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Barrierefreies Bauen
© Universitätsstadt MarburgSeit der Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes im Jahre 2002 haben behinderte Menschen einen gesetzlich verbrieften Anspruch darauf, ein möglichst selbständiges Leben in unserer Gesellschaft zu führen. Um behinderten Menschen den uneingeschränkten Zugang zu Aktivitäten in Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen, müssen sie aus eigener Kraft und ohne die Hilfe Anderer
- ihre Arbeitsstätten, Ausbildungsstellen und Schulen erreichen,
- am kulturellen Leben, (z. B. durch den Besuch von Theatern, Kirchen,
Museen, Büchereien und Kinos) teilnehmen,
- Geschäfte und Gaststätten erreichen,
- Freizeiteinrichtungen nutzen,
- Verwaltungs- und Dienstleistungsgebäude aufsuchen können.
Die barrierefreie und behindertengerechte Gestaltung des Lebensraumes mit öffentlichen Gebäuden sowie Plätzen und Straßen ermöglicht allen behinderten Menschen eine weitgehend selbständige Teilnahme am öffentlichen Leben und ist somit ein wichtiger Beitrag zur Gestaltung einer adäquaten Lebensqualität. Außerdem entstehen auch für andere Personengruppen, wie z. B. Personen mit Kinderwagen und ältere Menschen, Vorteile durch die barrierefreien Bauten. In Marburg leben sehr viele behinderte Menschen, allein ca. 800 Blinde und Sehbehinderte. 260 Schüler besuchen die Blindenstudienanstalt. Ca. ein Drittel dieser Schüler ist völlig blind. Daher ist dem Aspekt des "lebenslagengerechten Bauens" in Marburg seit langem ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt worden. Seit 1997 gibt es den Behindertenbeirat der Universitätsstadt Marburg. Aufgabe des Behindertenbeirates ist es, die Interessen behinderter Menschen gegenüber den städtischen Körperschaften im Sinne der Förderung der Selbstbestimmung und Eigenständigkeit behinderter Menschen bei der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu vertreten. Der Behindertenbeirat berät und unterstützt den Magistrat und die Stadtverordneten in allen wichtigen Angelegenheiten, die behinderte Menschen und deren Belange betreffen. Dies bezieht sich insbesondere auf die bauliche Gestaltung öffentlich zugänglicher Gebäude und auf die behindertengerechte Anlage der öffentlichen Verkehrsflächen. Der Beirat tritt nach Bedarf, mindestens jedoch viermal im Jahr zusammen. In Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Dienststellen haben die Akteure des Behindertenbeirates Arbeitskreise eingerichtet, die bei regelmäßigen Treffen die Planung und Ausführung von Hoch- und Tiefbauprojekten miteinander besprechen.
Das Marburger Beteiligungsmodell
Kurz nach der Einrichtung des Behindertenbeirates im Jahre 1997 wurde eine bereits bestehende Zusammenarbeit zur Abstimmung von Verkehrsprojekten zu fest organisierten Arbeitsgruppen, dem sogenannten "Runden Tisch zu Verkehrsprojekten" und dem "Runden Tisch Hochbau" erweitert. Die runden Tische setzen sich zusammen aus Mitgliedern des Behindertenbeirates (Interessenvertretern von sehbehinderten und mobilitätseingeschränkten Menschen), Mitarbeitern der Blindenstudienanstalt, einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Behindertenbeirates, Mitarbeitern der Straßenverkehrsbehörde und Mitarbeitern des Fachbereiches Planen, Bauen, Umwelt. Die Arbeitsgruppe kommt zwei Mal pro Jahr zur Besprechung von Hochbauprojekten und zwei Mal pro Jahr zur Besprechung von Tiefbau- bzw. Verkehrsprojekten zusammen. Beschäftigt wird sich bei den Zusammenkünften mit der barrierefreien Gestaltung öffentlich zugänglicher Gebäude und der Anlage öffentlicher Verkehrsflächen. Zum Teil handelt es sich um sehr einfache, leicht umzusetzende Maßnahmen, wie die Anordnung von Türöffnern, Bordsteinabsenkungen etc., für die im städtischen Haushalt eine Pauschalsumme bereitsteht. Am "Runden Tisch" werden die Prioritäten für die Umsetzung dieser Maßnahmen festgelegt. Neben der Festlegung von Programmen zur Durchführung von Verbesserungsvorschlägen an vorhandenen baulichen Anlagen besteht eine wichtige Aufgabe des "Runden Tisches" darin, die Planung von Neubau- oder größeren Umgestaltungsprojekten zu begleiten, um diese Projekte hinsichtlich der Zielsetzung "Barrierefreiheit" zu optimieren. Direkt Betroffene nehmen die Verhältnisse intensiver wahr und erkennen oft einfachere, schnell durchführbare Lösungen. Die Tätigkeiten des Fachbereiches Planen, Bauen, Umwelt umfassen u. a. die Bauaufsicht, den Tiefbau und den Hochbau. Mit der Bauaufsichtsbehörde werden private Bauvorhaben hinsichtlich der Übereinstimmung mit Rechtsvorschriften überprüft. Neben der Einhaltung der unten genannten DIN-Normen spielt jedoch auch die Beratung von Bauherren und Architekten eine sehr wichtige Rolle, da hierdurch zu einer Bewusstseinsbildung bezogen auf das barrierefreie Bauen beigetragen werden kann. Als Planungsgrundlagen dienen verschiedene DIN-Vorschriften, auf die sich auch die Hessische Bauordnung (HBO) bezieht:
DIN 18040 Teil 1 - "Barrierefreies Bauen - Öffentlich zugängliche Gebäude“
Diese DIN löste im Oktober 2010 die DIN 18024 Teil 2 -"Barrierefreies Bauen - Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten" ab.
Der Inhalt der DIN 18024 Teil 2 wurde grundlegend überarbeitet und umstrukturiert. So wurden u. a. sensorische Anforderungen neu aufgenommen und Arbeitsstätten aus dem Anwendungsbereich gestrichen.
Mit dieser Norm wird das Ziel verfolgt, die Barrierefreiheit gemäß § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes (siehe unten) zu schaffen. Sie zeigt die technischen Voraussetzungen auf, unter welchen öffentlich zugängliche Gebäude barrierefrei sind.
Anzuwenden ist diese Norm für die barrierefrei zu gestaltende Ausstattung von neu zu bauenden öffentlich zugänglichen Gebäuden. Es wird empfohlen sie auch bei Gebäudemodernisierungen und Umbauten zu berücksichtigen. Dabei werden die Außenanlagen, welche für die Nutzung und Erschließung dieser öffentlichen Einrichtungen erforderlich sind, mit eingeschlossen. Hierbei ist zu beachten, dass die Barrierefreiheit sich gemäß dieser Norm nur auf die Gebäudeteile und deren Außenanlagen bezieht, die für die Öffentlichkeit vorgesehen sind.
DIN 18040 Teil 2 - "Barrierefreies Bauen - Wohnungen“
Diese im September 2011 erschienene DIN ersetzt die DIN 18025 Teil 1 – „Wohnungen für Rollstuhlfahrer“ und DIN 18025 Teil 2 – „Barrierefreie Wohnungen“.
Das neue Dokument regelt die barrierefreie Planung, Ausführung und Ausstattung von Wohnungen sowie von Gebäuden mit Wohnungen und deren Außenanlagen. Es bestimmt außerdem, unter welchen technischen Voraussetzungen Gebäude und bauliche Anlagen barrierefrei sind.
Ziel dieser Norm ist es, weitestgehend allen Menschen die Nutzung des gebauten Lebensraumes ohne fremde Hilfe und besondere Erschwernis durch barrierefreie Gestaltung zu ermöglichen. Berücksichtigt werden insbesondere die Bedürfnisse von Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen oder motorischen Einschränkungen sowie von Personen, die auf Mobilitätshilfen oder Rollstühle angewiesen sind.
DIN 18040 Teil 3 - "Barrierefreies Bauen - Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“
Diese DIN ist im Dezember 2014 an die Stelle der DIN 18024 Teil 1 - "Barrierefreies Bauen - Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze" getreten.
Grundsätzlich neu sind sensorische Anforderungen (visuell, akustisch, taktil) sowie die Formulierung von Schutzzielen.
Diese Norm gilt für die Planung, Ausführung und Ausstattung von barrierefreien Verkehrs- und Außenanlagen im öffentlich zugänglichen Verkehrs- und Freiraum. Sie enthält neben allgemeinen Planungsanforderungen besondere Planungsanforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Verkehrs- und Außenanlagen. Sie gibt darüber hinaus Hinweise für die barrierefreie Gestaltung von Außenanlagen, die nicht öffentlich zugänglich sind.
Die aufgeführten DIN-Vorschriften können unter der folgenden Adresse angefordert werden: Beuth Verlag GmbH Burggrafenstraße 6 10787 Berlin Tel.: 030/2601-0 Um für die Zukunft klare rechtliche Zielvorgaben für die Barrierefreiheit zu schaffen, hat der Deutsche Bundestag am 28. Februar 2002 ein Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen verabschiedet. Dieses Gleichstellungsgesetz ist nach Zustimmung des Bundesrates am 01. Mai 2002 in Kraft getreten. Im Zusammenhang mit der Gleichstellung behinderter Menschen ist die barrierefreie und behindertengerechte Gestaltung unseres Lebensraumes wesentliches Ziel dieses Gesetzes. Während die Bauaufsicht die Einhaltung von Rechtsvorschriften prüft und so eine Steuerungsfunktion gegenüber den privaten Bauvorhaben wahrnimmt, ist die Stadt Marburg bei öffentlichen Hoch- und Tiefbauprojekten selbst Bauherrin. Dabei ist es bei den Planungen von Einzelprojekten wichtig, dass durch intensive Kommunikation mit Interessenvertretern die Realisierung maßgeschneiderter Vorhaben sichergestellt wird. Planungen werden durch intensive Beteiligung wesentlich besser, weil sie nicht an den Bedürfnissen der Menschen, die die geplanten Objekte später nutzen werden, vorbeigehen.
Bei zahlreichen Projekten hat die Abstimmung am "Runden Tisch" zu einer Optimierung und zum Teil auch zu Lösungen beigetragen, die vielleicht nicht normgerecht, für den Einzelfall jedoch wie maßgeschneidert sind. Es ist kein Geheimnis, dass meistens auch das wirtschaftliche Optimum nur dann erreichbar ist, wenn einzelfallbezogene Lösungen einvernehmlich herausgearbeitet werden.
Allgemeine Informationen zum Thema barrierefreies Bauen sowie Beispiele für barrierefreies Bauen im öffentlichen Bereich der Stadt Marburg können Sie der Präsentation entnehmen, die nebenstehend als pdf-Datei aufgerufen werden kann.
Ansprechpartner für öffentlichen Bereich:
Anna Hommel vom Fachdienst Bauverwaltung
Barfüßerstraße 11
35037 Marburg
Tel.: (0 64 21) 2 01 - 16 03
E-Mail: bauverwaltung@marburg-stadt.de
Ansprechpartner für die Förderung des behindertengerechten Umbaus von selbstgenutztem Wohneigentum in Hessen:
Katja Bollmann vom Fachdienst Bauverwaltung
Barfüßerstraße 11
35037 Marburg
Tel.: (0 64 21) 2 01 - 16 04
E-Mail: bauverwaltung@marburg-stadt.de