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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Fraktionsantrag - VO/0351/2021

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Der Magistrat wird schnellstmöglich um einen Bericht zum Stand des o.g. Bauvorhabens und die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

 

  1. Hält sich der Bauantrag zum Bauvorhaben Über der Kirch 9 (Gemarkung Wehrshausen, Flur 5, Flurstück 25/33; Aktenzeichen Bauantrag: BT B 029/2021; Aktenzeichen Bauvoranfrage: VA 16/2019wa) hinsichtlich der zulässigen Grundflächenzahl (GRZ) auch unter Berücksichtigung der Nebenanlage, Zufahrten, Stellplätze, Garagen usw. an die Vorgaben des Bebauungsplans Wehrshausen (BPlan) Nr. 23_01 vom Juni 1970 und der anzuwendenden BauNVO?

 

Wir bitten den Magistrat unter Berücksichtung der vom Bauamt vertretenen Rechtsauffassung um ein eine detaillierte Darlegung der Berechnungsgrundlagen. Darüber hinaus bitten wir den Magistrat mitzuteilen welche Dialogformate (mit dem Bauherren, den Anwohnern und der BI) bereits gewählt wurden und welche noch in Planung sind, bevor möglicherweise politische oder baurechtliche Fakten geschaffen werden.

 

  1. Welche Auswirkungen erwartet der Magistrat wegen der geplanten intensiven Versiegelung des Baugrundstücks auf die Kanalisation im Hinblick auf den Klimawandel zu erwartenden in Menge und Intensität zunehmenden Starkregenereignissen - insbesondere auf die hangabwärts gelegenen Grundstücke Zur Hege? Sind strengere Anforderungen im Rahmen der Baugenehmigung zur Drosselung der Ableitung von Niederschlagswasser vorgesehen? Welche Kapazitäten besitzen die vorhandenen Kanäle und können diese das durch das vorgesesehen Bauvorhaben entstehende Schmutz- und Oberflächenwasser noch aufnehmen? Falls nein, wer muss für die Ertüchtigung der Kanäle bezahlen?

 

  1. Wie beurteilt der Magistrat die Einhaltung der im BPlan festgesetzten Geschossflächenzahl (GFZ) durch das vorgesehene Bauvorhaben - insbesondere im Hinblick auf nicht nachvollziehbare Berechnungen im Bauantrag und Widersprüche zwischen der Bauvoranfrage und dem Bauantrag?

 

  1. Ist es richtig, dass der Magistrat in der Vergangenheit für die in unmittelbarer Nähe unter dem Baugrundstück Über der Kirch 9 gelegene Liegenschaft „Zur Hege 17" die Entscheidung getroffen hat, das Untergeschoss als Vollgeschoss einzustufen und mit diesem Argument eine höhere Bebauungsdichte abgelehnt hatte? Wenn ja, müsste auch beim darüberliegenden geplanten Projekt Über der Kirch 9 das Untergeschoss aus Gleichbehandlungsgründen als Vollgeschoss gezählt werden?

 

  1. Wird der Magistrat die Überbauung der im BPlan als nicht überbaubare Grundstücksflächen mit Kfz-Stellplätzen zulassen? Erachtet der Magistrat den Antrag zur Überbauung der westlich und südwestlich auf dem Baugrundstück gelegenen nicht überbaubaren Grundstücksflächen mit Stellplätzen als mit dem BPlan vereinbar?

 

  1. Wie beurteilt der Magistrat naturschutzfachliche Belange auf den laut BPlan im westlichen und südwestlichen Bereich des Baugrundstücks festgesetzten nicht überbaubaren Grundstücksflächen? Wird der Magistrat auf einen Erhalt dieser nicht überbaubaren Grundstücksfläche drängen und möglicherweise sogar eine Biotopvernetzung prüfen?

 

  1. Gibt es einen Anspruch auf eine Erschließung eines Baugrundstücks von zwei Straßen gleichzeitig und gibt es außerdem einen Anspruch auf Anbau an eine öffentliche Straße über eine Strecke von gut 40 Metern?

 

  1. Wenn der Magistrat zum Ergebnis kommen sollte, dass der Bauantrag zum Vorhaben Über der Kirch 9 gegen Normen des BPlan verstößt, ist an die Zulassung einer Ausnahme oder Befreiung gedacht?

 

  1. Unterstellt, der Magistrat kommt zum Ergebnis, die Baugenehmigung für das Vorhaben über der Kirch 9 zu erteilen: Sieht der Magistrat eine Vorbildfunktion dieses Projektes für die Nachverdichtung benachbarter oder umliegender Grundstücke? Wenn ja, beurteilt der Magistrat die Nachverdichtung eines Stadtteils, dessen Möglichkeiten zur Erschließung durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nahezu ausgeschöpft sind, als sinnvoll?

 

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Begründung

Vorbemerkung:

Im Stadtteil Wehrshausen gibt es derzeit erhebliche Unruhe, weil ein Investor Wohnungsbau als Großvorhaben mit einer für den Stadttteil unüblichen Anzahl von zwölf Wohneinheiten plant; wir verweisen auf die Berichterstattung der Oberhessischen Presse vom 18. Juni 2021, vom 28. Juni 2021 und vom 21. Juli 2021. Durch das Vorhaben soll das genannte Grundstück großflächig versiegelt werden und die beiden geplanten Gebäude erwecken - mit Blickrichtung auf die Hanglage - den Eindruck der Viergeschossigkeit, was in Bezug auf die Nachbarbebauung ebenfalls unüblich ist. Die Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils fürchten durch eine den Intentionen des Bebauungsplans Nr. 23_01 nicht mehr entsprechende Nachverdichtung eine Beeinträchtigung des Ortsbilds - neben den enstehenden Verkehrsproblemen und Fragen der Entwässerung.

 

Für die CDU/FDP Fraktion ist die Frage wichtig, ob die Bestimmungen des BPlans und die einschlägigen bauplanungsrechtlichen Normen eingehalten werden. Ein BPlan ist eine Satzung und es ist eine Verpflichtung der Stadtparlamentarier, auf die Einhaltung von Satzungs- und Gesetzesrecht zu achten, damit sichergestellt wird, dass die Stadtverwaltung im Einklang mit der Rechtslage vom Magistrat geführt wird.

 

Zu 1. In der Bürgerversammlung in Elnhausen vom 05. Juli 2021 wurde von Seiten der Bauverwaltung unter Hinweis auf eine GRZ von 0,22 die Behauptung aufgestellt, das Bauvorhaben füge sich in dieser Hinsicht in die Vorgaben des BPlans ein und sei daher insoweit rechtens. Nach einer eingehenden Überprüfung dieser Aussage durch die BI-Wehrshausen wird die vom Magistrat in der Bürgerversammlung genannte GRZ schon allein durch die beiden Baukörper ausgeschöpft. Die ansonsten geplante großflächige Versiegelung durch Zufahrten, Zuwege, Nebenanlagen, Stellplätze und Garagen der Liegenschaft wurde in die Berechnung offenbar überhaupt nicht einbezogen. Die CDU/FDP Fraktion möchte wissen, wie der Magistrat die Rechtslage einschätzt und bittet - wie oben beantragt - um eine konkrete, detaillierte Darlegung der Berechnungsgrundlagen.

 

Zu 2. Wie oben unter Zu 1. dargelegt wurde, ist eine großflächige Versiegelung des Baugrundstücks Über der Kirch 9 geplant. Denn neben den beiden Wohnbau-Großvorhaben soll noch Grund und Boden für 24 Stellplätze, bzw. Garagen, Zuwegungen und Zufahrten versiegelt werden. Die Grundstücke der Straße Über der Kirch sind gegenüber der Straße Zur Hege stark abschüssig. Demzufolge fließen Niederschläge schnell und massiv nach unten und belasten die unten liegenden Kanäle in den Straßen Zur Hege und Zur Kalkkaute. Es sind im gesamten Kanalnetz Wehrshausens nur 30iger Abflussrohre vorhanden, die kaum ausreichend sein dürften. Letztes Beispiel: Ein etwa 15minütiger Starkregen am 9. Juli ca. 18.00 Uhr. Nach kürzester Regenzeit wurden die drei schweren Kanaldeckel an der Grundstücksgrenze „Zur Kalkkaute 16" herausgeworfen. Folglich sind bereits jetzt die Kanäle bei Starkregenereignissen derart überlastet, dass der Druck innerhalb der Kanalisation die Kanaldeckel herausdrückt und benachbarte Grundstücke überschwemmt werden. Diese Zustände sind dem Stadtbauamt von Nachbarn unter Beweisführung durch Fotos gemeldet und unter dem Geschäftszeichen 02/FBL 6 ru/ba aktenkundig geworden. Im Zuge der Überschwemmungsereignisse und sogar -katastrophen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfahlen und im hessischen Büdingen wurde als Prognose abgegeben, dass sich Überflutungen in Art und Stärke künftig häufen. Dann stellt sich die Frage, ob die üblichen Vorgaben für Bauvorhaben zur gedrosselten Rückhaltung von Niederschlägen im vorliegenden Falle ausreichend sind oder ob strengere Anforderungen vom Stadtbauamt gestellt werden müssten. Damit stellen sich weitere Fragen nach den Kosten für eine eventuelle Ertüchtigung des Kanalnetzes und ob es trotz der geplanten großflächigen Versiegelung des Baugrundstücks Über der Kirch 9 möglich ist, durch bauliche Vorkehrungen das Niederschlagswasser zu drosseln.

 

Zu 3. In der genannten Bürgerversammlung wurde von der städtischen Bauverwaltung die Aussage getroffen, die im BPlan vorgesehene GFZ hielte sich genau innerhalb der Vorgaben des BPlans. Nach unsereren Informationen fehlen in der Berechnung des Architekten in Bezug auf das Staffelgeschoss nachvollziebare Erläuterungen, wie die maßgeblichen Außenmaße berechnet und welche Aufenthaltsräume in die Berechnungen einbezogen wurden. In der Bauvoranfrage wurde im Staffelgeschoss ein 2,31m * 3,65m großer Raum mit „Gast/Büro“, also als für die GFZ anzurechnender Aufenthaltsraum, bezeichnet. Im Bauantrag gibt es diesen Raum immer noch, der aber nunmehr als „Hauswirtschaftsraum“ deklariert wird, also keine Aufenthaltsfunktion besitzt und deshalb auf die GFZ nicht angerechnet wird. Im Bauantrag werden bei der Berechnung der Fläche des Staffelgeschosses in insgesamt elf Positionen Abschläge von der qm-Zahl vorgenommen, wobei die Begründungen fehlen, warum diese Abschläge überhaupt zulässig vorgenommen werden können. die Vorgaben des BPlan eingehalten werden, nicht im Zuge der Realisierung des Bauvorhabens gegen die Normen des BPlan verstoßen wird.

 

Zu 4. Wenn es richtig ist, dass in dem Wehrshäuser Baugebiet die Untergeschosse als Vollgeschosse gezählt werden, dürfe die geplante Geschossigkeit des Bauvorhabens Über der Kirch 9 gegen den BPlan verstoßen.

 

Zu 5. Südwestlich und westlich im Baugrundstück Über der Kirch 9 sind angrenzend und im gesamten Verlauf der „Hege“ nicht überbaubare Grundstücksflächen durch den BPlan festgesetzt und durch eine Baugrenze klar definiert. Dennoch möchten die Investoren entlang der gesamten Straße Zur Hege 16 Stellplätze bauen, so dass nahezu der gesamte als nicht überbaubare Grundstücksfläche Bereich versiegelt werden würde. Wir möchten vom Magistrat wissen, ob er die Überplanung dieser Fläche für rechtens und mit dem BPlan als vereinbar erachtet.

 

Zu 6. Bei dem unter Zu 4. genannten Teilbereich des Baugrundstücks handelt es sich um eine Hanglage in Südwest-Ausrichtung. Eine solche ist für die Flora - und damit auch für die den Bereich besiedelte Fauna - günstige Situation. Dem Bauamt und der unteren Naturschutzbehörde der Stadt Marburg ist das Vorkommen von Wildbienen und Hirschkäfern im Bereich der nicht überbaubaren Grundstücksfläche, als auch auf dem Baugrundstück selbst und ebenso auf den benachbarten Grundstücken bekannt.  Deshalb würden sich Maßnahmen gem. §§ 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 15 BNatSchG i.V.m. § 17 Abs. 3 BNatSchG anbieten. Denn Hirschkäfer sind geschützte Arten und wenn diese auch in dem nach BPlan nicht überbaubaren Geländestreifen siedeln, dürfte die Fläche nicht mehr versiegelt werden, sondern müsste gem. §§ 31 ff BNatSchG i.V.m. RiLi 92/43/EWG Art. 1 Anhang II Abschn. Wirbellose Tiere / Gliederfüßler / Insecta i.V.m. Art. 3 Abs. 1 RiLi 92/43/EWG als nicht überbaubare Grundstücksfläche erhalten und mit anderen Grünbereichen vernetzt werden.

 

Zu 7. Das Baugrundstück Über der Kirch 9 wird derzeit über diese Straße erschlossen. Der Abzweig von der Straße Über der Kirch zum Baugrundstück ist im BPlan klar erkennbar und diese Situation ist auch an Ort und Stelle anzutreffen. Eine Erschließung über die Straße Zur Hege gibt es nicht. Dennoch sieht die Baugenehmigungsplanung nach bisherigem Stand vor, dass das Grundstück von zwei Seiten erschlossen wird: Acht Stellplätze sollen von der Straße Über der Kirch und 16 Stellplätze sollen über die Straße Zur Hege angedient werden. Diese 16 Stellplätze sind in einer Reihe als direkter Anbau an die Straße Zur Hege im Bauantrag eingezeichnet - in der nicht überbaubaren Grundstücksfläche, wie unter Zu 4. und Zu 5. dargelegt wurde. Fast 40 m Straßenraum würden daher privatnützig in Anspruch genommen. Wenn den Investoren dieses Anbaumöglichkeit eingeräumt werden würde, könnte der Straßenraum über die genannte Länge nie mehr wieder für andere Zwecke vorgesehen werden.

 

Zu 8. Das Baugesetzbuch lässt unter bestimmten Umständen Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zu. Im vorliegenden Fall der Bauantragstellung zum Vorhaben Über der Kirch 9 spricht viel dafür, dass das geplante Projekt nicht in den BPlan passt. Wenn der Magistrat dennoch eine Baugenehmigung erteilen möchte, müsste er mit Ausnahmen und Befreiungen arbeiten. Sollte das gewollt sein, würde die CDU/FDP Fraktion gerne die rechtlichen Grundlagen und Argumente für die Anwendung dieser bauplanungsrechtlichen Instrumentarien kennenlernen.

 

Zu 9. Wenn der Magistrat dem Bauvorhaben Über der Kirch 9 trotz aller tatsächlichen und rechtlichen Bedenken eine Baugenehmigung erteilten möchte, hätte das Vorbildwirkung für den gesamten Stadtteil und möglicherweise sogar über den Stadtteil Wehrshausen hinaus. Bei dem Vorhaben über der Kirch 9 sind 24 Stellplätze vorgeschrieben. Nach den bisherigen Erfahrungen dürften diese Stellplätze auch mit neu hinzukommenden Fahrzeugen belegt werden. Bei veranschlagten 2,5 Fahrten pro Tag und pro Fahrzeug kommen 60 zusätzliche Fahrten zu den geschätzten täglichen rund 230 Fahrten der Straßen Zur Hege und Über der Kirch hinzu. Der Stadtteil Wehrshausen ist wie die Stadtteile Elnhausen, Dagobertshausen und Dilschhausen im Wesentlichen über die Buslinie 16 erschlossen. Diese Linie wird mit Mini- und Midibussen im Stundentakt betrieben, weil der Rotenberg eine Verdichtung der Linien und die Verwendung größerer Fahrzeuge nicht zulässt. Eine Nachverdichtung nach dem Vorbild des Bauvorhabens über der Kirch 9 in den genannten westlichen Stadtteilen hätte zur Folge, dass der Kraftfahrzeugverkehr entsprechend zunimmt, ohne dass der ÖPNV wesentlich zur Entlastung der Straßen durch den Individualverkehr beitragen könnte. Die Folge ist zwangsläufig, dass die Kraftfahrzeugdichte u.a. in Wehrshausen auf innerörtlichen Straßen zunimmt, die für diese Be- und Auslastung nie geplant oder gedacht waren.

 

Jens Seipp Hermann Heck Michael Selinka

 

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