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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Antrag der SPD-Fraktion - VO/0376/2001

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

 

·        Die Stadt Marburg erkennt an, dass den Zwangsarbeitern/innen (Zivilisten/innen wie Kriegsgefangenen), die während der NS-Diktatur in Marburg und den heute zur Stadt Marburg gehörenden Stadtteilen eingesetzt wurden, Unrecht geschehen ist.

·        Zur qualitativen und quantitativen Erforschung von Zwangsarbeit während der NS-Zeit auf dem Gebiet der heutigen Stadt Marburg werden Sach- und Personalkosten für eine wissenschaftliche Angestellte (BAT III, Vollzeit) für den Zeitraum von zwei Jahren sowie für eine ABM-Stelle zur Verfügung gestellt.

·        Die Ergebnisse sollen in einer detaillierten Gesamtdarstellung in den Stadtschriften veröffentlicht und die zusammengetragenen Materialien allgemein zugänglich gemacht werden.

·        Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 27. Oktober 2000 über einen öffentlichen Aufruf an die Marburger Bürgerinnen und Bürger sowie Institutionen und Unternehmen bezüglich mündlicher und gegenständlicher Überlieferungen zur Zwangsarbeit in Marburg soll sobald wie möglich umgesetzt werden.

·        Die Stadt Marburg wird sich bemühen, mit noch lebenden Zwangsarbeiter/innen aus Ost-, Süd- und Westeuropa in Kontakt zu treten, um

-          Berichte von Betroffenen aus ihrer Zeit in Marburg zu erbitten,

-          ihnen eine Einladung zu einem Besuch in der Stadt Marburg vorschlagen zu können sowie

-          Möglichkeiten im Rahmen persönlicher Hilfeleistungen (Medikamente, Heilmittel, Verbesserungen der Lebensbedingungen, ggf. auch monetäre Unterstützung etc.) in Erfahrung zu bringen.

 

 

 

 

·        Die Stadt Marburg fordert Marburger Unternehmen, die während des zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter/innen eingesetzt hatten, auf – falls noch nicht geschehen – dem Entschädigungsfonds der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (Stiftungsgesetz in Kraft getreten am 12.8.2000 – BGBl. I S. 1263) beizutreten.

Zur Unterstützung und Koordinierung der Forschungen zur Zwangsarbeit in Marburg soll für die Dauer der Maßnahmen ein Beirat unter der Leitung des Stadtverordnetenvorstehers gebildet werden, dem neben Vertretern des Stadtparlaments, dem Stadtarchivar und der Geschichtswerkstatt Marburg e.V. nach Möglichkeit auch die Universität angehören soll.

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Sachverhalt

Begründung:

 

Durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom März 2000 wurden Mittel bereitgestellt, um die Erforschung des Themas „Zwangsarbeit von Ausländern in Marburg” zu ermöglichen. Die Geschichtswerkstatt Marburg suchte in Stadtarchiv, Staatsarchiv und mehreren städtischen Ämtern in Akten und Karteien nach Namen und Daten von Zwangsarbeitern. Erste Ergebnisse wurden in einer Datenbank zusammengetragen. und in einer Bürgerversammlung vorgestellt. Eine Broschüre, zu der auch die Philipps-Universität einen Beitrag beisteuerte, erschien in einer Kleinauflage und stieß auf großes Interesse.

 

Die Arbeit der Geschichtswerkstatt konnte nur einen ersten Einblick in den Komplex Zwangsarbeit geben. Viele Archivalien des Stadtarchivs und des Staatsarchivs sind nur überschlägig ausgewertet. Unberücksichtigt blieben bislang die Unterlagen anderer Organisationen (u.a. Verwaltungsdienst­stellen, Amtsgericht, Militärgericht, Allgemeine Ortskrankenkasse, Stadtwerke, Industrie- und Hand­werksbetriebe, Industrie- und Handelskammer, Diakonie, Universität, Internationaler Suchdienst und der Gedenkstätte Breitenau). Auch der schon erfasste Namenbestand muss noch einmal bearbeitet werden (Kontrolle der Eintragungen; Plausibilitätsprüfungen, um Doppelungen auszuschließen; Identifikation von Orten und Zuordnung zu modernen Ver­waltungseinheiten). Die Fotosammlungen wären systematisch durchzusehen.

 

Zeitzeugen sind noch nicht systematisch ermittelt und befragt. Zu diesen zählen an erster Stelle die Opfer. Bevor überlebende Zwangsarbeiter befragt werden können, müssen sie ausfindig gemacht werden (s.u.).

 

Ein öffentlicher Aufruf des Stadtverordnetenvorstehers soll die Marburger Bevölkerung bitten, persönliche Dokumente wie Fotos, Briefe und Schriftstücke dem Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen und durch die Schilderung eigenen Erlebens neue Gesichtspunkte über die damaligen Geschehnisse beizutragen. Dazu gehört der Aufruf an Marburger Institutionen und Firmen, einen Beitrag zur Erforschung der eigenen Geschichte zu leisten bzw. Materialien zur Verfügung zu stellen.

 

Nur eine gründliche wissenschaftliche Erforschung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Zwangs­arbeiter/innen in Marburg kann die bisherige Datenbasis verbessern und diesen Teil der Marburger Geschichte aufhellen. Es sollten dabei alle Formen von Zwangsarbeit berücksichtigt werden, also auch

diejenigen, die das Stiftungsgesetz für den Leistungsbezug nicht vorsieht.

 

Die Darstellung des Komplexes Zwangsarbeit soll in eine umfassende wissenschaftliche Publikation münden. Hier wären nicht nur Zahlen zu nennen sowie Daten und Wohn- und Einsatzorte zu belegen, sondern es müßte das institutionelle und organisatorische System der Zwangsarbeit in Lagern und Betrieben geschildert werden. Die Darstellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, soweit sie noch rekonstruierbar sind, und die Erfahrungen Marburger Bürger wären zu thematisieren. Bildmaterial ist eine wichtige Ergänzung des Textes.

 

Nur wenige der betroffenen Personen haben sich bisher direkt an die Stadt Marburg gewandt. Von den bislang namentlich bekannten ca. 1700 Zwangsarbeitern ist uns z.Zt. bei drei Personen der jetzige Auf­enthaltsort bekannt. Auf Initiative von Walter Bernsdorff (Geschichtswerkstatt Marburg) ist ein persön­licher Kontakt zur polnischen Stiftung in Posen geknüpft worden. Dieser Stiftung wie auch der Haupt­stelle in Warschau hat das Stadtarchiv eine von der Geschichtswerkstatt erarbeitete Liste aller 272 namentlich bekannter polnischen Zwangsarbeiter einschließlich der regionalen Zuordnung der Herkunftsorte übersandt. Wolfgang Form (Geschichtswerkstatt Marburg) erhielt von der russischen Zwangsarbeiterorganisation „Memorial” (Moskau) eine Liste von mehr als 60 Zwangsarbeitern aus Stadt und Landkreis Marburg mit den heutigen Wohnadressen übermittelt. Demnach besteht berechtigte Hoffnung, daß noch nicht alle ehemaligen Zwangsarbeiter/innen verstorben sind. Die Kontaktaufnahme mit derartigen Organisationen in u.a. der Ukraine, Rußland, Frankreich den BeNeLux-Staaten und Italien ist aber ein Weg, etwas über die Gegenwart der ehemaligen Zwangsarbeiter zu erfahren.

 

Bezüglich des Entschädigungsfonds beschloß das Präsidium des Deutschen Städtetages am 20. September 2000: „(Es) empfiehlt das Präsidium den Mitgliedsstädten, die einen Beitrag für ehemalige Zwangsarbeiter leisten wollen, weiterhin vor allem Erinnerungs- und Bildungsarbeit zur Geschichte der Zwangsarbeit in Deutschland zu betreiben und die Betreffenden insbesondere beim Nachweis von Zwangsarbeit zu unterstützen. Finanzielle Mittel sollten vorrangig zu gezielten humanitären Hilfsmaßnahmen, insbesondere zu Besuchsprogrammen vor Ort, verwandt werden.“

Vor dem Hintergrund der Anerkennung der moralischen Schuld auch der Stadt Marburg soll der Kontakt zu ehemaligen Zwangsarbeitern einerseits die Möglichkeiten zu einem Besuch in Marburg unter anderen Bedingungen und andererseits notwendige Erleichterung der heutigen Situation der ehemaligen Zwangsarbeiter sicherstellen. So wird die Anerkennung der moralischen Schuld glaubwürdig und transparent. So kann darüber hinaus ein aktiver Ansatz für das Zusammenwachsen Europas über die Grenzen der Europäischen Union hinaus verfolgt werden.

 

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß sich nicht nur die Stadt Marburg zu ihrer Geschichte bekennt, sondern auch nach Möglichkeiten sucht, auch diejenigen Institutionen und Unternehmen zur finanziellen Unterstützung des Entschädigungsfonds zu bewegen, die sich bisher nicht hierzu entschlossen haben.

 

 

 

 

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Finanz. Auswirkung

 

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