© Heiko Krause, Stadt MarburgBereits am Samstag zuvor hatte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies alle Gisselberger Bürgerinnen und Bürger zu einer Informationsveranstaltung in die neuen Räume auf dem ehemaligen EAM-Gelände eingeladen. Anschließend stand das Haus bis 14 Uhr für eine Besichtigung zur Verfügung. Die bereits im November eröffnete Kleiderkammer im Nachbargebäude war ebenfalls geöffnet.
Das Interesse war so groß, dass der ursprünglich geplante Raum aus allen Nähten platzte. Hunderte Menschen aus Gisselberg und Umgebung waren gekommen, sodass spontan ein zweiter großer Raum genutzt wurde, um parallel zu informieren. Anschließend konnten sich die Gäste bei Waffeln und Getränken ausführlich ein Bild machen.
© Heiko Krause, Stadt MarburgOberbürgermeister Spies verdeutlichte, dass die derzeit vielen Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen, lange Zeit und manche für immer hier bleiben. Aus einer gelebten Willkommenskultur müsse daher eine Bleibekultur werden. Und ein Baustein seitens der Stadt sei die neue Anlaufstelle in Gisselberg.
Spies lobte den unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz der Marburgerinnen und Marburger für die Hilfesuchenden. Etwa 1500 Menschen würden sich ehrenamtlich engagieren. Ohne sie wären die vielen Angebote der Stadt Marburg nicht möglich, hob das Stadtoberhaupt hervor. „Und das ist die absolute Grundlage für die Integration“, sagte Spies. „Menschen, die aus Diktaturen zu uns fliehen, müssen wissen, dass sie willkommen sind und sich wohlfühlen“. Und dafür sei Marburg ein hervorragendes Beispiel, betonten der Oberbürgermeister und Flüchtlingskoordinatorin Gudrun Fleck-Delnavaz, die die Angebote in Gisselberg vorstellte.
Beide hoben eingehend auf Befürchtungen im Nachgang zu den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hervor, dass es bisher in Marburg zu keinerlei Häufungen von Straftaten gekommen sei, was auch am Einsatz der Bürgerinnen und Bürger liege. Gleichwohl, so sagten sie zu, werde in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt ein Konzept entwickelt, damit das auch so bleibe. „Wenn die Menschen merken, dass sie freundlich begrüßt werden, dann begegnen sie uns auch freundlich“, zeigte sich Spies überzeugt.
Laut Fleck-Delnavaz lebten zum Stichtag 31. Dezember in der Erstaufnahmeeinrichtung in Cappel, die vom Regierungspräsidium betrieben wird, 440 Menschen. Diese blieben bis zu einem halben Jahr, bis ihr Asylverfahren laufe. Zugewiesene Flüchtlinge, die die Erstaufnahme durchlaufen haben, lebten in Marburg etwa 480, die vornehmend dezentral wohnten. In Cappel hätten die dortige Anlaufstelle, die nur ein Provisorium war, etwa 250 Menschen am Tag besucht, sagte sie.
© Heiko Krause, Stadt MarburgWie die Flüchtlingskoordinatorin weiter ausführte, bleiben die Angebote, die bisher in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flüchtlingscamp gemacht wurden, bestehen. Angefangen bei Alphabetisierungskursen und Alltagstraining für Erwachsene mit Kinderbetreuung. Darüber hinaus erhalten Geflüchtete auf Wunsch eine Beratung für ihr laufendes Asylverfahren und es steht ein Raum mit Computern zur Verfügung. Dort kann man mit Familie und Freunden skypen, die oft auf der ganzen Welt verteilt sind oder das Heimatland nicht verlassen haben. Weitere Angebote würden bis zum Frühjahr dazukommen, ehrenamtliche Mitarbeit der Gisselbergerinnen und Gisselberger sei ausdrücklich gewünscht, so Fleck-Delnavaz.
Die neue städtische Anlaufstelle bietet von Montag bis Freitag unter der Federführung der Stadt Marburg – umgesetzt durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hunderte von Ehrenamtlichen – zahlreiche Aktivitäten, die den Geflüchteten in ihrer Orientierung an einem völlig fremden Ort helfen.
© Heiko Krause, Stadt MarburgDas „Portal – Gisselberg | Zentrum für Flüchtlinge“ auf dem ehemaligen EAM-Gelände, kann nun viele Angebote vorweisen: „Bis jetzt konnten beispielsweise nur Erwachsene Deutschunterricht erhalten. In Zukunft bekommen auch die im Camp lebenden Kinder regelmäßig Unterricht“, hob Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hervor. „Jeden Tag höre ich von neuen Ideen, wie wir die geflüchteten Menschen in unserer Stadt unterstützen können und dazu beitragen, dass sie sich bei uns willkommen fühlen und dass das Miteinander gut funktioniert“, so Spies weiter.
© Heiko Krause, Stadt MarburgVorrangig bekommen die Kinder durch Ehrenamtliche – darunter viele pensionierte Lehrerinnen und Lehrer – die deutsche Sprache vermittelt. Doch auch Fächer wie Mathematik und Erdkunde sind vorgesehen. Ein spezielles Angebot für Frauen wird es ebenfalls geben. Eine Hebamme und eine Gynäkologin nehmen in Kürze ihre Tätigkeit auf. Ein Spiele-, Kreativ- und Handarbeitsraum befindet sich im Aufbau. Ebenso ein Konzept der psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen und Ehrenamtlichen.
Ein weiteres wichtiges Angebot ist die Hotline für alle Bürgerinnen und Bürger. Diese ist von Montag bis Freitag in der Zeit von 9 Uhr bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr durch Ehrenamtliche betreut. Es werden dort alle Fragen rund um Flüchtlinge entgegengenommen, direkt beantwortet oder an die richtigen Stellen weitergeleitet. Zu erreichen ist die Hotline unter der Telefonnummer (06421) 201-2222.
Doch nicht nur den im Camp wohnenden Menschen steht das erweiterte Programm künftig zur Verfügung. Auch Flüchtlinge die bereits fest in Marburg leben – sogenannte zugewiesene Flüchtlinge – sind ab sofort eingeladen, dieses Angebot ebenfalls zu nutzen. Mehrfach am Tag fährt ein Bus vom Camp in Cappel nach Gisselberg und wieder zurück, um die beiden Orte miteinander zu vernetzen. Dieser Shuttle-Service kann bei Bedarf gerne auch von Ehrenamtlichen genutzt werden.