Projekt „Neue Daten“
Im Mai 2021 hat sich die Universitätsstadt Marburg erfolgreich auf das Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“ des Hessisches Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen beworben. Das Projekt „Neue Daten“ ist eines von insgesamt vier Projekten, die im Rahmen des Förderprogramms in Marburg umgesetzt werden.
Im Projekt werden in der Marburger Ober- und Innenstadt Mobilitätsfrequenzen erfasst. Um das Projekt in die Tat umzusetzen, werden in Marburg an insgesamt fünf Standorten sechs intelligente Kamerasysteme installiert:
- am unteren Steinweg
- im Kreuzungsbereich von Wettergasse, Reitgasse und Marktgasse
- in der Marktgasse/Ecke Marktplatz
- in der Barfüßerstraße am Oberstadtbüro
- am Hanno-Drechsler-Platz im Bereich Schlossberg Center
Zwar sind die Kameras mit Abmaßen von 21 x 15,5 x 14 Zentimetern (L x B x H) kompakt und unauffällig. Dennoch werden Sie als Bürgerinnen und Bürger diese Kameras vielleicht wahrnehmen und sich zu Recht fragen, was es damit auf sich hat, wozu es diese braucht und welche Daten die Kameras in welcher Form erheben.
Wozu braucht es Frequenzdaten?
Das Kamera-System, das im Rahmen des Projektes installiert wird, ist in der Lage, u.a. zwischen Personen, Radfahrenden, PKW, Lieferwagen und LKW zu unterscheiden. Somit können im Bereich der Innen- und Oberstadt sehr differenzierte Mobilitätsdaten erhoben und Antworten auf unterschiedliche Fragestellungen gefunden werden. Darunter beispielsweise:
- Wie viele Personen und Fahrzeuge frequentieren die Marburger Oberstadt?
- An welchen Tagen und zu welchen Zeiten sind Mobilitätsfrequenzen besonders hoch – oder besonders niedrig?
- Welchen Effekt haben Veranstaltungen auf die Personenfrequenzen?
- Welchen Effekt haben verkehrliche Maßnahmen auf die Mobilitätsfrequenzen in der Oberstadt?
Für die künftige Entwicklung der Ober- und Innenstadt mit ihrer vielfältigen Funktion als Einzelhandels-, Gastronomie-, Wohn-, Kultur-, Freizeit- und Tourismusstandort sind Antworten auf diese Fragen von großer Bedeutung. Die im Projekt generierten Daten sind einerseits zur Erfassung und zur Fortschreibung des Status-Quo notwendig. Andererseits bilden sie eine faktenbasierte Planungsgrundlage zur Entwicklung und Bewertung neuer Maßnahmen oder Veranstaltungen zur Entwicklung des für Marburg in vielerlei Hinsicht prägenden Quartiers.
Im Projekt ist zudem geplant, die erhobenen Frequenzdaten öffentlich zugänglich zu machen. So erhalten beispielsweise interessierte Bürgerinnen und Bürger und Gewerbetreibende Zugang zu den Daten und können diese selbst nutzen. Wie und in welcher Form (z.B. Kurzbericht) die Daten zugänglich gemacht werden, ist noch festzulegen.
Intelligentes Kamerasystem zur Erfassung von Mobilitätsfrequenzen in der Marktgasse© Lena Schmidt
Wie arbeitet das System und wird der Datenschutz hinreichend berücksichtigt?
Für die Frequenzmessungen in Marburg wird ein intelligentes optisches System genutzt. Es handelt sich um den Mobility Analyser (BMA) der Firma Bernard. Der BMA ist ein spezielles Gerät für die Mobilitätsanalyse. Es besteht aus einem intelligenten Kamerasystem zur Erhebung von Mobilitätsdaten. PassantInnen und Verkehrsobjekte werden durch die intelligente, anonymisierende Erkennung des Systems automatisch erfasst. Im Falle des Marburger Projektes wird u.a. nach Personen, Radfahrenden sowie Fahrzeugen unterschiedlicher Klassen differenziert. Weiterhin erfolgt eine Erkennung der Bewegungsrichtung.
Zur Erhebung und Verarbeitung werden die Bilddateien weder übermittelt noch dauerhaft gespeichert. Objekterkennung und Objektklassifizierung werden direkt im Kamerasystem durchgeführt. Dazu werden unmittelbar im lokalen Prozessor des BMA die Bilddateien analysiert, anonymisiert und als klassifizierte Metadaten per Mobilfunk übertragen. Wenn also beispielsweise eine Person (oder eine Gruppe mit 5 Personen) vorbei am Oberstadtbüro in der Barfüßerstraße Richtung Marktplatz geht, erfasst das Kamerasystem die Person (bzw. die Personengruppe) und deren Laufrichtung. Übermittelt und gespeichert wird lediglich die Information, dass eine Person (bzw. 5 Personen) diesen Weg entlanggeht/entlanggehen. Dies gilt analog für Radfahrende, Autos, Lieferwagen etc. Die anonymisierten Metadaten werden in der zugehörigen, webbasierten Datenplattform (Data Center) bereitgestellt und können dort eingesehen und visualisiert werden. Dieser technologische Ansatz stellt die Gewährleitung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sicher. Die DSGVO-Konformität des Systems ist durch den Hersteller zertifiziert.
Das System läuft ab Start im Februar 2024 zunächst für 12 Monate. Ein längerfristiger Betrieb ist bei erfolgreicher Erprobung jedoch wahrscheinlich. Das Projekt wird zusammen mit Yunex Traffic als technischer Partner umgesetzt.
Wir haben nachfolgend Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt:
Die Erfassung von Mobilitätsfrequenzen wird gefördert durch das Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“ des Hessisches Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Im Mai 2021 hatte sich die Universitätsstadt Marburg erfolgreich um Landesmittel beworben.
Im Rahmen des Landesprogramms „Zukunft Innenstadt“ des Hessisches Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen werden in Marburg folgende Projekte umgesetzt:
- „Neue Daten“ – Mobilitätsfrequenzen
- „Marburger FreiRaum“ – Experimentierflächen für mutige Nutzungskonzepte
- „Grün statt Beton“ – Begrünung und mobile Stadtmöblierung
- Nachhaltige Events in der Nordstadt
Ja. Das System arbeitet anonym und datenschutzkonform unter Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
In der Kamera werden Einzelbilder erzeugt, die sofort im Prozessor des Gerätes in Kennzahlen umgewandelt werden. Bilddateien werden weder gespeichert noch übermittelt. Das System generiert und speichert ausschließlich anonymisierte Zähldaten (d.h. Anzahl und Lauf- bzw. Fahrtrichtung von Personen, Fahrrädern und anderen Verkehrsobjekten).
Für die Nutzer*innen der Stadtverwaltung werden die anonymisierten Zähldaten in einem zum System gehörenden Daten-Center bereitgestellt. Dies ist eine webbasierte, zugangsgeschützte Plattform. Dort können die Daten eingesehen werden. Die Zähldaten werden für das Projekt langfristig aufbewahrt.
Die Zähldaten liegen auf Servern der Firma Bernard in Österreich – dem Hauptsitz der Firma Bernard. Im Laufe des Jahres 2024 plant die Firma Bernard den Umzug von Servern und Zähldaten nach Deutschland.
Personenbezogene Daten werden zu keiner Zeit gespeichert.
Frequenzmessungen von Personen, Fahrzeugen oder Radfahrenden wurden in der Vergangenheit per Handzählung durchgeführt. Solche Handzählungen können aus Kosten- und Ressourcengründen nur zeitlich begrenzt durchgeführt werden (tageweise, bestimmte Uhrzeiten etc.). Somit ist die Aussagekraft der Ergebnisse von Handzählungen begrenzt.
Ein vollständig automatisierter Ansatz – wie das in Marburg genutzte System – erfasst die Frequenzen 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, und mit sehr hoher Genauigkeit sowie stark differenziert (z.B. Personen, Radfahrende, PKW, Lieferwagen, LKW).
Bei Interesse an den Daten können Sie sich an Martin Graffenberger wenden (Stabsstelle für Stadt- und Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung und Statistik, Martin.Graffenberger@marburg-stadt.de).
Das Projekt sieht vor, die Daten zugänglich zu machen. In welcher Form dies sinnvoll ist und geschehen kann (z.B. Rohdaten, Bericht), ist allerdings noch offen.
Das System speichert keinerlei personenbezogenen Daten, sondern anonymisierte Zähldaten. Somit kann auch keine Löschung von (personenbezogenen) Daten veranlasst werden.
Die Daten sind für unterschiedliche Fachdienste der Stadt Marburg von großem Wert. Zu den anfänglichen Nutzenden zählen voraussichtlich die Fachdienste Stabsstelle 15 (Stadt- und Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung und Statistik) und das Oberstadtbüro, Fachdienst 33 (Straßenverkehr), Fachdienst 61 (Stadtplanung und Denkmalschutz), Fachdienst 66 (Tiefbau) sowie Stadtmarketing e.V.
Die Anzahl der PKW in der Oberstadt ist regelmäßig Thema bei Bewohner*innen der Oberstadt sowie in politischen Gremien. Die Daten geben diesen Diskussionen eine datenbasierte Grundlage und fließen in planerische Entscheidungen ein.
Des Weiteren können über die Frequenzdaten von (Liefer)Verkehr (Transporter, LKW) in der Oberstadt Rückschlüsse auf die Luftqualität gezogen und ggf. anknüpfende Maßnahmen entwickelt werden.
Zudem denkbar ist, dass die Daten Grundlage angepasster Sicherheitskonzepte sein können – wenn beispielsweise durch die Frequenzmessung deutlich wird, dass Veranstaltungen mehr Besucher*innen die Oberstadt ziehen als angenommen.
Das in Marburg genutzte System ist beispielsweise in Mainz, Füssen, Bremen und Stuttgart im Einsatz.
Um den Kreuzungsbereich Wettergasse/Reitgasse/Marktgasse vollständig und mit allen Wegerichtungen zu erfassen, sind an diesem Standort zwei Systeme im Einsatz. An den anderen Standorten ist dazu jeweils ein System notwendig.
Zunächst handelt es sich um ein Pilotprojekt. Es sollen erste Erfahrungen gesammelt werden, bspw. zur Technologie, zur Nutzbarkeit der Daten innerhalb der Verwaltung sowie durch interessierte Bürger*innen oder Gewerbetreibende, zur Akzeptanz des Systems etc.
Während der initialen Projektlaufzeit von 12 Monaten werden diese Fragen reflektiert. Im Anschluss ist es möglich, dass das System auch an anderen Standorten genutzt und/oder mit weiteren Funktionen gekoppelt wird (z.B. Verkehrssteuerung, Parkplatzmonitoring etc.).
Die Leistung der Kamera-Sensoren beträgt 15 Watt. Hieraus ergibt sich ein Stromverbrauch von 0,36 kWh pro Tag bzw. etwa 132 kWh im Jahr je Kamera. Bezogen auf die 6 Kameras liegt der Stromverbrauch bei 2,2 kWh am Tag bzw. 800 kWh im Jahr.
Die Kosten für die Bereitstellung der sechs Messgeräte (inkl. benötigter Pufferakkus), die Installation (inkl. Gestellung Steiger), Konfiguration, Inbetriebnahme und Wartung der Geräte sowie die Bereitstellung der nachgelagerten Datenplattform für die initiale Pilotphase des Projekts von 12 Monaten belaufen sich auf etwa 33.300 Euro (brutto).
Im Rahmen der Förderung des Landesprogramms „Zukunft Innenstadt“ des Hessisches Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sind 80 Prozent der Kosten durch Fördermittel gedeckt. Der Eigenanteil der Stadt Marburg an den Kosten liegt bei 20 Prozent. Die zu erbringenden Leistungen wurden im Herbst 2023 durch die Stadt Marburg öffentlich ausgeschrieben.
Die Leistungen des Projekts wurden im Jahr 2023 durch die Stadt Marburg öffentlich ausgeschrieben. Die Ausschreibung gewann die Yunex GmbH (ehemals Siemens Mobility GmbH) und fungiert als technischer Partner.
Hersteller des intelligenten Kamera-Systems ist die Firma Bernard. Die Firma Bernard ist von der Yunex GmbH mit der Lieferung, Installation und Konfiguration der Systeme beauftragt.