Marburg ist bunt – und so bunt ist auch die Gästeschar beim traditionellen Neujahrsempfang der Universitätsstadt: Rund 1000 Menschen waren nach nunmehr zwei digitalen Empfängen wieder im Erwin-Piscator-Haus dabei, das sind zuallererst mehr als 850 ehrenamtlich engagierte Menschen, die stellvertretend für die vielen Marburger*innen stehen, die in Politik, Kultur, Gesellschaft, im Sozialen oder Sport und vielen anderen Bereichen in ganz Marburg tätig sind. Zu den Gästen zählten außerdem unter anderem Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung sowie Vertreter*innen der städtischen Gesellschaften, der Philipps- Universität, des Universitätsklinikums, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Wohlfahrt und der sozialen Einrichtungen. Viele weitere Menschen verfolgten den Neujahrsempfang 2023 online mit.
„Marburg ist bunt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies in seiner Rede. Gut eine Stunde nahm er die Gäste mit durch ein buntes Kulturprogramm, durch einen kurzen Rückblick auf das sehr bunte Jubiläumsjahr Marburg800 – und mit ins neue Jahr 2023 mit all seinen Herausforderungen und Chancen.
Offene Herzen, offene Häuser und eine offene Stadtgesellschaft
© Georg Kronenberg Digitaler Neujahrsempfang, Licht am „Ende des Corona-Tunnels“ und der große Stadtgeburtstag prägten den Start in das vergangene Jahr. Und dann – Krieg mitten in Europa, Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Und in Marburg – eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität. „Die Bürger*innen der Stadt öffneten ihre Herzen und ihre Häuser nahmen die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bei sich auf“, sagte OB Spies in seinem Rückblick auf 2022. Inflation und die Energiekrise sind ebenfalls direkte Auswirkungen des Krieges, die „viele Menschen verunsichern“. Deswegen seien das Bürgergeld und das neue Wohngeld eine der wichtigsten sozialpolitischen Maßnahmen. „In Marburg wird sich die Zahl der Wohngeld-Berechtigten von 3000 auf 9000 Personen erhöhen“, so Spies. Bundesweit verdoppele sich die durchschnittliche Höhe des Wohngeldes. Ein einzigartiger Ausgleich, der aber beantragt werden müsse. „Mehr als die Hälfte der Berechtigten nehmen ihr Recht gar nicht in Anspruch!“ Spies appellierte an die Gäste: „Helfen Sie uns, damit alle einen Antrag stellen und ihr Recht in Anspruch nehmen. Wenn möglichst viele selbst mit anpacken, dann schaffen wir alles.“
Zu schaffen gibt es in diesem und den folgenden Jahren einiges, führte Spies aus: den Kampf gegen die Klimakrise, den Ausbau regenerativer Energiegewinnung, konsequente energetische Sanierung, Schaffung von Wohnraum, Lösungen für die Mobilität und die Stadtentwicklung, die sozial-ökologische Wende und vieles mehr.
© Georg Kronenberg So hat Marburg aus dem Stadtjubiläum Marburg800 viele Impulse für die Zukunft mitgenommen – etwa mit dem Vinzi-Dorf für Obdachlose, mit Ideen für eine Stadtentwicklung für die Menschen und natürlich aus ganz vielen Begegnungen beim Tischlein-deck-Dich auf der Stadtautobahn, bei der Deutschlandtour, beim Kunst.Labor.Stadt.Platz am Rudolphsplatz oder beim Tag der Chöre. Und so kündigte Spies Investitionen in Bildungsgerechtigkeit, für gute Schulen und Kitas, für bezahlbares Wohnen an, außerdem in Gemeinschaftshäuser und Quartierszentren als Orte der Begegnung und der sozialen Arbeit, in den ÖPNV mit dem Batterieoberleitungsbus BOB, in neue Radwege und für sanierte Straßen, in ein Innovationszentrum für Start-ups und vor allem in den Klimaschutz als große Querschnittsaufgabe. Dazu stellte der Oberbürgermeister das Rahmeninvestitionsprogramm 2023 bis 2030 vor – eine Leitlinie für Investitionen von insgesamt 516 Mio. Euro in die Zukunft der Universitätsstadt Marburg.
Pflege, Gesundheit und das UKGM
© Georg Kronenberg Bei allen wichtigen Aufgaben bliebe laut Spies auch ein Puffer für Unerwartetes – etwa für eine Unterstützung des Landes Hessen. „Denn unser Krankenhaus, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg, muss zurück unter die Kontrolle des Landes“, betonte das Marburger Stadtoberhaupt erneut. Das Pflegepersonal verdiene zudem Respekt und volle Unterstützung – besonders „bei seinem Kampf für einen Tarifvertrag für gute Versorgung, für die Sicherheit der Patient*innen und für gute Arbeitsbedingungen“. Einen bleibenden Eindruck in die Situation der Pflege gab die gelernte Krankenschwester und Poetry-Slammerin Leah Weigand mit scharfen Worten, mit Gefühl, mit Liebe und Kritik.
Glück, Zusammenhalt und „mehr Wir“
„Mehr Wir, weniger Ich – damit würden wir ziemlich weit kommen“, appellierte Spies ans Publikum. Die vergangenen Jahre seien fordernd für alle gewesen. Über Corona zerbrachen Freundschaften, der Krieg brachte Sorgen, ständig neue Situationen und Regeln, Überlastung, Krankheit – und eine vielerorts spürbare allgemeine Gereiztheit. Deswegen brauche es – neben sozialer Sicherheit – wieder viel mehr „Wir“. Denn: Was mache die Menschen in Marburg glücklich? Es seien Freund*innen, Familie, Gemeinschaft und Solidarität. Das sind zumindest die häufigsten Antworten, die Menschen bei einer nicht repräsentativen Befragung bei Tischlein-deck-Dich an Pfingsten gegeben haben, berichtete Spies.
© Georg Kronenberg Dieses „mehr Wir“ lebten viele Marburger*innen bereits täglich – deswegen machte ein großes „Dankeschön an alle, die sich für unsere Stadt engagieren“ einen wichtigen Teil der diesjährigen Neujahrsrede aus. So bedankte Spies sich unter anderem ausdrücklich bei den Menschen im Gesundheitswesen, bei den Beschäftigten, Erzieher*innen und Lehrer*innen, bei den Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und aller städtischen Gesellschaften, bei Handel, Gastronomie, Kulturschaffenden und Schausteller*innen, bei Feuerwehr und Katastrophenschutz, bei Bürgerinitiativen und Beiräten mit ihren Ideen und ihrer kritischen Auseinandersetzung und nicht zuletzt bei den zahlreichen Vereinen und Initiativen, die Ideen einbringen, die Ideen selbst umsetzen; die helfen, wenn Menschen sexistischen, rassistischen oder homo- und queer-feindlichen Bedrohungen oder Diskriminierung ausgesetzt sind, oder die in anderen Notlagen ganz unkompliziert helfen – etwa wie die jungen Menschen von BRUKS, Studierenden aus Belarus, Russland, der Ukraine und Kasachstan, die Geflüchtete aus der Ukraine unterstützen und zeigen: Es geht um Zusammenhalt.
„Hier entstehen die Ideen und hier wird einfach mal angefangen. Denn ,machen‘ ist wie ,wollen‘, nur krasser“, so Spies: „Machen wir also, gemeinsam, unsere Stadt zum besten Ort, an dem man leben kann, jeden Tag ein Stückchen mehr“.
Buntes Rahmenprogramm mit Karneval und Musik
© Georg Kronenberg „Marburg ist bunt“ – das zeigte sich auch beim Rahmenprogramm des Abends. Das Wollnashorn aus dem Theaterstück zum Jubiläumsjahr Marburg800 begrüßte die Gäste zum Start. Humorvoll läutete Mechthild Grabner im Kostüm des zotteligen Tieres den Abend ein. Ayla Balzter und Gina Formisano-Rohloff von der Musikschule Marburg zeigten musikalisches Können auf hohem Niveau mit der „Hamburger Sonate“ von Johann Sebastian Bach. Besondere Stücke steuerte der Jubiläumschor Marburg800 bei: Die Sänger*innen hatten zwei Medleys aus Liedern mitgebracht, die sie zum Geburtstag der Universitätsstadt geschrieben hatten. Für Glitzer, Schwung und närrisches Treiben sorgte die Teenie-Tanzgarde des Festausschusses Marburger Karneval. Und zur Musik der Jazzinitiative Marburg lud OB Spies alle Gäste im Saal zum Austausch und zu geselligen Teil des Abends ein.
Die Rede von Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies gibt es hier zum Downloaden und Nachlesen.
Neujahrsempfang online anschauen
Wer beim Neujahrsempfang vor Ort im Erwin-Piscator-Haus oder live von Zuhause aus nicht dabei sein konnte oder den Empfang noch einmal erleben möchte, kann diesen ganz einfach online nachschauen unter https://yve.tv/neujahrsempfang-2023.