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Hintergrund des Projekts Marburg ohne Partnergewalt
Projektinhalte
Das Projekt besteht aus drei Teilen: der „Koordinations- und Servicestelle Marburg ohne Partnergewalt“, einem Praxisbaustein aus der Frauenunterstützung und einem Praxisbaustein aus der Täterarbeit.
Die Koordinations- und Servicestelle wird paritätisch vom Gleichberechtigungsreferat der Universitätsstadt Marburg und JUKO Marburg e.V. ausgefüllt. Ihr Auftrag ist es, innerhalb der Projektlaufzeit durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit in Marburg das Problem von Partnergewalt ins öffentliche Bewusstsein zu holen: Durch öffentliche Kampagnen sollen das Problembewusstsein gestärkt und alle dazu aufgerufen werden, Partnergewalt in ihrem Umfeld zu erkennen, sich einzumischen und Hilfe anzubieten. Den Betroffenen von Partnergewalt soll deutlich signalisiert werden, dass es Rückhalt und Hilfsangebote für sie gibt. Dafür ist das Wissen um die Erreichbarkeit und den Ablauf von Beratungen und Interventionen ebenso von Bedeutung wie die Ermutigung dazu, diese in Anspruch zu nehmen. Gleichfalls sollen die Öffentlichkeitsmaßnahmen auch diejenigen erreichen, die Partnergewalt ausüben oder an sich eine Neigung zu aggressivem Verhalten in ihrer Beziehung erkennen. Ihnen soll klar vermittelt werden, dass Gewalt in Partnerschaften weder ihre Privatsache noch zu rechtfertigen ist. Sie sollen dazu aufgerufen werden, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und über Hilfsangebote eine nachhaltige Verhaltensänderung in sich zu erarbeiten.
Die Koordinations- und Servicestelle soll zudem diejenigen Stellen vor Ort vernetzen, die bereits in Marburg Unterstützungsarbeit für Betroffene von Gewalt in Partnerschaften sowie Präventionsarbeit leisten. Dadurch soll es erleichtert werden, die Angebote aufeinander abzustimmen und Schnittmengen zu nutzen. Weiterhin soll dadurch besser identifiziert werden, welche Angebote noch fehlen, um dann in gemeinsamer Absprache diese Lücken zu füllen. Hierdurch entsteht dann eine gemeinsame umfassende Strategie gegen Partnergewalt in Marburg.
Die beiden Praxisbausteine werden von den jeweiligen Fachexpert*innen von Frauen helfen Frauen e. V. und JUKO Marburg e. V. umgesetzt. Ziel in beiden Bereichen ist eine inklusive Erweiterung der Angebote. Dafür werden bestehende Unterstützungsangebote daraufhin überprüft, ob sie unterschiedliche Personengruppen in Marburg erreichen. In einem zweiten Schritt können dann die Angebote weiter auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Hilfesuchenden angepasst werden. Die Erfahrung der Fachstellen zeigt, dass sprachliche Hürden und fehlende Orientierung in der deutschen Gesellschaft es vor allem Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung erschweren können, den Zugang zu bestehenden Angeboten zu finden. Außerdem kann es aufgrund der Hürden schwierig sein, angemessen beraten und betreut zu werden. Durch das Projekt soll nun daran gearbeitet werden, die bestehenden Angebote so zu erweitern, dass sprachliche und/oder kulturelle Hürden abgebaut werden.
Antragstellung und Ansatz
Zu den grundlegenden Zielen der Europäischen Union gehört die Bekämpfung von Gewalt, Hass und Diskriminierung, die sich gegen einzelne Gruppen richten, wie etwa Gewalt gegen Frauen und Kinder oder Rassismus. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EU das Programm „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“ eingerichtet. Über dieses Programm werden im Zeitraum 2014-2020 Fördergelder für Projekte in den Mitgliedstaaten vergeben.
Als Anfang 2018 der Aufruf „Prävention und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt gegen Kinder“ aus diesem Programm veröffentlicht wurde, schlossen sich das Gleichberechtigungsreferat der Universitätsstadt Marburg, JUKO Marburg e. V. und Frauen helfen Frauen e. V. zusammen und erarbeiteten ein Projekt, mit dem sie sich dann bewarben. Im August 2019 wurde schließlich bekannt gegeben, dass von den insgesamt 213 Einreichungen 36 bewilligt wurden – darunter das Projekt aus Marburg.
Unter dem Titel „Marburg ohne Partnergewalt – In unserer Stadt Gewalt in Partnerschaften wahrnehmen, vorbeugen und beenden“ startete dieses Projekt im Oktober 2019 seine zweijährige Laufzeit. Innerhalb des Projekts arbeiten 3 Projektmitarbeiter*innen zusammen in einer für das Projekt eingerichteten Koordinations- und Servicestelle und in zwei Praxisbausteinen aus der Täterarbeit und der Frauenunterstützung.
Indem sich das Projekt für Bekämpfung und Vorbeugung von häuslicher Gewalt stark macht, trägt es zur Erfüllung der Maßgaben der sogenannten Istanbul-Konvention bei. Diese Konvention, die mit vollem Titel „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ heißt, ist eine Selbstverpflichtung, zu der sich Deutschland und 45 andere Staaten im Europarat bekannt haben und die in Deutschland auf Bundesebene im Frühjahr 2018 rechtlich verbindlich in Kraft getreten ist.
Mit „Marburg ohne Partnergewalt“ muss keine Grundlagenarbeit geleistet werden, denn in der Region Marburg gibt es eine langjährig erprobte Praxis der Frauenunterstützung und Täterarbeit. Diese wird maßgeblich von den beiden Vereinen geprägt, die jetzt auch in dem Projekt zusammenarbeiten: Mit Frauen helfen Frauen e.V. gibt es eine etablierte Fachstelle zur Beratung und Unterstützung von Frauen, die von Partnergewalt betroffen sind. JUKO Marburg e.V. bietet mit einem etablierten Tätertraining Unterstützung für Männer, die die Partnergewalt beenden wollen. Beide sind zudem gut mit allen relevanten Akteur*innen regional und überregional vernetzt. Das im Landgerichtsbezirk Marburg entwickelte „Marburger Modell“ ist sogar wegweisend für Hessen und zeugt von einer gut etablierten Kooperation. Anhand der nun bereitgestellten Fördermittel durch die Europäische Union und die Stadt Marburg ist es den beiden Trägern gemeinsam mit dem Gleichberechtigungsreferat nun möglich, auf diesem stabilen Fundament der Zusammenarbeit neue Inhalte zu entwickeln.
Lokal, überregional, international
Über die Arbeit vor Ort hinaus ist es erklärtes Ziel von „Marburg ohne Partnergewalt“, mit den Erkenntnissen und Ergebnissen, die in der Projektlaufzeit erarbeitet werden, auch auf anderen Kommunen zuzugehen. Auf lokaler, überregionaler und internationaler Ebene werden Erfahrungen darüber ausgetauscht, wie die Präventionsarbeit bei Gewalt in Partnerschaften umgesetzt wird, dies zum Beispiel durch nationale und internationale Fachtage. Dabei soll das Wissen anderer Kommunen in die Prozesse von „Marburg ohne Partnergewalt“ einfließen. Die Erkenntnisse und Ergebnisse, die im Projektverlauf erarbeitet werden, werden wiederum so dokumentiert und aufbereitet, dass sie an andere Kommunen weitergegeben werden und dort als Inspiration und Hilfestellung dienen – und so schließlich dazu beitragen, landes-, bundes- und europaweit starke Strukturen gegen Gewalt in Partnerschaften aufzubauen.
In der internationalen Vernetzung kommt den Städtepartnerschaften als Plattform europäischer Vernetzung eine besondere Bedeutung zu: Gemeinsam mit dem französischen Poitiers und dem rumänischen Sibiu nutzt die Universitätsstadt Marburg die guten Beziehungen zueinander, um sich nun auch über das Vorgehen gegen Partnergewalt zu vernetzen und in regelmäßigem Austausch zu treten.
Die Projektpartner*innen:
© Thomas Steinforth, Stadt Marburg