© Thomas Steinforth, Stadt Marburg
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Bürgermeister und Ordnungsdezernent Wieland Stötzel sowie Polizeipräsident Bernd Paul begrüßten rund 30 Fachleute, Repräsentant*innen aus Politik, Polizei, der Stadtverwaltung, dem Staatlichen Schulamt und freien Trägern bei der Vorstellung von KOMPASS im Rathaus.
Neben Oberbürgermeister, Bürgermeister und Polizeipräsident erklärte Kriminalhauptkommissar Jörg Schormann den Ansatz und den Ablauf des KOMPASS-Programms. Außerdem stellten Prof. Dr. Ulrich Wagner, wissenschaftlicher Leiter des Projekts „Einsicht – Marburg gegen Gewalt", Josefine Kamieth von der Philipps-Universität und Johannes Maaser, der im Fachbereich Ordnung der Marburger Stadtverwaltung für den Bereich Gewaltprävention zuständig ist, die Ergebnisse der neuesten Sicherheitsbefragung des Projekts „Einsicht" vor.
© Thomas Steinforth, Stadt Marburg
KOMPASS ist ein Angebot des Hessischen Innenministeriums an die Städte und Gemeinden in Hessen und zielt auf eine nachhaltig ausgerichtete Verzahnung und noch engere Zusammenarbeit zwischen Bürger*innen, Polizei und Kommune. Die Polizei Hessen bietet an, gemeinsam mit den Kommunen und den Bürger*innen die spezifischen kommunalen Sicherheitsbedürfnisse, also auch die Sorgen und Ängste der Bevölkerung, zu erheben, zu analysieren und gemeinsam ein passgenaues Lösungsangebot zu entwickeln.
Sicherheit ist in den letzten Jahren deutschlandweit zu einem Dauerthema geworden. Aus Sicht von Wissenschaftler*innen sowie für Fachleute aus der Praxis ist diese Entwicklung der zunehmenden Furcht vor vermeintlichen Sicherheitsproblemen dabei durchaus paradox: Obwohl in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Folge ein Rekord-Tiefststand der polizeilich registrierten Straftaten in Deutschland seit der Wiedervereinigung vermeldet wurde, scheint diese positive Entwicklung in breiten Teilen der Bevölkerung nicht wahrgenommen zu werden.
„Wir dürfen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nicht vernachlässigen", sagte Bürgermeister Wieland Stötzel bei der Sicherheitskonferenz und führte aus: „Auch wegen gefühlter Unsicherheit ändern Menschen ihr Verhalten. Sie vermeiden beispielsweise bestimmte Orte, die durch nachlassende Belebung dann in der Folge tatsächlich unsicherer werden können. Die Teilnahme an KOMPASS ist für uns ein weiterer Knotenpunkt zur Festigung unserer Sicherheitsnetzwerke."
Die Stadt Marburg verspricht sich von der Teilnahme am KOMPASS-Programm vor allem die Stärkung und eine Unterstützung und Erweiterung der bereits laufenden Präventionsarbeit im Projekt „Einsicht – Marburg gegen Gewalt". Bei „Einsicht" arbeiten Polizei, die Fachbereiche Ordnung, Jugend, Zivilgesellschaft, Stadtentwicklung, Migration und Kultur der Stadtverwaltung sowie die Philipps-Universität, das Staatliche Schulamt Marburg-Biedenkopf und das Hessische Netzwerk gegen Gewalt eng zusammen. Wie bei KOMPASS wird Präventionsarbeit bei dem Projekt Einsicht als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe verstanden und fußt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirkung von Präventionsprogrammen sowie eigenen empirischen Analysen.
Bei der Sicherheitskonferenz wurde dazu eine aktuelle Einsicht-Studie vorgestellt, die von Januar bis Mai 2019 durchgeführt wurde und untersucht, wie Anwohner*innen die Lebensqualität in Marburg-Mitte einschätzen und welche Rolle das Thema Sicherheit dabei spielt. Josefine Kamieth, die für ihre Abschlussarbeit am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität die Tür-zu-Tür-Befragung am Marktdreieck durchgeführt und die Daten ausgewertet hat, fasst zusammen: „Sicherheit ist kein Thema, das initiativ von den Leuten angesprochen wird. Der Bereich Lahntreppen, Elisabeth-Blochmann-Platz und Erlenring wird zwar von etwa einem Drittel der Studienteilnehmer*innen als unsicher empfunden. Rund 88 Prozent der Befragten fühlen sich tagsüber in ihrer Wohngegend aber ,sehr sicher‘. Immerhin gute 40 Prozent und weitere 45 Prozent sagen, dass sie sich auch nachts ,eher sicher‘ fühlen. Insgesamt wird die Lebensqualität in der Marburger Innenstadt von fast 85 Prozent der Anwohnenden als mindestens ,gut‘ bewertet." An der Studie haben von etwa 600 Personen, die im Erhebungsraum des erweiterten Marktdreiecks wohnen, 112 teilgenommen. Die Stichprobe umfasst 53,6 Prozent Frauen und 46,4 Prozent Männer im Alter von 18 bis 98 Jahren und ist repräsentativ hinsichtlich der Anzahl gemeldeter Personen in den befragten Straßenzügen.
Das seit Juni 2018 laufende Projekt „Sicheres Marburg“ mit dem gemeinsamen Maßnahmenpaket von Stadt und Polizei zur Senkung der Kriminalitätsbelastung in der Marburger Innenstadt und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls findet ebenfalls eine Intensivierung und Ausweitung durch KOMPASS. Maßnahmen wie die Videoüberwachung des Jägertunnels oder die Einrichtung von sogenannten Hilfsinseln sind schon umgesetzte Beispiele möglicher Resultate einer Analyse und passgenauen Lösung.
Zunächst ist nach Angaben des KOMPASS-Koordinators des Polizeipräsidiums Mittelhessen, Jörg Schormann, eine anonymisierte Umfrage zur Erfassung des subjektiven Sicherheitsempfindens der Bevölkerung im gesamten Stadtgebiet geplant. Die nach einem Zufallsverfahren repräsentativ ausgewählten Haushalte sollen in der ersten Hälfte des neuen Jahres angeschrieben werden. Mit den Ergebnissen dieser Befragung und sich daraus ergebenden möglichen Maßnahmen wird sich eine weitere Sicherheitskonferenz befassen.
Für 2020 sind auch weitere Sicherheitskonferenzen vorgesehen, zu denen ganz im Sinne von KOMPASS auch Bürger*innen eingeladen sein werden: „Es ist uns wichtig, die Bürger*innen zu beteiligen. Politik, Verwaltung und Polizei sollen bei Veranstaltungen direkt mit ihnen ins Gespräch kommen", so Oberbürgermeister Dr. Spies. „Denn: Sicherheit sichert Teilhabe – wer sich sicher fühlt und sicher ist, nimmt am gesellschaftlichen Leben teil und gestaltet unsere bunte Stadt aktiv mit."