© Tina Eppler, Stadt MarburgIm Rahmen des Ausbaus der Ganztagsbetreuung von 7 bis 17 Uhr konnte die Kita Ockershausen bisher nicht berücksichtigt werden, da hierfür eine Erweiterung der Küche notwendig war. Aufgrund des hohen Bedarfs an einer Ganztagsbetreuung im Stadtteil wurde es nun möglich, mit Umbauarbeiten die Küche zu vergrößern und ein verbessertes Platzangebot für die Kinderbetreuung zu schaffen. Denn es bestand auch der Bedarf, eine vierte Gruppe einzurichten, um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für die Drei- bis Sechsjährigen zu erfüllen.
„1,674 Millionen Euro wurden hier investiert Und die Stadt sorgt für den laufenden Betrieb pro Jahr mit rund 800.000 Euro Zuschuss“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Einweihung. „Warum wir dies tun? Die Universitätsstadt Marburg tut das, weil für sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie an erster Stelle steht“, machte das Stadtoberhaupt Prioritäten deutlich. Heute gebe es in der Universitätsstadt über 60 Prozent Ganztagsplätze mit einem Zeitangebot von 40 bis 50 Betreuungsstunden, hob Spies hervor. „Und wir fragen nicht, brauchst du einen Ganztagsplatz? Sondern wir sagen: Könnte es für das Kind sinnvoll sein? Weil die Erziehung in der Kita für die Entwicklung des Kindes hilfreich ist und kein Kind ausgeschlossen werden darf“, so der Oberbürgermeister weiter. „Wir legen allergrößten Wert auf gleiche Bildungschancen“, erklärte Spies.
Deswegen gebe es in Marburg den sozialen Ausgleich bei den Kita-Gebühren und eine bedarfsgerechte Betreuung: Ein Drittel der Eltern, die ihre Kinder in Kindertagesstätten schicken, werden aufgrund ihrer Einkommenssituation von Gebühren befreit. Ein weiterer relevanter Teil, der deutlich weniger als die Regelgebühr für die Betreuung zahle, seien Eltern mit geringen Einkommen, die aber über der Schwelle der Gebührenbefreiung liegen. Auch für Eltern, deren zweites oder drittes Kind eine Kita besuche, gelten ermäßigte Gebühren, informierte Spies.
Vor diesem Hintergrund dürfe man in der aktuellen Diskussion um eine Kindergartengebührenerhöhung die Frage stellen, warum Akademiker-Doppelverdienende derzeit für das attraktive Betreuungsangebot in Marburg weniger zahlen müssen als im Lahntal, in Fronhausen oder in Gießen. Diese Frage sei vor dem Hintergrund legitim, dass der Aufwand für die Kitas in den letzten zehn Jahren um 130 Prozent gestiegen sei, von zehn auf 23 Millionen Euro. „Die Kindergartengebühren sind in diesem Zeitraum um null Prozent gestiegen“, machte Oberbürgermeister Dr. Spies bewusst. Die Frage der Gebührenanpassung sei notwendig. „Die Alternative, über Betreuungszeiten nachzudenken, wollen wir nicht. Der ganze hauptamtliche Magistrat will das nicht. Wir möchten nicht die Frage stellen, welche Kinder dürfen ganztags kommen und welche nicht“, stellte Spies klar. Vielmehr sei zu gewährleisten, das hohe Niveau des Angebots und die herausragende Qualität zu gewährleisten und gerecht zu finanzieren, stellte Spies fest. Denn die Marburger Betreuung suche überregional ihresgleichen. „Das ist wichtig für das Fortkommen unserer Stadt. Dazu leistet die Investition, die wir heute hier feiern, einen enormen Beitrag“, freute sich das Stadtoberhaupt.
Die Qualität des Kinderbetreuungsangebotes sei jedoch zugleich nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, machte Spies deutlich. „Sie lebt vom hohen Engagement, der Einsatzbereitschaft und guten Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher“, hob der Oberbürgermeister hervor und dankte allen, die mit ihrem Einsatz dazu beitragen, dass die Kinder sich in Marburgs Einrichtungen zu ihrem Wohl entfalten können.
Bürgermeister Dr. Franz Kahle dankte zunächst dem Träger, dem Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in Marburg, mit dem geschäftsführenden Vorsitzenden des Vorstandes Pfarrer Ralf Hartmann und Alexandra Best, Geschäftsführerin des Gesamtverbandes und stellvertretende Amtsleiterin des Kirchenkreisamtes, sowie allen am Bau Beteiligten für die gute Zusammenarbeit.
Die Erwartung an Kindertageseinrichtungen habe sich über die letzten 20 Jahre rasant geändert, wie der Jugenddezernent deutlich machte. In den 90er Jahren gab es den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, was damals wie eine Revolution erschienen und heute schon fast vergessen sei. Anfang der 2000er Jahre kam der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz hinzu.
„Damit hat sich auch vieles in unserer Erwartungshaltung gegenüber einer Kindertageseinrichtung verändert“, machte Dr. Kahle bewusst. Der Erziehungsplan, den früher nur Pädagogen kannten, sei heute bei vielen Eltern Gemeingut, so der Bürgermeister. „Wir sind heute viel stärker überzeugt, dass es für eine glückliche Kindheit gut ist, wenn Kinder ab einem Alter von einem oder zwei Jahren auch regelmäßig Zeit mit anderen Kindern verbringen“, so Kahle weiter. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder auch zu Kindern gehören, das können noch so pädagogisch motivierte und geschulte Eltern Kindern nicht ersetzen. Deswegen ist es gut, dass wir hier investiert haben“, betonte der Bürgermeister.
Das zweigeschossige Gebäude in Ockershausen wurde brandschutztechnisch entsprechend eines Gutachtens umgebaut und erhielt einen Anbau, der ebenfalls zweigeschossig und auf beiden Ebenen mit dem Altbau verbunden ist. Der Anbau beinhaltet im Erdgeschoss die Küche, einen Lager- und Personalraum, ein Elternsprechzimmer sowie einen Therapieraum. Im Obergeschoss befinden sich ein Gruppenraum, ein Aktionsraum und eine zusätzliche Toilettenanlage. Ein Aufzug, der beide Geschosse verbindet, sichert die Barrierefreiheit und soll auch zum Essenstransport genutzt werden. Für die Mahlzeiten steht den Jüngsten ein Gruppenraum, das Kinderbistro, zur Verfügung.
Die ehemalige Küche im Altbau wird im Herbst 2016 zu einem barrierefreien WC mit Dusche und Wickeltisch umgebaut. Die dort ausgedienten Sanitäranlagen wurden ebenfalls erneuert. Um die Schlaf- und Gruppenräume besser miteinander zu verbinden, entstand eine zweite Treppenanlage, hierfür entfiel ein Abstellraum.
Der Anbau ist in Massivbauweise entstanden. Die Dachneigung, First und Traufe wurde vom Altbau übernommen. Die neue Dachkonstruktion ist als Pfettendach ausgeführt mit Zwischensparrendämmung. Pfetten sind parallel zum Dachfirst verlaufende Balken im Dachstuhl zur Unterstützung der Sparren (schräge Balken, die das Dach eines Hauses stützen). Die Fassade des Anbaus wurde farblich und mit Wärmedämmverbundsystem erstellt, wie beim Altbau. Die Fenster in den Aufenthaltsräumen sind in Holz-Alu-Konstruktion dreifach verglast eingebaut.
Haustechnik
Wärme
Das Gebäude wird über eine Gasbrennwerttherme in Kombination mit einem Klein- Blockheizkraftwerk (BHKW) erwärmt. Das Klein-KWK-Gerät (Kraft-Wärme-Kopplung) erzeugt gleichzeitig Wärme und Strom. Der Strom wird im Gebäude selbst verbraucht. In den Schwachlastzeiten wird der überschüssige Strom dann ins Netz des Energieversorgers gespeist. Der Brennwertkessel dient als Spitzenkessel und das Klein-KWK-Gerät als Grundlastversorgung.
Lüftung
Die Küche erhielt eine Zuluft- und Abluftanlage.
Elektro
Die Beleuchtungssteuerung erfolgt über Bewegungsmelder und über Lichttaster. Die Blitzschutzanlage des Anbaus wurde entsprechend dem Brandschutzgutachten ausgeführt und an die vorhandene Anlage angeschlossen. Eine Brandmeldeanlage war nicht notwendig, entsprechend dem Brandschutzgutachten wurden Rauchwarnmelder in den Fluren und Gruppenräumen installiert. Die Rauchwarnmelder sind vernetzt, zusätzlich gibt es im Flurbereich eine akustische Alarmierung. Die Elektroinstallation im Altbau war komplett erneuerungsbedürftig.
In Abstimmung mit dem Fachdienst Kinderbetreuung, der Leitung der Einrichtung und dem
Elternbeirat ist folgendes Raum- und Funktionsprogramm realisiert worden:
Altbau
Schlafraum (dafür Wegfall eines Lagers) 31,64 qm
Erdgeschoss
Therapiezimmer 17,90 qm
Elternsprechzimmer 13,54 qm
Flur 8,89 qm
Aufzug 2,99 qm
Küche 25,69 qm
Lager 9,50 qm
Zulieferung 5,62 qm
Umkleide 2,43 qm
WC 2,27 qm 88,83 qm
Obergeschoss
Gruppenraum 47,31 qm
Aktionsraum 30,04 qm
Aufzug 2,99 qm
Flur 12,13 qm
WC 11,21 qm
Behinderten WC/Wickelraum (Umbau) 7,83 qm 111,51 qm
Insgesamt 231,98 qm
Baukosten
Die Baukosten belaufen sich auf 1.674.000 Euro, sowohl für den Anbau und den Umbau im Altbau. Energieeinsparung 2008 Altbau, Erneuerung der Fenster und Dämmung der Fassade.
Anbau
Die Fassade wurde mit 200 Millimeter Dämmung versehen, das Dach mit einer Zwischensparrendämmung aus Isofloc ausgeblasen. Die Fenster entsprechen mit ihrer dreifach-Verglasung dem Passivhaus-Standard.
Entsprechend der zum Zeitpunkt des Bauantrages gültigen Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) unterschreitet das Gesamtgebäude die energetischen Anforderungen eines Neubaus um 15 Prozent.
Gegenüber den Mindestanforderungen der EnEV 2009 werden somit circa 7 Tonnen Co2-Emissionen vermieden.
Der Jahres-Primärenergiebedarf ermittelt sich auf 148 Kilowattstunden pro Quadratmeter (kWh/m2), gegenüber 173,3 kWh/m2 als zulässiger Wert des Referenzgebäudes.
Zeitplan der Maßnahme
Beginn der Arbeiten Oktober 2014
Fertigstellung September 2016
Beteiligte Büros
Büro IGH, Haustechnik, Elektro, Lüftung und Aufzug,
Büro Keller & Keller, Außenanlagen,
Büro KPC, Küchenplanung
Büro Walter Dörr, Bauleitung für FD Hochbau