© Heike Döhn, i. A. d. Stadt Marburg
„Wir planen einen Ort für Menschen, die lange ohne ein Dach über dem Kopf gelebt haben und erst wieder lernen müssen, ein solches Dach auszuhalten“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Es ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, auf der Straße zu leben, und wir wollen das in Marburg nicht zulassen.“ Das VinziDorf solle so gestaltet werden, dass sich das Leben dort für die Betroffenen richtig anfühlt.
Vertreter*innen der Stadt Marburg und der Architekt Alexander Hagner stellten bei einem Treffen mit Anwohner*innen und Interessierten das Betriebskonzept sowie ein erstes Planungskonzept vor und beantworteten Fragen. Wieder als Mensch gesehen werden, eine Möglichkeit bekommen, wieder ins Leben zurückzukehren – das bedeuten die VinziDörfer unterschiedlichen Zuschnitts, die es bereits in Österreich gibt, für die Menschen, die dort Unterkunft gefunden haben. Das berichtete Architekt Alexander Hagner vom Architekturbüro gaupenraub+/- aus Wien, der die bereits bestehenden Wohnprojekte und ihre Konzepte vorstellte. Die österreichischen VinziDörfer werden von Vereinen getragen, das VinziDorf in Marburg ist das erste, das eine Kommune errichtet, und das erste in Deutschland.
© Heike Döhn, i. A. d. Stadt Marburg
VinziDorf ergänzt bestehende Angebote
Das VinziDorf ist Bestandteil eines vierteiligen Angebots der Stadt Marburg an wohnungslose Menschen. Bereits umgesetzt sind ein Haus für obdachlose Frauen, Paare und Familien und das Probewohnen, bei dem ehemals obdachlose Menschen eine Wohnung vermittelt bekommen und für den Übergang betreut und unterstützt werden. Das VinziDorf soll zwölf etwa acht Quadratmeter große und einfach ausgestatte Häuser umfassen – sogenannte „Tiny Houses“ – in denen Männer, für die es aktuell keine andere Perspektive gibt, untergebracht werden. Ergänzend wird es Notunterkünfte für Frauen und Männer geben, für die keines der anderen Angebote geeignet ist – niemand soll in Marburg auf der Straße leben müssen.
„Wir reden von Menschen, die lange in der Isolation waren und sich an eine Wohnsituation ebenso gewöhnen müssen wie an die Nähe zu anderen Menschen“, so Hagner. Die Lage des Marburger VinziDorfes im Grünen mit vielen Bäumen und Büschen komme diesen Menschen entgegen, so dass dieses Umfeld auch erhalten bleiben solle: „Jeder Busch, jeder Grashalm ist wichtig.“ Das Dorf soll so gebaut werden, dass nichts gefällt und möglichst wenig versiegelt werden muss. Nur dort, wo das Gemeinschaftshaus entstehen soll, müssen fünf Bäume gefällt werden. Die zur Verfügung stehenden 8000 Quadratmeter werden nur zum Teil genutzt, so dass der Charakter des Areals erhalten bleibt. Alle erhaltenswerten Bäume sind laut Hagener kartiert und in der Planung berücksichtigt worden. Der vorhandene Teich bleibt ebenfalls bestehen, Fassaden und Flachdächer werden begrünt. Umgesetzt wird das Bauprojekt von der GeWoBau.
© Heike Döhn, i. A. d. Stadt Marburg
Gut betreut im VinziDorf
Monique Meier vom Fachdienst Soziale Leistungen und Christina Kraus, Leiterin des Fachdiensts Wohnungswesen, stellten das Betriebskonzept für das VinziDorf vor. Eine sozialpädagogische Begleitung sei gewährleistet und stets Ansprechpartner*innen vor Ort. Geplant sind zwei pädagogische Mitarbeiter*innen, eine Stelle für die Sachbearbeitung und eine Reinigungskraft. Ergänzt werde dies mit ehrenamtlicher Betreuung der Bewohner. Es werde eine verbindliche Hauordnung geben und eine klare Abgrenzung zum Umfeld des VinziDorfes.
Im Gemeinschaftshaus befinden sich Büro- und Beratungsräume, außerdem eine Gemeinschaftsküche sowie ein großer Ess- und Aufenthaltsraum. Ein Sicherheitsdienst soll zweimal pro Nacht das Gelände kontrollieren. Dr. Griet Newiger-Addy, Leiterin der Bürger*innenbeteiligung betonte, dass es vielfältige Möglichkeiten gebe, sich ehrenamtlich einzubringen, begleitet durch die Freiwilligenagentur und pädagogische Fachkräfte. Informationen dazu gibt es unter www.marburgmachtmit.de/vinzidorf.
Die Ergebnisse des Treffens sollen in die weitere Planung einfließen. Die Teilnehmer*innen hatten sich auf zwei Arbeitsgruppen verteilt, die sich mit der konkreten Gestaltung des VinziDorfes und mit Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Miteinanders beschäftigten. Sie regten unter anderem an, Ängste und Vorurteile durch nachbarschaftliche Begegnungen abzubauen – beispielsweise in den angrenzenden Schrebergärten. Auch Projekte wie gemeinschaftliches Werken oder Gartenarbeit mit den Bewohnern des VinziDorfes sei eine Möglichkeit, unterstützt durch ehrenamtliche Helfer*innen. Die bestehende Grillhütte, die in das Gelände integriert werden soll, wurde als möglicher Treffpunkt genannt. Vorgeschlagen wurde auch, das angrenzende Gelände mitzudenken und attraktiver zu gestalten.
Das Betriebskonzept soll nun unter Einbeziehung der Vorschläge und Anregungen fertiggestellt werden, ebenso der Aufstellungsbeschluss für das Bauprojekt. Beides soll im September den politischen Gremien vorgelegt werden. Fertiggestellt sein soll das VinziDorf im Herbst 2025.
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