Jahre später entstanden, charakteristisch für den Großwohnungsbau der 1960er und 1970er Jahre. War die Entwicklung des 19. Jahrhunderts noch von der Kernstadt ausgehend, sind derzeit größere Entwicklungen in solchen Wachstumssringen nicht mehr vorstellbar.
Die Stadt zwischen Wehrda und Cappel weist bis auf wenige Teilbereiche (so in Marbach, so auf der Elsenhöhe), nur "stadtinnere" Entwicklungen auf (auch Nachverdichtung, Nachnutzungen). Diese umfassen sowohl Schwerpunktprojekte des Wohnens wie auch des Gewerbes. Da sich aber die Stadt im Lahntal von Talseite zu Talseite erstreckt, ist hier orografisch die Stadt beidseitig des Flusses begreifbar. Im Norden und im Süden ist diese Stadt des Wohnens, der Hochschule, des kleineren und mittleren Gewerbes, durch Freiräume definiert, durch das Afföller Wehr im Norden und durch die Agrarlandschaft an der Südspange.
Der derzeitige Entwicklungsstand stellt aus heutiger Sicht des Landschaftsplanes heraus das Ende des flächenhaften Wachstums der Kernstadt dar.
Der Landschaftsplan stellt, neben einer größeren Anzahl von Einzelmaßnahmen, folgende Entwicklungskomplexe fest. Die Anmerkungen erfolgen aus landschaftsplanerischer Sicht und beinhalten etwa bei Rahmenplanvorschlägen die "grüne Sicht".
Afföller Wehr/Knutzbach
Entwicklung und langfristige Neuordnung im Norden
- als Ausgangsraum für den "Flussraum" der Kernstadt,
- durch Strukturentwicklung mit Neuordnung und zusätzlichen Funktionen,
- für Ökologie (Feuchtbereiche/ Lahnufer),
- für Freizeit/ Hobby (Kleingärten, Sport, Spiel und Aufenthalt),
sowie Gewerbeentwicklung - und integrierten Sozialfunktionen.
Dieses Entwicklungszenario weist die Forderung nach planerischen Maßnahmen auf
- Entwicklungsplanung als Grundlage der Grünordnung
- Entwicklungsplanung Erholung
- Grünordnung.
Vorgabe der Landschaftsplanung ist die Schaffung einer Überflutungszone unter Aufnahme des Knutzbaches als Maßnahme des Arten- und Biotopschutzes. Ebenso, dies ist jedoch selbstverständlich, eine Verstärkung des Ufersaumes der Lahn oberhalb des Wehrs.
Lahntal im Süden
Zwischen Südspange und der Schützenpfuhl-Brücke, bedingt die Orografie die Entwicklung. Dabei ist der südöstlich der Lahn gelegene Talraum noch stark von der Landwirtschaft geprägt, der nord-westliche durch Grünflächen. Die Entwicklungsvorstellung des Landschaftsplanes zeigt im städtebaulichen Bereich
- alternative Flächen zum bestehenden Camping-Platz
- südlich Schützenpfuhl-Brücke
- nördlich Südspange.
Im ökologischen Bereich sind es die Festlegungen
- Verlagerung des Lahnlaufes zum alten Verlauf hin
- Neufassung des Kreuzbaches und Aufbau einer Überflutungsrinne.
Grundsätzlich aber soll dieser Stadtraum (als Übergang zum Cappeler Feld) durch das Belassen der landwirtschaftlichen Nutzung bis auf Höhe Willi-Mock-Straße gekennzeichnet sein.
Mittiger Bereich der Lahn
Diese beiden Stadteingänge verbinden sich durch die Lahn, die sich zwischen Schützenpfuhl-Brücke und Bahnhofstraße als, gemessen an der Bedeutung für Stadtgestalt und Stadtökologie, vernachlässigt und in weiten Teilen deformiert darstellt. Der Landschaftsplan legt als Planinhalt folgende planerische Maßnahmen fest:
- als Strukturkonzept Lahntalentwicklung,
- durch die Entwicklungsplanung Lahnaue/ruhender Verkehr und
- durch die Entwicklungsplanung Freibad.
Sie beinhaltet weitestgehend Hinweise zu Städtebau und Grünordnung in Form von strukturellen Festlegungen bzw. Handlungshinweisen zur potentiell-natürlichen Vegetation, zur Flussdynamik und Änderung der Nutzungsintensität, zu Wechselwirkungen und Querschnittveränderungen, also insgesamt für
- Nutzungsänderungen
- Strukturverbesserungen
- dynamische Flussdynamik
- Gestaltung und technische Maßnahmen.
Diese Maßnahmen und Handlungsvorgaben sind die Kernaussagen zur Entwicklung der Lahnaue und stellen eine Art Pflichtenheft zur Erarbeitung der synoptischen Lahnstudie dar, gebunden an die Maßstabsebene des Landschaftsplanes. Diese Vorgaben werden folgende Ergebnisse bewirken.
- Entwicklung von dynamischen Bereichen, das heißt der Flussdynamik unterworfenen Flussabschnitten
- Neustrukturierung der Aueflächen, derzeitig ruhender Verkehr
- Ausweitung von Funktionen im Erholungsbereich, etwa Badebereich.
Lahntal im Norden
Das Tal zwischen Kupferhammer und Afföller ist, trotz des Gewerbebereiches Wehrda, als Flusstal durch die Landwirtschaft geprägt. Soweit sich dies abschätzen lässt, ist die Erhaltung der Flächen durch landwirtschaftliche Nutzung gesichert. Das landschaftsplanerische Teilziel "Offenhaltung durch Nutzung" ist gesichert. Dadurch werden die anderen Teilziele
- der Sicherung der Klimafunktion,
- der Sicherung der Erholungsfunktion,
- der Sicherung der Grundwasserneubildung und
- der Sicherung der Böden als landwirtschaftliche Ressource
ebenfalls gewährleistet.
Das deutlichste Defizit, die Ausgeräumtheit des Tales, hat sich durch die Schleifung des Hochwasserschutzes verbessert. Dennoch verbleiben weitere Teilziele für diesen Raum, und zwar
- die Verbesserung der Lahnufer von der Gemarkungsgrenze bis zum Knutzbach,
- die Verbesserung der Talökologie insgesamt durch Auflassung des Hochwasserschutzes analog nördliches Wehrda und
- die Ausweitung des Lahnufers im Einmündungsbereich des Cölber Grundes.
Im Bereich "Bauleitplanung" ist zunächst festzuhalten, dass das Gewerbegebiet Wehrda nicht ausgeweitet wird, auch nicht als langfristiges Ziel. Seitens der Landschaftsplanung sind folgende planerische Maßnahmen vorgeschlagen
- Untersuchung Alternativstandort Campingplatz im Gewann "Staade"
- Verbesserung der Radwegeverbindung Cölbe-Kupferhammer-Lahntal bzw. Sendenberg-Lahntal.
Sendenberg und Marbach
Diese beiden Agrarlandschaften können nach übereinstimmender Meinung mit der Landwirtschaftsverwaltung bewirtschaftet werden. Dabei ist in beiden Bereichen
- das Oberflächennetz der Gewässer zu renaturieren, einschließlich der Wasseraustritte,
- die morphologische Struktur muss erhalten bleiben,
- die Biotopstruktur am Sendenberg ist auszubauen,
- der Biotopverbund mit den Waldflächen am Sendenberg ist auszubauen und
- der Biotopverbund "Ketzerbach" ist herzustellen.
Die landwirtschaftliche Nutzung gewährleistet:
- Stabilisierung des Landschaftsbildes und damit der Erholungseignung
- Aufrechterhaltung der Klimafunktion, insbesondere in Marbach.
Um diese Nutzung aufrecht zu erhalten, sind folgende Bewirtschaftungsarten sinnvoll
- Konturenbearbeitung mit langen Schlägen
- Zulassung der Reduzierung des Feldwegenetzes im Bereich "Erdwege"/wassergebundene Decken
- Grünland statt Ackerbau in der Fläche zur Erosionsverminderung, vergleich hierzu Themenkarte Landwirtschaft.
Bei einer so ausgelegten Bewirtschaftung sind die oben genannten Ziele zu erreichen und zu stabilisieren.
Die Waldflächen
Beide großen Waldflächen "Lahnberge" und "Wehrdaer Wald" sollen insoweit alternativ bewirtschaftet werden, dass
- der Biotopverbund Wald-Offenland verbessert oder auch generell aufgebaut wird,
- die Klimafunktion des Waldes (Kaltluftabfluss) verstärkte Aussenwirkung erzielt, in Verbund mit o. a. Verbesserung des Biotopvernetzung,
- die Erholungseignung des Waldes durch naturnäheren Umbau der Waldflächen gezielt auf die Naturschutzziele Schönheit und Eigenart verbessert wird und
- das waldinterne Oberflächengewässernetz wesentlich verbessert/renaturiert wird.
Diese Zielgebungen sind in der E-Karte 1 aufgezeigt und als Maßnahmenbündel aufgeführt. Durch diese Maßnahmen kann gleichfalls ein "Ökokonto" für die privaten Waldbesitzer bereitgestellt werden.
- Ausbau der Wasserläufe Goldborn/Kalteborn
- Ausbau des Schwarzebaches
- Ausweitung des Teufelsgrabens in die Ausgangsmulden
- Aufbau von Verbindungsgliedern durch Bestandsaufbau am Vogelheerd, am gebrannten Berg, am Göbelsköpfchen.
Die Kernstadt
Die Altstadt mit dem Schlossberg ist nur mittelbar bzw. teilweise durch den Landschaftsplan angesprochen, da ein Grünordnungsplan für die Altstadt besteht. Außerhalb der Altstadt (die sich wie ein Hufeisen von der Ketzerbach bis zum Südviertel erstreckt) können aus der Sicht der Landschaftsplanung zwischen Bereichen unterschieden werden, die im maßvollen Umgang strukturell sich in der Substanz ändern können, unter strikter Beachtung der gekennzeichneten Grünbestände und Freiräume. Diese sind:
- Das Gebiet von der Ketzerbach bis zum Hauptfriedhof, nach Süden begrenzt durch die Ockershäuser Allee und im Norden die Gärten und Freiflächen des Schlosses beinhaltend.
- Die Bereiche zwischen Augustenruhe/Kirchspitze und An der Haustatt/Elsenhöhe, nach Süden durch die Ketzerbach begrenzt.
- Das Südviertel, dass allerdings noch stringenter behandelt werden muss. Neben der Sicherung der Kerngrünflächen durch Verzicht auf das Bauen in der 2. Reihe, sollte ein grünordnerisches Konzept für die Straßenräume insgesamt entwickelt werden, vor allem durch einen dem Gebiet entsprechen den Duktus der Straßenraumgestaltung (Straßenbaumbepflanzung und Platzgestaltungen).
- Sehr heterogen stellt sich der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Besiedlungskorridor zwischen Afföller Wehr und Weidenhäuser Brücke dar. Hier kann unterschieden werden:
- Afföller Wehr - Bahnhofstraße → Entwicklung durch Strukturerneuerung
- Zwischen Bahnhofstraße und Schwarzem Wasser → Einzelmaßnahmen.
Ein Merkmal der Nordstadt als Teil der Kernstadt ist die Inselbildung durch Lahn, Mühlkanal und Schwarzem Wasser, wobei charakteristisch ist, wie diese Bereiche eine gemauerte "Insel" darstellen - dies ist wohl bleibendes Merkmal dieses Stadtabschnittes. Es ist aus der Sicht des Landschaftsplanes notwendig, in Ergänzung des Rahmenplanes Lahninsel diesen weiter zu entwickeln und zu verdeutlichen. Vorgeschlagene Planungen sind
- Maßnahmenbündel entlang des Mühlkanals, des Schwarzen Wassers
- Grünordnerischer Rahmenplan GOR Nordstadt (zw. Afföller-Bahnhofstraße-Schwarzes Wasser).
Ziele dieser Pläne sollte der Versuch sein, unter Integration der vorhandenen Überlegungen einen gemeinsamen Topos zu finden, in der
- die Zugänglichkeit des Wassernetzes ermöglicht wird,
- die strukturelle Unterschiedlichkeit zwischen dem orthogonal gegliederten Siedlungskörper entlang der Lahn und den "weicheren", vom Botanischen Garten und der Elisabethkirche geprägten Arealen und den verbindenden Kanal- und Flusselementen als städtebauliches Erbe aufgezeigt wird,
die Begrenzung zur Lahn durch gemauertes Ufer im Norden und das weiche Ufer mit dem Fluss und seiner Ökologie im Süden gekennzeichnet wird.
Ein weiterer wesentlicher Bereich ist zwischen der Schwanallee und Willi-Mock-Straße befindlich:
- bebauter Siedlungsbereich, jedoch ohne orthogonale Erschliessungen entlang der Schwanallee und der Ockershäuser Allee
- "weicher" und offener die Schulen und Sportflächen, letztere anreicherbar in ihren Funktionen, auf die E-karte 1 wird verwiesen.
Immer noch im Lahntal und auf der Höhenlage des Flusses sind die Gewerbe/Wohnungsbau- bzw. Mischbauflächen zwischen der B3 und dem Fuß der Lahnberge. Diese Bereiche reichen über die Flächen des Bahnhofes bis zum Messegelände Nord. In diesen Kontext gehört auch das Universitätsgelände an der B3. Die Gemengelage dieses Streifens wird durch die Anstiegsbewegung zu den Lahnbergen "gesteuert". Dadurch ergibt sich eine Differenzierung von Flächen und Nutzung in Einzelbereiche.
Die Halbhöhenlagen
Die Besiedelung der ansteigenden Hänge beidseitig der Lahn wird oder wurde von der Orografie gesteuert. Dadurch ergab sich ein Siedlungsband, das der Hangkontur folgend, jeweils tief in die Lahnberge eingreift.
- Wolfsloch
- Im Gefäll
- Zahlbach
Von diesem "System" weicht der Badstubengraben ab, der eher ein gliederndes Element zwischen Großseelheimer Straße und Richtsberg darstellt.
Das Gelände der Landesanstalt weicht durch seine orthogonale Gestaltung vom Siedlungsschema ab, während der Richtsberg als eigenständige Großsiedlungsform (typisch für die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts) strukturiert ist. Aus der Sicht des Landschaftsplanes sind
- die Klimafunktionen (Kaltluft, Strahlungsbilanz),
- die Verbesserung der Wasserläufe (Naturierung/ Renaturierung),
- die Sicherung der Wasseraustritte (Quellen und Quellhorizonte),
- die Verbesserung der Talmulden durch naturnahe Vegetationsformen,
- die Sicherung der schützenswerten Grünbestände und Kerngrünflächen und
- die Stützung und der Ausbau der Vernetzungen
zu beachten.
Auch für diese Stadtteile gilt, dass es nur noch wenige frei verfügbare Flächen gibt, deren Aufsiedlung sehr restriktiv gehandhabt werden sollte. Um diese Empfindlichkeiten zu berücksichtigen, sind Baugrenzen aus der Sicht der Landschaftsplanung aufgezeigt. Diese sind
- Waldränder der Hangwaldbestände
- Siedlungsränder am Badstubengraben
- Ortsränder "Im Gefäll"
- Ortsränder "Zahlbach"
Marbach
Ausgehend von einem sehr kleinen alten Kern sind die Hanglagen zwischen Köhlersgrund und der Höhenlage "Auf der Eich" (Europabad) und dem "Hasenberg" als topografische Mitte entwickelt, eindeutig den orografischen Strukturen folgend. Während in den Siedlungsbereichen konventioneller Art geringfügig Nachverdichtungen denkbar sind, sind neben den Siedlungsflächen am Hasenküppel (=Berg) noch flächenhafte Randbebauungen möglich - zwischen "Roteberg" und "Engelsgrund". Landschaftsplanerische Hinweise sind:
- die Sicherung der Grünbestände und Kerngrünflächen am Hasenberg
- die Renaturierung des Marbaches/der Ketzerbach einschließlich des "Hinkelbaches" (aus den ehem. Behringwerken)
- die Entwicklung der Sportfreiflächen (als langfristige Option) zum Ludwigsgrund hin.
Wehrda
Auch Wehrda zeigt zwar eine konventionelle Entwicklung, die jedoch aus landschaftsplanerischer Sicht nicht nachverdichtet werden sollte, da in den Kerngrünflächen die Wertigkeit dieser Flächen liegt. Dennoch sind solche Nachverdichtungen, neben den Baulücken, denkbar, so in Teilen der Landesklinik im Bereich des Krankenhauses. Die Steuerung von Besiedlungsvorgängen ist im Plan
- als Besiedlungsgrenzen (Landschaftsplanfestsetzungen),
- als schützenswerte Grünbestände/Kerngrünfläche,
- als Einzelmaßnahmen und
- als Hinweise auf die Klimafunktion in Verbindung mit Maßnahmen in den Waldflächen enthalten.
Beauftragtes Planungsbüro:
Bernhard Geiger
Freier Landschaftsarchitekt
Weiler Str. 14
71739 Oberriexingen