© Universitätsstadt MarburgHintergrund der am 21. März im Magistrat beschlossenen Haushaltssperre sind erwartete Rückforderungen von Gewerbesteuer, die im Ergebnis der Universitätsstadt zu Mindereinnahmen von rund 23 Millionen Euro im Jahr 2016 führen. Bereits in der Haushaltsrede 2014 hatte der damalige Oberbürgermeister Egon Vaupel die Notwendigkeit einer Konsolidierung zur Verhinderung eines strukturellen Defizits angemahnt. Diese tritt nun deutlich schneller und schärfer als erwartet zu Tage.
Neben der sehr hohen aktuellen Einnahmeverschlechterung tragen weitere Faktoren zur Notwendigkeit von strukturellen Verbesserungen des Haushalts bei: die mit den erheblichen Investitionen der letzten Jahre und damit der Vermögenssteigerung der Stadt verbundenen erhöhten Abschreibungen, angekündigte Mittelkürzungen durch das Land Hessen im Kommunalen Finanzausgleich, steigende Personalkosten, politische Entscheidungen wie der langjährige Verzicht auf Gebührenanpassungen oder deutlich verbesserte Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger in nahezu allen Bereichen sowie ein geringerer Anstieg der Einnahmen. Insgesamt folgt so dem Anstieg der städtischen Aufwendungen keine adäquate Ertragsentwicklung, erläuterte Spies bei einer anschließenden Pressekonferenz.
Ohne kurzfristige korrigierende Eingriffe könnte sich so der Kreditbedarf im Jahr 2016 nach derzeitigem Stand auf bis zu 87,4 Millionen Euro belaufen. Der Schuldenstand würde dann auf über 170 Millionen hochschnellen – bei Investitionen von über 300 Millionen Euro in den letzten zehn Jahren.
Daher sei die Haushaltssperre erforderlich. Sie dient dazu, bis zur Verabschiedung eines Nachtragshaushalts durch das Parlament nur zwingend erforderliche Ausgaben zu tätigen, um der Stadtverordnetenversammlung einen Entscheidungsspielraum zu eröffnen, in dem sie die Sparprioritäten setzt.
Oberbürgermeister Spies hat daher einen Zeitplan für das weitere Vorgehen festgelegt: zunächst werden alle noch nicht begonnen Investitionen gestoppt und zusammengestellt. Ende April werden Dezernenten und Fachbereichsleitungen hier festlegen, welche Investitionen in diesem Jahr noch getätigt werden müssen.
Für den Ergebnishaushalt, also die laufenden Ausgaben der Stadt, werden die Fachdienstleitungen gebeten, zunächst bis Ende Mai Sparvorschläge zu erarbeiten. „Viel wird sich im laufenden Jahr nicht umsetzen lassen. Die Prüfung dient deshalb zugleich der Vorbereitung für den Haushalt 2017“, so Spies. Sie sei deshalb eine längerfristige Aufgabe. Möglichst im Juli will Marburgs Oberbürgermeister den Nachtragshaushalt einbringen, für September wird ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung angestrebt.
Klar sei, so Spies, dass die interne Prüfung auf das Gründlichste und ohne Ausnahme in allen Bereichen erfolgen müsse. „Damit die Stadtverordneten am Ende entscheiden können, muss alles auf den Tisch“, so der Oberbürgermeister. Deshalb sei eine umfassende Prüfung, welche Leistung in welchem Umfang und Standard wie sehr erforderlich sei und welche Alternativen es gibt, unvermeidlich.
Dennoch werde es mit dem Stadtoberhaupt in Marburg „keine Operation düstere Zukunft“ und keine Entlassungen geben. „Mir geht es vor allem darum, die über Jahrzehnte entwickelte soziale, kulturelle, technische und Bildungs-Infrastruktur der Stadt durch solide Finanzen abzusichern“, betont der Oberbürgermeister. „Wenn wir nichts tun, würden wir unsere über Jahre hochentwickelte Infrastruktur gefährden. Aber es gilt ja gerade diese zu erhalten und eben nicht mit dem Rasenmäher über den Haushalt zu gehen“, so Spies weiter. „Deshalb müssen wir alles genau prüfen und dabei insbesondere soziale Schieflagen verhindern“, fügte er hinzu. Eine Privatisierung von öffentlichem Eigentum oder von städtischen Unternehmen zur Haushaltssanierung schloss Spies kategorisch aus.