© Patricia Grähling, Stadt Marburg
In Marburg steht seit Anfang 2021 die größte Produktionsstätte von Biontech. Die Gründer*innen von Biontech haben nun die Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität in Marburg angenommen. Anlässlich ihres Besuchs in der Universitätsstadt hat Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies das Ärzte-Ehepaar zu einem Empfang in das Rathaus eingeladen, bei dem sich Türeci und Sahin in das Goldene Buch eintrugen. „Ihr unermüdlicher, jahrzehntelanger Einsatz für eine Idee, die noch vor nicht allzu langer Zeit als Vision gehandelt wurde, hat dazu beigetragen, viele Menschenleben zu retten – und das immense Potenzial Ihrer Entwicklung stimmt sehr hoffnungsvoll“, sagte Spies, der selbst Mediziner ist. „Ihr Beispiel soll Vorbild sein und all denen Mut machen, die heute an Ideen arbeiten, die vielleicht noch weit von der Umsetzung entfernt sind.“ Er hieß das Paar in der Stadt herzlich willkommen und bedankte sich dafür, dass Biontech der Grund sei, warum – nach Emil von Behring – von Marburg aus zum zweiten Mal in 100 Jahren die Welt gerettet werde.
Dr. Özlem Türeci und Prof. Ugur Sahin bezeichnen sich selbst als Wanderer zwischen den Welten – als Mediziner*innen und Wissenschaftler*innen, die zugleich Unternehmer*innen geworden sind. „Es gibt sicherlich keinen anderen Ort in Deutschland, der so klar in seiner Tradition das Wandern zwischen den Welten versteht, wie Marburg. Ein Ort, der versteht, was der nobelste Zweck eines Menschen ist: den Unterschied zu machen“, sagte Türeci. In Marburg haben sie im Herbst 2020 eine weitere neue Heimat gefunden und ein neues Mitglied der Biontech-Familie, sowie eine ganze Stadtgesellschaft und Region, die sie mit offenen Armen willkommen geheißen und unterstützt hätten. Türeci betonte auch, dass das Paar die Ehrung in Marburg stellvertretend annehme für alle, die daran beteiligt waren, den Unterschied zu machen.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg Das Ärzte-Ehepaar schrieb die Nachricht „Von Mainz nach Marburg, und von Marburg in die Welt…“ in das Goldene Buch der Universitätsstadt Marburg. Und Sahin erklärte: „Marburg hat uns ausgesucht!“ Damals, im September 2020, habe sich Biontech in der „Notsituation“ befunden, zwar den Impfstoff zu haben, aber keine große Produktionsstätte. Die aufzubauen, hätte in Mainz mindestens neun Monaten gebraucht – „und dann erfuhren wir vom Standort in Marburg“. Hier sei dann alles ganz schnell gegangen. „Vielen Dank dafür. Wir werden in Zukunft häufiger in Marburg sein“, versprach Sahin. „Wir wollen unserer eigentlichen Mission weiter folgen und Krebsmedikamente entwickeln. Heute haben wir uns schon mit Kollegen ausgetauscht, was wir in Marburg neben Corona-Impfstoffen produzieren wollen.“
Dass Türeci und Sahin die Marburger Ehrendoktorwürde annehmen, ist nicht selbstverständlich. Denn derzeit möchten sich viele Hochschulen mit einer Ehrendoktorwürde für die Gründer der Biotechnologie-Firma Biontech schmücken. Bislang haben sie die Auszeichnung aber nur von der Universität Köln angenommen, wo Sahin als erstes türkischstämmiges Gastarbeiterkind Abitur machte und studiert hat. Die Idee für die Ehrendoktorwürde stammt von Krebsmediziner Prof. Andreas Neubauer und dem Marburger Experten für seltene Erkrankungen, Prof. Jürgen Schäfer, die mit Özlem Türeci und Ugur Sahin beruflich zu tun hatten. Der Fachbereich Medizin stimmte begeistert zu. Auf Wunsch des Ärzte-Ehepaares gibt es anlässlich der Ehrung auch ein wissenschaftliches Symposium in Marburg. Schließlich dreht sich das gesamte Leben von Özlem Türeci und Ugur Sahin um die Forschung. Sie haben weder Auto noch Fernseher, trinken keinen Alkohol und leben bis heute in einer Dreizimmerwohnung in Mainz. Neben der Ehrung wird es also eine sogenannte „Poster Session“ geben, bei der junge Wissenschaftler*innen ihre Forschungsthemen vorstellen.
Özlem Türeci und Ugur Sahin kommen ursprünglich aus der Krebsforschung. Sie entwickelten Krebsimpfstoffe, die dem Immunsystem die Antigene seines eigenen Tumors präsentieren, um ihn zu zerstören. Dabei haben sie durch jahrelange Grundlagenforschung eine revolutionäre Biotechnologie entwickelt, die auf Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) basiert. 2008 gründeten sie die Firma Biontech in Mainz. Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, die Kraft des Immunsystems zu nutzen, um neue Therapien gegen Krebs und Infektionskrankheiten zu entwickeln. Die auf der mRNA-Technologie basierende Impfung gegen Covid-19 ist das erste kommerziell zugelassene Produkt des Unternehmens.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg Mit dem Biontech-Standort in Marburg setzt das Ärzte-Ehepaar die lange Tradition bahnbrechender medizinischer Innovationen in der Universitätsstadt fort, die mit Emil von Behring, seinem Impfstoff gegen die Diphterie und den Behringwerken begann, sagte Stadtoberhaupt Spies. „Hier vor Ort gibt es die Kompetenzen, die technischen Voraussetzungen und die notwendige Flexibilität aller relevanten Akteure, die den schnellen Aufbau der neuen Impfstoffproduktion möglich gemacht haben.“ Das sei das Ergebnis von jahrzehntelangem systematischen Kompetenzaufbaus und erfolgreicher Innovationen in der Stadt und der Region. „Dass Biontech hier seine Produktion aufgebaut hat, ist ein großer Vertrauensbeweis für den Standort Marburg und die Menschen, die hier arbeiten“, betonte Spies. „Wir freuen uns darauf, die nächsten Schritte gemeinsam mit Ihnen zu gehen.“
Biontech hatte sich entschieden, Marburg zum Standort für die Produktion machen, weil sie mit dem Werk des Schweizer Pharmariesen Novartis vorhandene Infrastruktur und das Fachwissen vor Ort übernehmen konnten. Mehr als 500 Menschen arbeiten hier an Impfstoffen für die ganze Welt. Allein 2021 wurden 1,2 Milliarden Impfdosen in Marburg produziert. Gebaut werden auch Produktionscontainer, mit denen Impfstoffe in afrikanischen Ländern hergestellt werden sollen.
Biontech und seine Impfstoffproduktion hat Marburg auch international Beachtung eingebracht, freut sich Oberbürgermeister Thomas Spies. So schaffte es Marburg damit unter anderem auf die Titelseiten von „Le Monde“ und der englischen „Financial Times“.