Sophie ist eine ganz normale Schülerin. Aber als sie auf eine andere Schule kommt, gerät für sie die Welt aus den Fugen. Weil sie sich nicht so verhält, wie es ihre Mitschüler*innen von ihr erwarten, wird sie gemobbt und auf das Übelste beleidigt. Es werden Bilder und verbotene Videoaufnahmen von ihr ins Netz gestellt und in einer Messenger-Gruppe mit dem Namen „Jagt die Bitch!“ Lügen und bearbeitete Bilder verbreitet, um sie blöd aussehen zu lassen. Diese Übergriffe bleiben nicht ohne Folgen. Sophie hat morgens vor der Schule Bauchschmerzen und kann nachts nicht mehr schlafen. Es wird erst besser, als sie sich ihren Eltern anvertraut, die daraufhin die Polizei einschalten.
An diesem fiktiven, aber sehr realistischen Fall, erläuterten Maj Walter von Wildwasser e. V. und Frank Dönges von der Jugendkoordination der Polizeidirektion Marburg im Rahmen einer Online-Fortbildung die Folgen von Cybermobbing und sexualisierter Gewalt auf Jugendliche. „Digitale Medien sind ein zentraler Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen“, sagte Landrätin Kirsten Fründt anlässlich der Veranstaltung. „Wir müssen sie auf ihrem Weg durch die digitale Welt begleiten. Ich begrüße es daher sehr, dass die Mediennetzwerke der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf dieses Thema aufgreifen“, so Fründt weiter. Die Fortbildung richtete sich an pädagogische Fachkräfte, Multiplikator*innen der Kinder- und Jugendarbeit und Fachkräfte der Schul- und Lehrarbeit.
„Aktuell nimmt die Nutzung von PC´s und mobilen Geräten aufgrund der Pandemiesituation mit Homeschooling und Co. sogar noch zu und die Mediennutzungszeiten haben sich auch bei Kindern und Jugendlichen extrem ausgeweitet“, ergänzt Kirsten Dinnebier, Schul- und Jugenddezernentin der Universitätsstadt Marburg. „Damit einher geht auch eine verstärkte Gefahr für Missbrauch und sexualisierte Gewalt“, so Dinnebier.
Gerade jüngeren Kindern falle es dabei besonders schwer, sich in Chats gegenüber den oft sehr raffinierten Strategien der Cybergroomer*innen zu wehren und sich abzugrenzen, wie Walter während ihres Vortrages darlegte. „Cybergrooming“ ist dabei der englische Fachbegriff für das Anbahnen von Kontakten durch ältere Täter*innen mit der Absicht, sexualisierte Gewalt auszuüben. Anhand beliebter Apps und sozialer Netzwerke zeigte Walter auf, welche Gefahren sich dahinter verbergen können und wie Täter*innen diese für Cybergrooming nutzen.
Dönges erläuterte das polizeiliche Vorgehen in solchen Fällen von der Strafanzeige über die polizeilichen Ermittlungen, die in der Regel die Sicherstellung der verwendeten Geräte wie Smartphone oder andere Computer beinhaltet, bis hin zur Verurteilung durch die Gerichte. In Sophies Fall wurden die Wohnungen der Täter*innen durchsucht und die Eltern und die Schulleitung informiert. Neben Stress zu Hause und disziplinarischen Maßnahmen in der Schule, beschloss das Gericht unter anderem, dass die beschlagnahmten Handys nicht mehr an ihre Eigentümer zurückgegeben werden. Dönges betonte, dass es gerade bei Cybermobbing wichtig sei, dass auch die Schulen ein Handlungskonzept haben, das die gesamte Schulgemeinde gegenüber Mobbing und Cybermobbing sensibilisiert. Nur so lasse sich Mobbing frühzeitig stoppen und die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen begrenzen.
Für Anne Gladigau von der Jugendförderung der Universitätsstadt Marburg und Holger Marks von der Jugendförderung des Landkreises Marburg-Biedenkopf, die die Mediennetzwerke *klick* und medisa koordinieren, war die Resonanz auf das Angebot überwältigend. Zwischen 60 und 70 Teilnehmer*innen schalteten sich kreisweit zu. Unter ihnen waren auch einige überregionale Interessierte. Vor allem pädagogische Fachkräfte aus der Schulsozialarbeit, von Beratungsstellen, Jugendgruppen und der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit zeigten reges Interesse an der Fortbildung. Aufgrund der großen Nachfrage soll es im Laufe des Frühjahres noch eine Folgeveranstaltung geben.
Weitere Information zu *klick* per E-Mail jugendbildungswerk@marburg-stadt.de und zu medisa per E-Mail medisa@marburg-biedenkopf.de.