© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
Anlass für die Premiere ist die stadtweite Diskussion um neue Wohnbaugebiete in Marburg. Vor allem preiswerter Wohnraum ist mehr als knapp. Der Bedarf an Wohnraum – seien es Eigenheime, Miet- oder Sozialwohnungen – kann nur durch Neubauten gedeckt werden. Dies haben die Marburger Wohnungsmarktanalyse (InWIS-Studie) und das Wohnraumversorgungskonzept von 2015 nachgewiesen. Die beiden potenziell möglichen Standorte für neue Baugebiete in Marburgs Kernstadt hat die Stadtverwaltung im Auftrag des Stadtparlaments schon voruntersucht – Höhenweg in Marbach und Hasenkopf in Stadtwald/Ockershausen.
„Wir informieren und beteiligen die Marburgerinnen und Marburger nun sehr frühzeitig“, erklärte Oberbürgermeister Spies zu Beginn noch einmal das derzeit laufende Verfahren. „Noch bevor die Stadtverordneten überhaupt den Auftrag für ein Planverfahren erteilen, bevor die Verwaltung den notwendigen städtebaulichen Wettbewerb vorbereitet und ausschreibt, bevor dieser Wettbewerb stattfindet, Gutachten für Hundertausende Euro erstellt werden, Stadtplaner ihre Entwürfe bei uns einreichen und das Stadtparlament eine Entscheidung trifft, fragen wir Sie nach Ihren Ideen, Anregungen, Hinweisen und Wünschen“, zählt Spies auf. Was normalerweise am Ende des ganzen Prozesses frühestens in drei Jahren passiert, zieht Marburg nun vor. Wo die Bürger erst nach dem Beschluss für ein Großprojekt und nach einem Wettbewerb über Details mitreden können, fragt die Stadt sie schon ganz am Anfang nach dem Was, Wie, Wo, Womit und Wofür.
© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
All das wurde auch beim Stadtteilspaziergang erörtert. Die Strecke führte vom Treffpunkt gegenüber der Kita Höhenweg zunächst durch den Höhenweg und dann gen Westen in einem großen Bogen um das potenzielle Baugebiet zurück über den Oberen Rotenberg wieder zur Kita. Pläne mit Wegstrecke und Gebietsgrenze bekamen die Teilnehmenden am Start. Informationen zu den Themen Nachbarschaft, Soziales, Erschließung, Natur, Landschaft, Klima, Naherholung, Entwässerung sowie Städtebau und Verkehr gab der Leiter der Stadtplanung, Reinhold Kulle, an den drei Stationen der Route. An jeder Station beantworteten Kulle und OB Spies Fragen der Bürgerinnen und Bürger und erklärten ein ums andere Mal, wie der jahrelange Prozess – von der Voruntersuchung bis zu einem möglichen Spatenstich – im Detail aussieht, zu welchem Zeitpunkt überhaupt erst Gutachten in Auftrag gegeben werden und ab wann die Ortsbeiräte zu offiziellen Stellungnahmen aufgefordert werden.
Auch während des knapp zweistündigen Spaziergangs wurde entlang der Strecke intensiv diskutiert, die Karte mit den Grenzen des potenziellen Baugebiets studiert, nachgefragt und sich ausgetauscht – mit den städtischen Fachleuten für Straßenverkehr, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung, mit OB Spies und Bürgermeister Stötzel, mit dem Ortsbeirat und vor allem untereinander.
So kamen auch Frauen und Männer mit den städtischen Vertreterinnen und Vertretern ins Gespräch, die in einer offiziellen Bürgerversammlung vielleicht nicht aufgestanden und vor großer Runde das Wort ergriffen hätten. Anwohnerinnen und Anwohner, die ein neues Baugebiet in Marbach ablehnen, sprachen mit anderen, die dem Projekt angesichts der Wohnungsknappheit offen gegenüberstehen.
Die vorgebrachten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger drehten sich vor allem um eine steigende Verkehrsbelastung, um Klima- und Naturschutzfragen sowie darum, was ein Zuzug von Hunderten Menschen für Kita und Schule bedeutet, für den Busverkehr, für den Ponyhof, der sein Futter aktuell von der potenziellen Baufläche bekommt, oder auch für die Kanalisation weiter unten im Stadtteil liegender Bereiche bei Starkregen.
Die Leiterin der Bürger/innenbeteiligung, Dr. Griet Newiger-Addy, und Moderator Fridtjof Ilgner von team ewen hatten studentische Hilfskräfte für den Stadtspaziergang engagiert, die die Fragen, Hinweise, Anregungen und Bedenken schriftlich festhielten. „Ich sage Ihnen zu: Alles, was Sie heute vorgebracht haben, und alles, was wir im Rathaus schon bekommen haben, wird aufgenommen“, versicherte Thomas Spies am Ende. Der Oberbürgermeister dankte bei der Abschlussrunde in der Kita Höhenweg allen, „die sich heute am Samstag Zeit genommen haben und dabei waren. Denen, die sich offensiv und kritisch zu Wort gemeldet haben, und auch all denen, die sich unterstützend geäußert haben“. Er freue sich, alle bei der öffentlichen Ortsbeiratssitzung am Mittwoch, 29. August (18 bis 20 Uhr, Bürgerhaus Marbach, Emil-von-Behring-Straße 51), wieder zu sehen. Dann werden die Kommentare und Fragen des Stadtteilspaziergangs gebündelt dargestellt, vertiefend beantwortet und ein weiteres Mal gemeinsam diskutiert – „damit die Stadtverordneten am Ende die bestmögliche Entscheidung treffen können“. Denn die Frage der Entwicklung größerer Flächen für den Wohnungsbau ist ein Thema, das nicht nur einzelne Stadtteile, sondern die ganze Stadtgesellschaft betrifft.
Wie für Marbach gibt es auch einen Stadtteilspaziergang mit Stadtverwaltung und Stadtspitze zum Hasenkopf in Ockershausen/Stadtwald. Er findet am Samstag, 25. August, von 11 bis 15 Uhr statt. Treffpunkt für den Rundgang ist der Platz der Weißen Rose. Die Ortsbeiratssitzung zur Präsentation der Ergebnisse ist am 4. September von 19 bis 21 Uhr, in der Alten Schule in Ockershausen, Stiftstraße 28.
Ein weiterer Termin in der öffentlichen Diskussion um Wohnen in Marburg ist der Runde Tisch Preiswerter Wohnraum am Mittwoch, 26. September, 17 bis 19 Uhr, im Stadtverordnetensitzungssaal, Barfüßerstraße 50.
Weiter Informationen sowie die Standortanalyse zu Wohnen im Marburger Westen gibt es hier.