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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Kenntnisnahme - VO/0483/2022

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

 Der Sachstandsbericht wird zur Kenntnis genommen.

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Sachverhalt

Mit Beschluss vom 14.10.2016 hat die Stadtverordnetenversammlung für die Universitätsstadt Marburg eine Quotenregelung für den geförderten Wohnungsbau in Höhe von 20 % bei Vorhaben über 20 Wohneinheiten (WE) beschlossen. Diese sog. Sozialquote hat in den vergangenen Jahren erste Erfolge gezeigt. Durch die Beschränkung auf Flächen mit neuem Bebauungsplan und die zeitliche Nähe zum Inkrafttreten wird die Wirkung häufig als zwar vorhanden aber noch begrenzt wahrgenommen. Mit Beschluss vom 25.06.2021 hat die Stadtverordnetenver-sammlung den Magistrat deshalb beauftragt zu prüfen,

  1. ob die Sozialquote auf 30 % erhöht werden und bereits bei Vorhaben > 10 WE greifen könne. Darüber hinaus solle geprüft werden,
  2. ob eine zusätzlich an die Quadratmeterzahl gebundene Regelung zielführender sei, als die Orientierung an der Zahl der Wohneinheiten.

 

Zu a): Wie unten detailliert aufgeführt, hat sich in Marburg die Situation für Wohnungssuchende im Wohnungsmarktsegment des geförderten Wohnungsbaus seit 2016 -  dem Zeitpunkt der Einführung der Quotenregelung - zwar zunächst bis 2020 tendenziell entspannt, spätestens seit der Corona-Pandemie jedoch wieder verschärft. Einen Ansatzpunkt zur  Steigerung des Angebotes geförderter Wohnungen bietet die Quotenregelung, die ausschließlich im Rahmen neu aufgestellter Bebauungspläne Anwendung findet.

Zu b): Bisher ist sowohl die Zahl der Wohneinheiten als auch die Bruttogeschoßfläche maßgeblich für die Bemessung der Quotenhöhe. Als wesentliche Stellschraube hat sich bisher die Zahl der Wohneinheiten erwiesen; die Flankierung durch die Bruttogeschoßfläche diente in Einzelfällen der Klarstellung. Die Einschätzung, dass eine primäre Orientierung an der „Quadratmeterzahl“ zielführender sei, wird nicht geteilt.

Eine Erhöhung der Quote stünde daher nicht im Widerspruch zur Wohnungsmarktent-wicklung der letzten 5 Jahre.

Eine gesonderte Vorlage zur „rechtssicheren Umsetzung“ [Beschluss vom 25.06.2021] der Erhöhung der Quote und der Bezugsgröße „≥ 10 WE“ soll noch im 1. Halbjahr 2022 zum Beschluss vorgelegt werden.

Der zweite Teil des Prüfauftrags zielt darauf ab zu klären, ob diese Quote vor dem Hintergrund   der erweiterten Möglichkeiten des Baulandmobilisierungsgesetzes vom 23.06.2021 auch auf Vorhaben im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB Anwendung finden kann. Einschlägig ist bei dieser Fragestellung der neu in das Baugesetzbuch (BauGB) aufgenommene § 9 Abs. 2d BauGB. Da bei Anwendung dieses Paragraphen die Nutzungsmöglichkeiten der jeweils betroffenen Grundstücke im unbeplanten Innenbereich im Zusammenhang mit der zwingenden Vorgabe der Realisierung sozialgebundenen Wohnraums bei Vorhaben > 10 Wohneinheiten in gewissem Umfang eingeschränkt würden, bedarf es deshalb einer sorgfältigen und umfassenden Auseinandersetzung mit dem Gesetzestext.

Städtebauliche Erfordernis:

Bei Erfüllung des zweiten Teils des Prüfauftrages steht zunächst die Frage des Planerfordernisses bzw. die städtebauliche Notwendigkeit, um bauleitplanerisch tätig zu werden im Vordergrund. In diesem Zusammenhang kann zum einem auf das Wohnraumversorgungskonzept von 2015 zurückgegriffen werden, welches den Mangel an preiswerten Wohnraum selbst bis zum aktuellen Stand ausreichend beschreiben dürfte: Der zusätzliche Wohnraumbedarf im Segment des geförderten Wohnungsbaus lag gemäß Prognose in 2015 bei ca. 700-800 WE bis 2020. Dabei wurde davon ausgegangen, dass dieser Bedarf - räumlich betrachtet - sowohl im Bereich der Kernstadt als auch in den Außenstadtteilen gedeckt werden kann; ohne Unterscheidung der planungsrechtlichen Gebietskategorie (§§ 30, 34, 35 BauGB).

Aus heutiger Sicht ist festzuhalten, dass es möglicherweise gegenüber dem Prognosehorizont 2020 einen Nachholbedarf geben könnte, da sich statistisch nicht exakt nachvollziehen lässt, ob im Prognosezeitraum die anvisierten 700-800 WE im geförderten Wohnungsbau tatsächlich realisiert wurden. Festzuhalten ist lediglich, dass zwischen 2013 und 2020 rund 4.000 neue Wohnungen in Marburg gebaut wurden, darunter die relevante dreistellige, gleichwohl nicht genau zu beziffernde Zahl an Sozialwohnungen. Anhand der Zahl wohnungssuchender Haushalte lässt sich ein spürbarer Rückgang der Nachfrage nach Sozialwohnungen bis 2020 verdeutlichen – möglicherweise durch den Zubau der nicht unerheblichen Zahl „geförderter Wohnungen“ im Verbund mit den sog. „Sickereffekten“ in Folge der hohen Neubauquote. Weiter verschärft hat sich die Nachfragesituation für das Marktsegment des „geförderten“ Wohnungsbaus auf dem örtlichen Wohnungsmarkt mit Beginn der Pandemie (Auskunft FD 55: 1.158 wohnungs-suchende Haushalte (Stand 11/2021) gegenüber dem Zeitraum 2015-2020 mit durchschnittlich 920 wohnungssuchenden Haushalten [Universitätsstadt Marburg: Sozialberichterstattung 2021].

Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich im Zeitraum 01.2014 - 12.2021 der Gesamtbestand der Wohneinheiten mit Sozialbindung von 2.394 WE [InWis-Studie, S. 50] auf 2.239 [Auskunft FD 55] durch Auslaufen der Sozialbindung rein formal verringert hat - allerdings muss an gleicher Stelle unterstrichen werden, dass zumindest in der Universitätsstadt Marburg „Auslaufen der Sozialbindung“ nicht mit „Mieterhöhung“ gleichzusetzen ist, da einerseits der überwiegende Anteil der betroffenen Wohnungen im Eigentum der GeWoBau ist und diese nach dem formalen Ende der Sozialbindung regelmäßig keine außerordentlichen Mieterhöhungen durchführt und zum anderen der Mietanstieg ehemals geförderter Wohnungen per Bundesgesetz besonders reglementiert ist.

Schließlich ist in der Hessischen Verordnung zur Bestimmung des Geltungsbereichs der bundesrechtlichen Mieterschutzvorschriften (Mieterschutz-verordnung - MiSchuV), vom 18.11.2020 die Universitätsstadt Marburg explizit als „Gebiet(e) mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556d Abs. 2 Satz 2, § 558 Abs. 3 Satz 2 und § 577a Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ aufgelistet.

Mit anderen Worten: die gemäß § 1 (3) BauGB notwendige Erforderlichkeit bauleitplanerisch zu handeln, dürfte damit - weiterhin - gegeben sein.

Potential:

Die sorgfältige und gleichzeitig aufwändige Aufarbeitung des Potentials auf Ebene der Gesamtstadt hätte zu viele personelle Ressourcen im FD 61 gebunden; demzufolge wurde eine nach Stadtteilen strukturierte Vorgehensweise gewählt.

Exemplarisch wurde im ersten Schritt deshalb der Stadtteil Cappel analysiert: u. a. nach Lage der „unbeplanten Innenbereiche“ gemäß § 34 BauGB, die a) grundsätzlich für eine - in Anlehnung an den Gesetzestext - Wohnbebauung in Frage kommen und b) aufbereitet wieviel Baulücken in diesen Gebieten liegen, die Potential für voraussichtlich mehr als 10 WE bieten. Anhand des untersuchten Stadtteils lässt sich konstatieren, dass das Potential für Vorhaben

> 10 WE in der „klassischen Baulücke“ (= unbebautes Grundstück) im unbeplanten Innenbereich zumindest im Stadtteil Cappel sehr gering ausfällt.

Die Methodik und detaillierte Inhalte der Gebietsanalyse sind der Anlage (Präsentation) zu entnehmen.

Planungsrecht:

Nach der Ermittlung des Potentials wird im folgenden Schritt der rechtliche Rahmen des § 9  Abs. 2d BauGB eingehender betrachtet:

„Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile 34) können in einem Bebauungsplan zur  Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

 

  1. Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;

(für den Stadtteil Cappel bereits erledigt)

 

  1. Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder

(da lediglich „bauliche Voraussetzungen“ als Ziel genannt sind, bleiben Fragen der Realisierung offen; auch die Kostenverteilung bzw. Kostenübernahme bliebe offen).

 

  1. Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.

(Die Anwendung dieses Punktes böte für das Plangebiet die generelle Möglichkeit im Rahmen städtebaulicher Verträge für eine zielorientierte Festsetzung. Allerdings muss im Zusammenhang der Einhaltung der Verpflichtung zur Miet- und Belegungsbindung an dieser Stelle betont werden, dass die jeweilige Gemeinde die organisatorischen Voraussetzungen zur Gewährleistung der Umsetzung mindestens innerhalb des   Bindungszeitraums geschaffen haben sollte.)

 

Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31.12.2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Abs. 1 ist bis zum Ablauf des 31.12.2026 zu fassen.“

(Auch, wenn bis Ende 2024 Zeit für den Aufstellungsbeschluss wäre, sollten bereits in 2022 die Entscheidungsgrundlagen zur Beschlussvorlage für einen entsprechenden Bebauungsplan vorliegen).

Organisatorische Begleitmaßnahmen:

Die Erfahrungen der letzten Jahre mit der Realisierung von Sozialwohnungen im Zusammenhang mit Bauleitplänen macht deutlich, dass das Zusammenspiel von Planung, Umsetzung und Belegung verbessert werden kann. Dementsprechend sollte nicht nur wegen  der rechtlichen Vorgabe „(…) die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird“ (§ 9 Abs. 2d BauGB) der Verwaltungsprozess zwischen den beteiligten Fachdiensten (55, 61, 63) so ausgestaltet sein, dass vom Zeitpunkt der Bauantragsstellung an, die zielgerichtete Belegung der jeweiligen Wohneinheiten sichergestellt ist. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt der Baufertigstellung an den FD 55 unmittelbar zu kommunizieren, damit die unverzügliche Belegung der Wohnungen mit den jeweiligen Berechtigten gewährleistet ist.

Schließlich, und das zeigt die offene Frage nach den tatsächlich fertiggestellten Sozialwohnungen im Zeitraum 2015-2020, könnte die kommunale statistische Erfassung auf  diesen Sachverhalt ausgedehnt werden.

Alternativen:

Die Anwendung der Sozialquote nicht mehr nur auf neue Bauleitplanungen zu beschränken, sondern auf die unbeplanten Innenbereiche auszuweiten, führt letztendlich zu einer Angleichung der rechtlichen Verhältnisse zwischen diesen beiden Planungsrechtskategorien. Allerdings kann die Frage des Aufwands-/Er-tragsverhältnis, sollte die Sozialquote auf die unbeplanten Innenbereiche gemäß    § 9 Abs. 2d BauGB zur Anwendung kommen, noch nicht endgültig beantwortet werden. Vor diesem Hintergrund müssen in den nächsten Monaten noch  weitere Gebiete in unterschiedlichen Stadtteilen eingehender analysiert werden.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch auch, dass in älteren Bebauungsplan-gebieten mit teilweise sehr großzügigen Festsetzungsmöglichkeiten und demgegenüber bescheidenen Ausnutzungsgraden, ein wesentlich höheres Nachverdichtungspotential - auch für Vorhaben > 10 WE (Musterbeispiel Wehrshausen) - liegt, als in den „34er-Gebieten“; diese wurden gerade in den letzten Jahren intensiv nachverdichtet. Der FD 61 prüft deshalb auch die Frage,  ob diese älteren Bebauungspläne mittels „einfachen“ Bebauungsplans mit dem alleinigen Regelungsinhalt der anzuwendenden Sozialquote bei Vorhaben > 10 WE zu ergänzen wären.

Fazit:

Das Potential für Wohnvorhaben > 10 WE im unbeplanten Innenbereich ist vermutlich überschaubar; gleichwohl würde die Ausdehnung der Sozialquote auf den „unbeplanten Innenbereich“ (§ 34 BauGB) zu einer Gleichbehandlung größerer Neubauvorhaben mit den Vorhaben in den neuen Bebauungsplangebieten führen. Das vermutlich größte Potential an Wohnungsbauvorhaben mit mehr als 10 WE liegt in den älteren Bebauungsplangebieten, wo sich aus der jüngeren Vergangenheit eine Vielzahl von Beispielen anführen ließe.

Die Vorlage zum Grundsatzbeschluss zur Erhöhung der Quote wird noch vor Satzungsbeschluss des nächsten Bebauungsplans für die Bereitstellung von Wohnraum    erstellt. Die Vorlage zur Anwendung der sozialen Wohnraumquote im unbeplanten Innenbereich soll nach Aufbereitung der Potentiale gegen Mitte 2022 zur Entscheidung     vorliegen.

 

 

 

Dr. Thomas Spies

Oberbürgermeister

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Finanz. Auswirkung

Keine

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