© Simone Schwalm, Stadt Marburg
Kaffee zum Frühstück, ein Schokoriegel zwischendurch, die Banane für den Sport und das Smartphone jederzeit griffbereit – all diese Dinge werden täglich konsumiert, doch woher kommen sie? Wo wurden etwa die Lebensmittel produziert, wurden die Menschen dafür fair entlohnt? Haben sie Zugang zu Wasser, medizinischer Versorgung und Bildung? Sich diesen Fragen zu stellen, dazu ruft die „Fairtrade-Stadt“ Marburg immer wieder auf. Seit zehn Jahren trägt Marburg diesen Titel, der zugleich eine Auszeichnung ist, als erste in Hessen und vierte in Deutschland. Zusammen mit Dortmund, Saarbrücken, Neuss, Rumbach, Neumarkt in der Oberpfalz, Castrop-Rauxel, Dinslaken und Sonthofen ist Marburg damit eine der insgesamt nur neun Kommunen, die sich mit dem Kampagnenstart in Deutschland im Jahr 2009 von Anfang an an der internationalen Kampagne beteiligen.
Mittlerweile gibt es bundesweit mehr als 600 und weltweit mehr als 2000 Fairtrade-Städte in 25 Ländern. Um den Titel tragen zu dürfen, müssen fünf Kriterien erfüllt sein. Dazu gehört unter anderem eine „Steuerungsgruppe Fairer Handel“, die sich aus Vertreter*innen mindestens aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammensetzt. Die Akteur*innen gestalten und betreuen unter anderem Aktionen und Projekte, die das Bewusstsein für Fairen Handel in der Stadt fördern. Ziel der Kampagne ist die internationale Verknüpfung der Städte und Gemeinden untereinander für eine starke internationale Bewegung, ein Netzwerk, zur Förderung eines verantwortungsvollen Konsums und von fairen Produktions- und Handelsbedingungen.
Das Jubiläum der „Fairtrade-Stadt“ Marburg feierte der Fachdienst Umwelt- und Naturschutz, Fairer Handel und Abfallwirtschaft am Tag der Urkundenübergabe vor zehn Jahren, dem 20. September, gemeinsam mit Bürger*innen auf dem Marburger Marktplatz. Die „Steuerungsgruppe Fairer Handel“ bot ein Fairhandels-Quiz, bei dem es faire Leckereien und als Hauptpreis den bio und fairen Marburger Elisabeth Stadtkaffee zu gewinnen gab. Gefeiert wurde außerdem mit einer fairen Kaffeepause. Kostenlos für alle gab es den Elisabethkaffee und dazu ein Stück Schokoladenkuchen. Einzige Voraussetzung war: die Bürger*innen waren im Sinne der Nachhaltigkeit gebeten worden, ihren Klimaschutz- oder Mehrwegbecher beziehungsweise eine Tasse mitzubringen.
© Simone Schwalm, Stadt Marburg
Der Magistrat unterstützte die Veranstaltung: Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Bürgermeister Wieland Stötzel und Stadträtin Kirsten Dinnebier schenkten den Kaffee zeitweise persönlich in die Mehrwegbehälter ein. „Wir wollen verdeutlichen, dass wir faire Produkte viel besser genießen können, wenn dabei kein unnötiger Verpackungsabfall durch Einwegbecher entsteht“, sagte der OB. Laut Informationen der Deutschen Umwelthilfe landen deutschlandweit jede Stunde rund 320.000 Kaffee-Einwegbecher auf dem Müll. Für die Herstellung des Jahresbedarfs an Bechern werden unter anderem 1,5 Milliarden Liter Wasser und 320 Millionen Kilowattstunden Energie verbraucht.
„Mit der Veränderung kleiner Gewohnheiten eines jeden einzelnen lässt sich in Summe Großes verändern“, betonte Klimaschutzdezernent Stötzel und ergänzte: „Zum Klima- und Umweltschutz können alle beitragen.“ Das unterstrich auch Stadträtin Dinnebier und fügte hinzu: „Natürlich ist es umso besser, wenn dann auch noch die äußeren Bedingungen dazu beitragen, dass sich leicht etwas an dem eigenen Konsumverhalten ändern lasst.“ Zur Schonung von Ressourcen, Klima und Umwelt setzt sich Marburg als klimafreundliche Stadt daher aktuell auch dafür ein, dass die Marburger Gastronomiebetriebe eine Selbstverpflichtungserklärung zur Unterstützung des Gebrauchs von Kaffee-Mehrwegbechern unterzeichnen und umsetzen.
Mit einer weiteren Aktion wurde zugleich eine Verbindung zur Geschlechtergerechtigkeit geschaffen. Denn unter dem Motto „Gleiche Chancen durch Fairen Handel“ findet seit dem 13. September bis zum 27. September deutschlandweit die Faire Woche statt. Der Fachdienst Klimaschutz, Stadtgrün und Friedhöfe spendete 100 Marburger Klimaschutzbecher, die am Tag der Jubiläumsveranstaltung für je 3,50 Euro verkauft wurden. Die Einnahmen kommen den Kaffeeproduzentinnen des Elisabethkaffees in Honduras zugute. Die Kooperative Aprolma hat ihren Sitz in Marcala im Hochland von Honduras und bewirtschaftet ihre Anbauflächen in biologischer Landwirtschaft. Ihre Mitglieder sind ausschließlich Frauen. Der Faire Handel hilft ihnen, indem er insbesondere Frauen stärkt und wirtschaftlich fördert, denn in den Ländern Mittelamerikas sind Frauen im Vergleich zu Männern nach wie vor verstärkt von Armut betroffen.
Das Partnerschaftsprojekt des Weltladens mit der Landfrauenorganisation Aprolma zeichnet sich vor allem durch den direkten, persönlichen Kontakt aus. Vertreterinnen der Frauenkooperative aus Honduras besuchen die Universitätsstadt in regelmäßigen Abständen, um von ihrer Arbeit zu berichten und sich ein Bild von der Endvermarktung ihres Kaffees zu machen. Im Gegenzug reisen Vereinsmitglieder des Weltladens, die eine eigene Elisabethkaffee-Gruppe haben, nach Mittelamerika. Für die einzigartige Arbeit erhielt das Projekt 2013 den Marburger Gleichberechtigungspreis. Auch am Jubiläumstag wurde erneut deutlich, dass hinter jedem Produkt Menschen stehen, die es hergestellt haben: Dolores Benitez, eine der Produzentinnen, röstete Kaffee vor Ort und beantwortete Fragen rund um nachhaltigen Kaffeeanbau.
Der Magistrat der Universitätsstadt Marburg, Fachdienst Umwelt- und Naturschutz, Fairer Handel und Abfallwirtschaft, Marburger haben im vergangenen Jahr in zweiter Auflage den Stadtplan „Fairkaufen, Fairspeisen, Fairkleiden in Marburg“ herausgegeben. Die Broschüre, die in Zusammenarbeit mit der „Steuerungsgruppe Fairer Handel“ erstellt wurde, greift unter anderem die Themen um Fairen Handel sowie Klimaschutz durch Mehrwegbecher ausführlich auf. Außerdem beinhaltet die Broschüre einen Stadtplan mit Einzelhandel, Supermärkten, Fachgeschäften, Cafés, Restaurants, Bäckereien, Bistros, Kneipen und Geschäften, die fair gehandelte Produkte mit relevanten Siegeln und Logos anbieten. Den Fairen Stadtplan zum Download sowie eine Übersicht der Jubiläumsangebote der teilnehmenden Betriebe im September gibt es unter www.marburg.de/fair.