© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
„Vielen Dank für das Training, aus dem ich sehr viel für mich mitnehme“, sagte Stadträtin Kirsten Dinnebier in der Feedback-Runde. Denn die Sozialdezernentin nahm selbst an der letzten Einheit des kostenlosen Sicherheitstrainings der Stadt teil. „Die vielen positiven Rückmeldungen, die bei uns zu diesem Programm eingetroffen sind, und die lange Warteliste zeigen, dass das Angebot gut angenommen wird. Daher planen wir, das Sicherheitstraining in Zukunft fortzuführen“, so die Stadträtin. Das kostenlose Sicherheitstraining für Marburger*innen ab 50 wurde bereits in den Stadtteilen Schröck, Stadtwald und Moischt zu je drei Terminen angeboten.
Doch wie läuft so eine Krav Maga-Einheit eigentlich ab? Eine kurze Begrüßung, ein Blick in die Runde, dann geht es auch schon los. Trainer und Head Instructor des „I. S. D. Krav Maga Germany“ Tayfur Imprahem kündigt die erste Übung an: „Zombie-Game“. Das ist kein apokalyptisches Szenario, sondern soll mehrere Fähigkeiten auf einmal trainieren. Während die eine Hälfte die Arme nach vorne ausstreckt wie „Zombies“, legt die andere Hälfte die Arme eng an den Körper. Nun bewegen sich die Teilnehmer*innen in einem engen Radius umeinander und dürfen sich nicht berühren. Ganz schön wuselig. Bei der Übung geht es um Überblick und Aufmerksamkeit. Eine Ausnahme in Sachen Berührung gibt es jedoch: Kann einem Zombie nicht ausgewichen werden, so wird dieser abgewehrt. Mit welcher Technik, entscheiden die Trainer auf Zuruf. Neben der Aufmerksamkeit schult die Übung also auch die Reaktionsfähigkeit – auf akustische Signale (Zurufe der Trainer), aber auch auf die jeweilige Situation (ausweichen oder abwehren).
„Verteidigung muss realistisch sein“
© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
Die Größe einer Gruppe variiert zwischen 15 und 20 Personen. Um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen zu können, unterrichten die Trainer stets zu zweit oder gar zu dritt. Dabei werden auch individuelle Probleme berücksichtigt. Wer Knieprobleme hat, muss sich gegebenenfalls anders verteidigen, als jemand, der es im Rücken hat. Wer nicht schnell laufen kann, lernt stattdessen, welche Möglichkeiten zur Verteidigung es in der Umgebung gibt und persönlich genutzt werden können. „Es muss realistisch sein“, sagt Tayfur Imprahem und ergänzt: „Viele lernen Verteidigungsmechanismen, die gar nicht zu ihrer Persönlichkeit oder ihren Möglichkeiten passen. Das ist im Ernstfall aber nicht hilfreich, da diese Reaktion dann nicht natürlich abgerufen werden kann. Im Krav Maga schulen wir Reflexe, die bereits da sind, und finden gemeinsam heraus, was für die einzelne oder den einzelnen passt“, erläutert Imprahem.
Das Bewusstsein für potenzielle Gefahrensituationen zu schulen, bildet einen der Schwerpunkte des Sicherheitstrainings. „Es geht darum, die Unversehrtheit von Leib und Seele sowie Hab und Gut zu schützen“, sagt Bernd Runckel, Leiter des „I. S. D. Krav Maga Germany“ in Marburg und Kirchhain. Deshalb gehört auch ein theoretischer Teil zum Training, unter anderem mit Infos, was in welcher Gefahrenlage im Rahmen der Selbstverteidigung überhaupt erlaubt ist. „Es ist schön zu sehen, wie die Teilnehmer*innen sicherer werden und ein besseres Gefühl dafür entwickeln, was in welcher Situation angebracht ist“, berichtet Christian Scheifer, Leiter des Trainingsstandortes Gießen. Neben der Verteidigung bei körperlichen Angriffen wurden auch Reaktionsmöglichkeiten bei verbalen Attacken, verwirrenden Situationen und Bedrängungen verschiedener Art geübt. Viele unangenehme Situationen lassen sich bereits durch Mimik, Gestik, Kommunikation oder durch das Ansprechen von Passant*innen entspannen. Vor allem betonen die Trainer immer wieder, wie wichtig es sei, auf sich aufmerksam zu machen, laut zu sein – am besten ohne komplizierte Sätze, weil dafür im Ernstfall vor Aufregung und Anstrengung die Konzentration und die Luft fehlten. Einsilbig sei einfacher, also „Hey“ oder „Stopp“ rufen. Oder schlicht brüllen. „Das ist laut, gibt Energie und schüchtert Gegner*innen auch noch ein, denn die rechnen nicht damit“, so Imprahem.
Teilnehmer*innen begrüßen Angebot der Stadt
© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
Insgesamt wurde das Sicherheitstraining, das die Stadt Marburg organisiert hat, von den Teilnehmer*innen sehr gut angenommen. Alle Gruppen der Stadtteile wünschten sich weitere Termine oder gar ein vertiefendes Angebot. „Mir hat besonders gefallen, dass es so viel Praxis gab. Das hat sehr dabei geholfen, die Hemmungen zu überwinden“, berichtet ein Teilnehmer. „Ich bin der Stadt sehr dankbar, dass sie dieses Training in den Stadtteilen angeboten hat und besonders auch für meine Altersgruppe, ansonsten hätte ich das wahrscheinlich nicht ausprobiert. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich mich getraut habe“, so eine weitere Teilnehmerin. „Die Übungen waren wirklich aus dem Leben gegriffen und sehr hilfreich“, schließt ein anderer Teilnehmer die Feedback-Runde ab.
„Dieses Sicherheitstraining, das speziell für ältere Personen ausgerichtet ist, war uns besonders wichtig. Denn obwohl die Kriminalstatistik für 2020 zeigt, dass Personen höheren Alters im Alltag weniger Gefahren ausgesetzt sind als jüngere Menschen, gibt es bei Älteren ein größeres Unsicherheitsgefühl. Und genau dort möchten wir mit diesem Angebot ansetzen. Denn in Marburg sollen sich alle sicher fühlen“, sagt Dr. Petra Engel, Fachdienstleitung Altenplanung.