In Deutschland wird Ernährungspolitik bisher vor allem auf Bundes-, Landes-, oder EU-Ebene gemacht. „Vielerorts packen jetzt aber auch Bürger*innen auf lokaler Ebene mit an, um die Ernährungswende selber in die Hand zu nehmen,“ so Oberbürgermeister Spies, dem das Thema Gesundheit als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen der Stadtentwicklung ein Anliegen ist.
Die Idee von Ernährungsräten entstand bereits 1982 in den USA und gelangte 2014 über England nach Deutschland, wo sich mittlerweile elf Ernährungsräte in größeren Städten gegründet haben und sich neun in der Gründungsphase befinden – darunter auch die Marburger Initiative. Es geht darum, durch einen Ernährungsrat Einfluss auf die Lebensmittelversorgung der Stadt zu nehmen. Denn: wer weiß noch wo seine Lebensmittel herkommen?
Ziel ist es, Bürger*innen, Aktivist*innen, die lokale Politik, Universität, Verwaltung und regionale (Land-)Wirtschaftsproduzenten als gleichberechtigte Partner*innen zusammenzubringen. Der Ernährungsrat wird als lokale Ideenschmiede für Entwicklungen im Ernährungssystem arbeiten: Projekte initiieren und diskutieren, Kommunalpolitik im Hinblick auf das Ernährungssystem bewerten und beispielsweise Handlungsprogramme zur Optimierung der Lebensmittelversorgung entwickeln. Es gilt, ein lokales, umweltfreundliches und gerechtes Ernährungssystem aufzubauen, damit wieder mehr Entscheidungsmöglichkeiten über Ernährung auf lokaler Ebene angeregt und insbesondere mitgestaltet werden.
„Globale Veränderungen beginnen bereits hier in Marburg,“ so Spies „dass also in Marburg ein Ernährungsrat durch Bürgerbeteiligung in enger Kooperation mit der kommunalen Initiative Gesunde Stadt entsteht, begrüße ich sehr,“ so Spies im Gespräch.
Im Rahmen dieser ersten Entstehungsphase eines Marburger Ernährungsrates, lädt die Initiative Gesunde Stadt, Valentin Thurn, Filmemacher, Buchautor und selbst Vorsitzender des Kölner Ernährungsrates am Montag, 26. August, um 19 Uhr ins Erwin-Piscator-Haus ein.
Als Referent ist er durch seine Kino-Dokumentarfilme „Taste the Waste – die globale Lebensmittelverschwendung“ und „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ international bekannt. Zudem schrieb er die Bücher: „Die Essensvernichter“ und „Harte Kost“. 2012 gründete er den Verein „Foodsharing“ und 2014 den Verein „Taste of Heimat“ und inspirierte bereits viele andere Städte im deutschsprachigen Raum, einen Ernährungsrat zu gründen.
Bei einem Vortragsabend mit Filmelementen wird er über das Konzept eines Ernährungsrates sprechen und darüber, welchen Beitrag ein solches Gremium leisten kann. Ein Fokus wird auf der Notwendigkeit einer globalen Ernährungswende liegen. Valentin Thurn wird berichten wieso nicht Chemie und Kunstdünger die Lösung seien, sondern vielmehr eine ökologische, solidarische und lokal initiierte Ernährungswende. Er selbst ist um die Welt gereist, um Lösungen zu finden. In seinem Vortrag wird über Hintergründe der lokalen wie globalen Lebensmittelindustrie berichtet, und weshalb ein Wandel notwendig sei.
Der Vortragsabend ist die zweite Veranstaltung im Rahmen der Gründungsphase des Ernährungsrates für Marburg. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Wer möchte kann selbst aktiv am Prozess mitwirken. Im November sind dazu zwei weitere sogenannte „Gründungsworkshops“ geplant, bei denen bereits konkrete Ziele, Strukturen und mögliche erste Projekte erarbeitet werden sollen.
Die Gründer-Initiative besteht bisher aus Vertreter*innen der Initiative Gesunde Stadt aus der Stadtverwaltung, der Initiative Slowfood und dem Verein LEADER-Region Marburger Land. In seiner endgültigen Form soll der Ernährungsrat gerne noch, nach dem Beispiel anderer Städte, möglichst um Mitglieder aus Vereinen, landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, Zivilgesellschaft, Verwaltung, Universität, Politik und Wirtschaft wachsen.
Der Eintritt zum Vortragsabend ist frei.