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MoVe 35
Warum braucht Marburg überhaupt ein Verkehrskonzept?
Mobilität und Verkehr unterliegen einem steten Wandel. Auch die Rahmenbedingungen, wie Technologien, Infrastrukturen, Umweltanforderungen, rechtliche Vorgaben etc. verändern sich. Aufgabe der Verkehrsplanung ist es, den Verkehr so zu gestalten, dass er den Anforderungen der Bevölkerung ebenso entspricht wie beispielsweise den Zielen der Stadtentwicklung oder des Klimaschutzes, und das unter Berücksichtigung technischer Möglichkeiten und rechtlicher Vorgaben. Dabei gilt es, den Verkehr gesamthaft zu betrachten, da die isolierte Umsetzung einzelner Maßnahmen oft nicht ausreicht, um die gewünschten und notwendigen Wirkungen zu erreichen. Das Verkehrskonzept MoVe 35 liefert den Rahmen für eine koordinierte und zielorientierte Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität und Erreichbarkeit Marburgs.
Stimmt es, dass zukünftig die Autos aus der Innenstadt verbannt werden sollen?
Nein, das stimmt nicht. Ein Ziel von MoVe 35 ist es, den Anteil der Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden sollen, um 25 bis 50 Prozent zu reduzieren. Heute werden in Marburg vier von zehn Wegen mit dem Auto zurückgelegt. Wenn es gelingt, die Menschen davon zu überzeugen, in den nächsten zehn Jahren einen oder zwei dieser zehn Wege nicht mehr mit dem Auto, sondern mit Bus, Bahn, Fahrrad oder den eigenen Füßen zurückzulegen, ist dieses Ziel erreicht. Um das zu ermöglichen, sieht MoVe 35 die Schaffung von Alternativen vor. Dazu gehören beispielsweise bessere Busverbindungen, durchgängige und sicher befahrbare Radwege sowie barrierefreie Fußwege und Plätze, die zum Aufenthalt und Verweilen einladen.
Schadet MoVe 35 der wirtschaftlichen Entwicklung Marburgs?
MoVe 35 soll dazu beitragen, die Erreichbarkeit zu verbessern, die Stadt sicherer und gesünder machen und allen Menschen attraktive Mobilitätsoptionen zur Verfügung zu stellen. Davon profitiert auch die Wirtschaft. Wenn die Menschen auf dem Weg zur Arbeit zukünftig nicht mehr im Stau stehen, sondern – wenn sie es wollen – bequem mit dem Fahrrad, E-Bike oder Bus an ihr Ziel gelangen oder Fahrgemeinschaften bilden, erhöht dies die Attraktivität des Standorts. Viele Unternehmen in Marburg unterstützen den Umstieg ihrer Beschäftigten auf den Umweltverbund bereits und bieten Mobilitätsmanagement an. Diese Aktivitäten können in Zukunft verstärkt und durch weitere Initiativen, wie beispielsweise Jobtickets oder die Bildung von Fahrgemeinschaften Beschäftigter mehrere Arbeitgeber, erweitert werden. Handwerk, Lieferdienste und Dienstleistungen profitieren vom anvisierten Rückgang des privaten Pkw-Aufkommens, da der Verkehr flüssiger wird und es mehr Platz im Straßenraum für Halten und Liefern gibt. Gastronomie und Geschäfte in der Innenstadt werden gut und sogar besser erreichbar und durch angenehmere Straßen- und Platzgestaltung auch attraktiver. Keines Vorhaben des MoVe 35 schadet der Wirtschaft. Alle dienen dazu, Marburg als Standort zu stärken und weiterhin zu einem attraktiven Ziel für Menschen aus Stadt und Region zu machen.
Sollen Parkplätze im Straßenraum entfallen – und wenn ja, wie viele?
Für die Innenstadt soll ein integriertes Parkraumkonzept erarbeitet und umgesetzt werden. In diesem wird es darum gehen, die bestehenden Kapazitäten in den Tiefgaragen und Parkhäusern durch ein digitales Parkleitsystem besser zugänglich und nutzbar gemacht werden soll. Gerade diejenigen, die länger in der Innenstadt verweilen, sollten ihr Auto hier abstellen. Auf der Straße soll das Parken idealerweise nur für kurze Besuche erfolgen. Denn nur, wenn abgestellte Pkw die knappen Parkplätze im Straßenraum nicht zu lange blockieren, haben auch andere Autofahrer*innen die Chance, einen Parkplatz auf der Straße zu finden. Stellplatzreduzierung kommen in Frage, um beispielsweise die Sicherheit für Menschen auf dem Rad zu erhöhen, für Klimaanpassungsmaßnahmen, etwa Bäume, oder um Aufenthaltsmöglichkeiten für Gastronomie oder Anwohner*innen zu schaffen. Wieviel Stellplätze gegebenenfalls umgenutzt werden sollen, ist noch nicht klar. Sicher ist jedoch: Insbesondere diejenigen, die darauf angewiesen sind, entlang der Straße parken zu können, wie beispielsweise mobilitätseingeschränkte Menschen, medizinische und soziale Dienste oder Lieferverkehre, werden auch weiterhin ausreichend Stellplätze vorfinden.
Soll der Radverkehr überall Vorrang haben?
MoVe 35 gibt nicht einem Verkehrsträger Vorrang über einen anderen, sondern zielt auf einen Ausgleich zwischen den Mobilitätsformen ab. Das Fahrrad ist im Moment aufgrund fehlender Infrastruktur nicht für alle Wege attraktiv. Das soll sich ändern. Dabei geht es darum, einen attraktiven Mix von Verkehrsmitteln anzubieten und dafür zu sorgen, dass alle, die sich für das Fahrrad entscheiden, sicher und unfallfrei unterwegs sein können.
Welche Planungen gibt es für den öffentlichen Verkehr?
Die heutige Linienführung sowie der Takt der Busverbindungen werden vielfach als unzureichend angesehen. Das ergab unter anderem auch eine Umfrage unter den Marburger*innen bei der Erstellung von MoVe 35. Der Ausbau des ÖPNV ist daher ein wichtiges Ziel. Gleichzeitig ist er die Voraussetzung dafür, dass Busse und Bahnen zukünftig eine attraktive Alternative zum Auto darstellen und gerne und öfter genutzt werden. Parallel zu MoVe 35 wurde der Nahverkehrsplan aufgestellt, der konkrete Vorgaben und Maßnahmen für die Verbesserung des ÖPNV enthält. Eine wichtige Maßnahme ist der Batterie-Oberleitungsbus (BOB). Er steigert die Kapazitäten und den Komfort im Busverkehr. Durch die Elektrifizierung trägt er dazu bei, die verkehrsbedingten Emissionen des ÖPNV zu reduzieren.
Wieso steht in einem Verkehrskonzept, dass mehr Bäume im Stadtgebiet gepflanzt werden sollen?
Die Folgen des Klimawandels, vor allem die immer wiederkehrenden Hitzewellen sowie Starkregen, sind in Marburg bereits heute zu spüren. MoVe35 benennt daher Maßnahmen, um den Straßenraum an das veränderte Klima anzupassen. Bäume und Sträucher entlang von Straßen und Wegen tragen dazu bei, Temperaturen zu senken, Feinstaub zu binden, die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen und durch Verschattung die Temperaturen zu senken. Dies nützt allen, die per Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind – auf langen Spaziergängen ebenso, wie auf dem kurzen Weg vom geparkten Auto zum nächstgelegenen Geschäft. Zudem leistet ein verträgliches Mikroklima in der Stadt einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, vor allem für ältere Menschen, Personen mit Vorerkrankungen und Kinder. Parallel dazu sollen durch eine umweltfreundlichere Mobilität die CO2 Emissionen des Verkehrs reduziert und somit ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.
Gibt es für Interessierte noch die Möglichkeit, ihr eigenen Belange in das Konzept einzubringen?
Über den gesamten Prozess der Konzeptentwicklung – von der Bestandsaufnahme bis zur Analyse, von der Entwicklung der Ziele bis zur Beschreibung von Maßnahmen – gab es zahlreiche Möglichkeiten für die Menschen in Marburg und Region, sich in MoVe 35 einzubringen. Diese Möglichkeiten wurden intensiv und konstruktiv genutzt. Auch die Politik auf allen Ebenen, die Verbände und die Wirtschaft waren einbezogen und nutzten die Gelegenheit, ihre Interessen zu vertreten. Aufgabe der Planung war es, die Interessen und Belange aufzunehmen und gegeneinander abzuwägen. So wurden Lösungen gefunden, die umsetzbar sind und den verschiedenen Interessen so gut wie möglich entsprechen. Der MoVe 35 stellt somit einen Plan von allen für alle dar. Der Beteiligungsprozess am Konzept ist mittlerweile abgeschlossen. Es wird jedoch auch nach dem Beschluss des MoVe 35 in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung die Möglichkeiten geben, sich in die konkrete Maßnahmenumsetzung einzubringen.
Wie werden die Bürger*innen bei der Umsetzung von MoVe 35 beteiligt?
Bei der Umsetzung von MoVe 35 beteiligt die Stadt Marburg die Bürgerschaft aktiv durch verschiedene Methoden, die auf die Ziele der Beteiligung abgestimmt sind. Für zentrale Maßnahmen wird jeweils ein separates Beteiligungsverfahren geplant. Befragungen, Workshops, Foren, Online-Dialoge etc. können Methoden sein, um eine breite Mitsprache zu ermöglichen und unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse aufzunehmen. Die Formate zielen darauf ab, die Bürger*innen direkt in die Planungs- und Entscheidungsprozesse der einzelnen Maßnahmen einzubeziehen. Durch diese direkte Beteiligung werden Planungen verbessert und es soll ein Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen gefunden werden, wobei die endgültigen Entscheidungen bei der Stadtverordnetenversammlung liegen. Innovative Methoden wie Straßenbefragungen, temporäre Pop-Up-Events und zufällig zusammengestellte Bürger*innenräte können die Einbindung unterschiedlicher Zielgruppen besonders gut unterstützen.