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ALLRIS - Auszug

16.08.2011 - 3 Berichterstattung der Sprecher des Fahrgastbeir...

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Wortprotokoll

Bericht von: Michael Herbst, Sprecher des Fahrgastbeirates

 

 

Nach vier Jahren Fahrgastbeirat: Der ÖPNV in Marburg

 

10 Thesen zu Gegenwart und Zukunft

 

 

0. Vorweg:
Der Fahrgast ist simpel: Er will schlicht möglichst immer, möglichst oft, möglichst schnell, möglichst direkt, möglichst komfortabel und möglichst billig von A nach B kommen. Um das zu begreifen, bedarf es keines Fahrgastbeirates zweier LNGen. Es geht um Interessenausgleich im Wege der Bürgerbeteiligung. Das Selbstverständnis des Fahrgastbeirates Marburg/Biedenkopf ist entsprechend das eines halböffentlichen Fachgremiums.

 

Wenigstens so oft, wie sich Anregungen des Fahrgastbeirates an die Planung (LNG) und die Ausführung (SWM) richten müssen, ist der richtige Adressat gerade in Marburg eigentlich die Politik. Deshalb sind wir sehr dankbar dafür, dass Sie mir heute erlauben, mit Ihnen über den ÖPNV in Marburg zu reden. Vielleicht hilft es ihnen bei Ihren politischen Entscheidungen, wenn ich Ihnen an Stelle eines Tätigkeitsberichtes zehn Thesen zu unserem ÖPNV in Gegenwart und Zukunft vorstelle, wie sie aus der Sicht des Fahrgastbeirates zu formulieren sind.

 

Was beobachten wir?

 

1. Das Marburger ÖPNV-Angebot ist erfolgreich: 13 Mio. Fahrgäste jährlich sind für eine Stadt der Größe und vor allem der Siedlungsstruktur Marburgs sehr gut. Knapp 90 % der Fahrgäste erreichen ihr Ziel ohne Umsteigen, ebenfalls ein Spitzenwert. All das belastet den städtischen Haushalt mit lediglich sechsstelligen Beträgen. Man erzählt von 5 - 6 Mio. Euro Gewinnminderung durch den ÖPNV im Querverbund der ehemaligen städtischen Eigenbetriebe. Würde man den ÖPNV einstellen, die Gewinne versteuern und die Haushaltsmittel einsparen, wären 3, eher 4 Millionen mehr in der Kasse. Das ist dann wohl die Größenordnung, die die Stadt für ihre Kernaufgabe der Daseinsvorsorge jährlich investiert. 1 Euro pro gefahrenen Kilometer. Rund 50 Euro pro Einwohner und Jahr. Mit Geld kann man hier umgehen...

 

2. Die ÖPNV-Organisationsstrukturen in Stadt und Kreis könnten unterschiedlicher kaum sein: Hier der von der Politik bezahlte ÖPNV, der von den politisch beaufsichtigten SWM geleistet und per LNG-Geschäftsversorgung geplant und bestellt wird. Also reichlich politische Gestaltungsmöglichkeit. Dort die mittelfristige Linienbündelbestellung des politisch kontrollierten RNV bei der Privatwirtschaft. Die Politik als Schatzmeister. Ein Nummernschild, zwei Organisationsphilosophien...

 

3. Das "was" hui, das "wie" ujujui: Die Fahrzeuge könnten sauberer, die AST komfortabler, das kundenbetreuende Personal professioneller, freundlicher, kompetenter sein. Marketing, gar Imagepflege des ÖPNV ist die Sache der SWM nicht. Jedes einzelne der bis zu sechs Verbotsschilder in den Bussen wirkt wie eine Aufforderung zur Suche nach Mobilitätsalternativen. "You get what you pay for." Spricht man mit Busfahrern, hört man viel über schlechte Bezahlung und ungute Arbeitsbedingungen. Das hat Folgen für die Motivation. Für was auch immer die Marburger Politik ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, die Mitarbeitermotivation gehört anscheinend nicht dazu (vgl. Personalfluktuation bei den MVG)...

 

4. Beim Fahrplan wurden in den vergangenen Jahren viele richtige Schritte getan: Der Umsteigeplan wurde zum Taktfahrplan. Die Tageslinien wurden in den Abend hinein verlängert. Der Schulverkehr wurde (leider nur teilweise) aus dem Taktverkehr herausgenommen. Die stark frequentierten AST-Gebiete im Osten erhalten ein Buslinienangebot, wenn Sie das so entscheiden und das sollten Sie schon deshalb tun, weil man es als Erfolg sehen muss, wenn ein AST-Angebot vorhandene Potentiale so weit erschließt, dass die Verkehre in einem kostengünstigerem Busangebot gebündelt werden können. Das sind alles wesentliche Verbesserungen. Sie waren möglich, obwohl andere Verkehrsträger mit Knüppeln warfen (Vertaktung auf der Main-Weser-Bahn). Allerdings: Alle Bemühungen, für Angebotstransparenz, Merkbarkeit und Alltagstauglichkeit zu sorgen müssen scheitern, wenn mit dem Plan Politik gemacht wird. Einzelfahrtverlegungen und Umwege, die im Nachhinein durchgesetzt werden, sehen bürgernah aus, für wenige - zu Lasten vieler. 2-Stundentakte verheißen Einsparungen, haben aber mit Alltagstauglichkeit nichts gemein. Jede Stadt bekommt den Fahrplan, den sie verdient...

 

5. Die Integration der ÖPNV-Angebote in Stadt und Kreis macht Rückschritte: Fast scheint es als habe sich der Kreis vorgenommen, die Stadtbewohner möglichst wenig von seinem Angebot profitieren zu lassen. Das geht bis zu AST-Angeboten, die Relationen zwischen Kernstadt und Außenstadtteilen explizit ausschließen. Das dumme dabei ist, dass wg. Der Linienbündelsystematik des Kreises ein Umdenken bestenfalls mittelfristig stattfinden kann. Festzuhalten bleibt, man leistet sich hier beiderseits einen groß angelegten Verzicht auf Synergiepotentiale...

 

Was brauchen wir?

 

6. Angebotssicherheit: In der Schweiz regelt ein Gesetz nach Ortsklassen, welche ÖPNV-Bedienung den Bewohnern quantitativ mindestens zusteht (Bedienungszeiten, Taktdichte, Entfernung bis zur nächsten Haltestelle…). Schließlich treffen nicht nur Unternehmen sondern auch Bürger Standortentscheidungen. Könnte man einen solchen Katalog mit möglichst verbindlicher und langfristiger Wirkung, also über den NVP hinaus, nicht auch für Marburg erarbeiten?

 

7. Potentialplanung: Die Fahrgastzählung des Jahres 2008 ist zum Totschlagargument für manch' Angebotsbeschneidung der letzten Jahre geworden. Ganz davon abgesehen, dass man den statistischen Beleg für einzelne Angebotsmodifikationen längst nicht immer bekommt, wenn man nachhakt, wäre dann immer noch zu fragen, welche Schlüsse aus den Zahlen denn tatsächlich zu ziehen sind. Was wir brauchen, ist eine Fahrgastpotentialanalyse. Sollten wir nicht eher fragen, warum ein Angebot nicht angenommen wird, obwohl die Potentiale doch vorhanden sind, bevor wir das Angebot streichen?

 

8. Finanzierungssicherheit: Mit Blick auf den schwierigen Energiemarkt wird im laufenden NVP die Verkehrsleistung des ÖPNV um 8 % reduziert. Qualität und Quantität des ÖPNV werden vom unternehmerischen Geschick des örtlichen Stromanbieters und vom Energieverbrauch seiner Kunden abhängig gemacht. Das erinnert an die als gesundheitspolitische Maßnahme getarnte Ertragsoptimierung durch Tabaksteuererhöhung. Sollten wir nicht besser eine Nahverkehrsabgabe in Marburg einführen, um dieser Abhängigkeit entgegenzuwirken?

 

9. Mehrheitenfahrplan: Schleifen und Umwege in der Linienführung sind oftmals Resultat veröffentlichter Meinung. Vor allem aber sind sie mit Kosten verbunden und was dem einen eine direkte Verbindung schenkt, wird für den anderen zur Geduldsprobe. Sollten wir dem Geld, der Umwelt und den vielen Bürgern, die keine Leserbriefe schreiben können oder wollen, zuliebe nicht hin und wieder Umstiege einplanen?

 

10. LNG-Vereinigung: Langfristig müssen Stadt und Kreis nicht nur die Mittelfristplanung (NVP) wieder gemeinsam durchführen. Sie müssen zu Strukturen kommen, die es ihnen überhaupt erlauben, gemeinsam zu planen. Wäre nicht eine gemeinsame LNG von Stadt und Kreis der vernünftigste Weg?

 

Bedenken Sie bitte stets: Der ÖPNV ist keine lästige Pflichtaufgabe. Er ist nicht nur Verkehrspolitik, Umweltpolitik, Haushaltspolitik, Städteplanung und Infrastrukturförderung. Er ist auch Sozialpolitik. Für mich als Behinderten ist die Frage nach der Alltagstauglichkeit des ÖPNV z.B. gleichbedeutend mit jener sehr existentiellen, inwieweit ich in der Lage bin, am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Nicht nur deshalb werde ich gerne weiterhin an der Verbesserung unseres ÖPNV mitwirken. Sie auch...? 

 

Für Fragen:

Michael Herbst, Auf der Ebert 18, 35041 Marburg, herbst@dvbs-online.de

 

 

Die Vorsitzende des Ausschusses dankt Herrn Herbst für seine Ausführungen.

 

 

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