© Patricia Grähling, Stadt Marburg
„Die Realität hat uns binnen Monaten in eine Situation katapultiert, in der sich viele Unternehmen fragen, wie sie durch die nächste Zeit kommen können“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zur Eröffnung beim 4. Marburger Wirtschaftsforum im Cineplex. Viele Unternehmer*innen würden eine Krise immer auch als Chance betrachten und so die Probleme angehen, die Stadt wolle die lokale Wirtschaft dabei unterstützen. „Egal wie groß oder klein ein Unternehmen ist oder wie weit es sich schon auf den Weg der Transformation gemacht hat – wir können alle voneinander lernen und miteinander schneller vorankommen.“
Um voneinander zu lernen und Impulse zu geben, bot das Forum dem Publikum zwei Gesprächsrunden unter dem Motto „Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Co. – Machen wir schon, oder?“ im Cineplex. Moderatorin Bärbel Schäfer sorgte dabei für interessante Diskussionen auf dem Podium.
Über „Nachhaltigkeitsbericht und CO2-Bilanz“ kamen Holger Armbrüster (Geschäftsführer Stadtwerke Marburg GmbH), Dr. Ulrich Dewald (Kommunalberater, Geschäftsführer und Gesellschafter der GEFAK) und Sascha Gutzeit (Geschäftsführer der RKW Hessen GmbH) ins Gespräch. Gutzeit erklärte, dass die Krise nun viel zur Vermeidung von Emissionen anstoße – „auf die harte Tour. Deswegen müssen wir uns gegenseitig unterstützen und vorangehen“. Nicht zuletzt auch, weil vor allem Kund*innen immer mehr Transparenz einforderten. Transparenz ist für die Stadtwerke ein Schlüssel zum Vertrauen der Kund*innen und Mitarbeiter*innen. Laut Geschäftsführer Holger Armbrüster haben die Stadtwerke daher mit ihrer Gemeinwohlbilanz gute Erfahrungen gemacht. „Der Bericht zeigt, wo unsere Vorteile liegen und wie wir uns von anderen unterscheiden.“ Die Erstellung sei umfangreich. Sein Rat: „Erstmal loslegen und die Belegschaft in diesen Reflexionsprozess mitnehmen.“ Wie wichtig eine Gemeinwohlbilanz ist, betonte auch Dewald: „Sie war für mich ein konkretes Argument, um für die GEFAK arbeiten zu wollen.“ Eine solche Bilanz gebe Aufschluss über das Arbeitsumfeld. „Und die Menschen wollen eine sinnstiftende Tätigkeit in einem guten Arbeitsumfeld“, so Armbrüster. Das sei für viele wichtiger als die Frage des Gehalts, ergänzte Gutzeit.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
„Die Menschen fragen nicht mehr nur nach Gehalt, Aufgaben und Dienstwagen – ein attraktiver Arbeitgeber ist heute der, der auch Angebote bei der Mobilität macht“, sagte Christine Breser (Projektleiterin der ivm - Gesellschaft für integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region Frankfurt RheinMain) in der zweiten Podiumsdiskussion. Sie kam unter Moderation von Bärbel Schäfer mit Inge Jakobi (Geschäftsführerin der Buchhandlung Inge Jakobi, Thomas Madry (Leiter Neue Services der Pharmaserv GmbH) und Felix Bonn (Geschäftsführer der Nolta GmbH) über neue Formen betrieblicher Mobilität ins Gespräch. So wurde Nolta jüngst ausgezeichnet, weil das Unternehmen Anreize zum Umstieg aufs Rad schaffe – etwa mit Duschen, abschließbaren Spinden, Reparaturmöglichkeiten und Wechselkleidung an der Arbeit. Neben der Nachhaltigkeit sei die betriebliche Mobilität auch eine Platzfrage: „Fläche ist eine knappe Ressource und man kann Flächen besser nutzen, als sie mit Blech zuzustellen“, erklärte Madry. So habe der Pharmastandort in Marburg eine App für Fahrgemeinschaften – und biete denjenigen, die zusammen fahren, einen Anreiz über bessere Parkplätze. Rund 200 Fahrgemeinschaften gebe es nun schon. Madry selbst fahre mit dem E-Fahrrad: „Die Steigung ist dadurch kein Problem mehr – und ich bin schneller als mit jedem anderen Verkehrsmittel an der Arbeit.“ Für Buchhändlerin Jakobi hat auch die klimafreundliche Auslieferung der Waren einen hohen Stellenwert: Der Radkurier-Verein RadKu hat sich im Corona-Lockdown gegründet und fährt seither die bestellten Bücher per Rad zu den Kund*innen nach Hause. „Das hat einen ökonomischen und ökologischen Mehrwert – aber vor allem auch einen ideellen Wert. Es ist eine gute Werbung, die sich fortpflanzt“, so Jakobi.
In der Diskussion mit dem Publikum wurde auch klar, dass nicht jedes Unternehmen auf Fahrrad und Lastenrad umsteigen kann – bei Bauunternehmen sei das schwierig, sagte Breser. „Es gehört zur Ehrlichkeit, dass man nicht überall sofort umstellen und Baugeräte klimaneutral bewegen kann“, sagte OB Spies zum Abschluss der Diskussion. „Man muss nicht von Anfang an perfekt sein. Aber wir müssen anfangen!“ Wie das Anfangen gelingen kann und welche Beispiele es schon in den unterschiedlichen Unternehmen gibt – darüber tauschten die Gäste sich im Anschluss an die Diskussionen rege aus.