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Ratsinformation
Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers. - VO/0333/2005
Grunddaten
- Betreff:
-
Baulandentwicklung - Grundsatzbeschluss
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers.
- Federführend:
- 61 - Stadtplanung und Denkmalschutz
- Bearbeiter*in:
- Ellen Fischer
- Verfasser*in:
- Bernd Kintscher
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Magistrat
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Vorberatung
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●
Erledigt
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Ausschuss für Umwelt, Energie und Verkehr
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Vorberatung
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14.06.2005
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12.07.2005
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Erledigt
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Bau- und Planungsausschuss, Liegenschaften
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Vorberatung
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15.06.2005
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13.07.2005
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Erledigt
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Stadtverordnetenversammlung
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Entscheidung
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24.06.2005
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22.07.2005
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Beschlussvorschlag
Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten,
folgenden Beschluss zu fassen:
Bauleitpläne im Zusammenhang mit der Ausweisung neuer Baugebiete sowie zur Umstrukturierung bereits genutzter Flächen für Wohnungsbau in den Außenstadtteilen werden so gesteuert, dass eine zeitnahe Bereitstellung des Baulandes, die Vergabe an Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf (Stichwort Einheimische) und eine weitestgehende, für die Stadt kostenneutrale Verfahrensabwicklung gewährleistet ist. Hierfür sind regelmäßig Verträge und Vereinbarungen notwendig.
Sachverhalt
Begründung:
Der Ruf nach (Neu-) Bauland wird in
Marburg in den letzten Jahren vorrangig von den Vertretern und Eigentümern der
Außenstadtteile getragen. Wie anhand der Baulandanalyse (Magistratsvorlage vom
22.06.04 zur Baulandsituation und -bereitstellung in den Außenstadtteilen,
verteilt auch an alle Bau- und Planungsausschussmitglieder) dargestellt wurde,
korrespondiert allerdings nicht immer die Ist-Situation, d. h. die Menge des
tatsächlich ausgewiesenen und erschlossenen Baulandes (= Baulücken) mit der
subjektiven Wahrnehmung. Zudem war und ist die Umwandlung landwirtschaftlicher
Flächen in Bauland - auch durch den Umstand, dass u. a. Planungskosten und
Erschließungsanteile auf die Allgemeinheit abgewälzt werden - ein lukratives
Geschäft, ohne dass dafür vom Einzelnen besondere Leistungen abverlangt werden.
Eine ungesteuerte Baulandausweisung
ohne die Berücksichtigung der vorhandenen Potentiale, seien es Baulücken oder
Umnutzungsreserven, widerspricht schon in Zeiten starker Nachfrage elementaren
stadtentwicklungsplanerischen Zielsetzungen. In Zeiten relativ entspannterer
Baulandmärkte und vor der absehbaren demografischen Entwicklung - eine wichtige
Variable bei der Bemessung des künftigen Baulandbedarfs - sind die Auswirkungen
einer räumlich und zeitlich un- bzw. fehlgelenkten Baulandentwicklung wegen
ihrer langfristigen Wirkungen, beispielsweise auf Verkehrsbeziehungen,
Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen und Investitionslenkung (Stichwort:
historischer Ortskern), umso gravierender.
Ein erster Schritt die
Gestaltungs-/Steuerungsmöglichkeiten der Kommune aktiv zu nutzen, wurde im Zuge
zweier Ortsvorsteherversammlungen (19.09.2002/20.09.2004) getan: das
Einwohnerverhältnis zwischen dem verstädterten Bereich (= Kernstadt inkl.
Cappel, Marbach, Ockershausen, Wehrda) und den Außenstadtteilen soll im Zuge
künftiger Baulandausweisungen zumindest nicht zum Nachteil der infrastrukturell
besser ausgestatteten Kernstadt verändert werden. Unter dieser Prämisse wird
eine Prioritätenliste für die künftige Baulandausweisung in den Außenstadtteilen
erarbeitet. Allerdings werden selbst nach Einigung auf eine zeitlich gestufte
Baulandbereitstellung wesentliche Problempunkte nicht getroffen. Ein zeitlich
gestuftes Verfahren zur Baulandausweisung bietet für sich genommen keine Gewähr
für die Erreichung folgender, bisher einvernehmlich formulierter Ziele:
- kostenneutrale
Verfahrensabwicklung für die Stadt,
- zeitnahe Nutzung des ausgewiesenen
Baulandes,
- vorrangige Bereitstellung des
Baulandes für Einheimische.
Im Gegenteil, die Entwicklung der vergangenen
30 - 40 Jahre zeigt deutlich, dass mit einer reinen Angebotsplanung (= Ausweisung + Erschließung von Bauland ohne
Blick auf die weitere Umsetzung/Nutzung) oben angeführte Zielsetzungen nicht
erreicht werden können.
Zur Zielerreichung bedarf es deshalb
der Verknüpfung von Plan mit einem Umsetzungsinstrument. Das Baugesetzbuch
(BauGB) bietet in diesem Zusammenhang beispielsweise die Möglichkeiten des
städtebaulichen Vertrages gem. § 11 BauGB an, so dass das Ziel, die Angebotsplanung
durch eine bedarfsorientierte, strategische Steuerung = Verbindung von
Plan und Umsetzung zu ersetzen, rechtlich fixiert werden kann. Daneben
können auch im Zuge von Umlegungsverfahren umfangreiche
Regelungen/Vereinbarungen zur o. g. Zielerreichung getroffen werden.
Die Abkehr vom Prinzip der reinen
Angebotsplanung hin zu einer strategischen Baulandentwicklung ist eine
grundsätzliche Entscheidung und sollte keineswegs einzelfallsbezogen angewendet
werden. Im Sinne der Gleichbehandlung der Eigentümer und als Signal für
Bauwillige in den Stadtteilen bedarf es einer langfristigen Perspektive, damit
vertraglichen Regelungen weder der Beigeschmack von Willkür noch der
Beliebigkeit anhaftet. Ein entsprechender Grundsatzbeschluss ist aber auch
Ausdruck eines neuen, aktiveren Rollenverständnis der Stadt im Prozess der
Baulandbereitstellung. Zudem benötigt die Verwaltung einen von einer breiten
politischen Mehrheit getragenen Grundsatzbeschluss, um bei Verhandlungen mit
den beteiligten Akteuren/Eigentümern eine aussichtsreiche Verhandlungsbasis zu
haben.
Bei den Vorarbeiten für die
Prioritätenliste zur weiteren Baulandausweisung zeigt es sich, dass potentiell
geeignete Neubaugebiete nicht durchgängig in der Hand eines Eigentümers liegen.
In den Fällen mit regelmäßig unterschiedlichen (Partikular-) Interessenslagen
der jeweiligen Eigentümer benötigen beide Verhandlungspartner nicht nur solide
Rahmenbedingungen im Sinne oben beschriebener Grundsatzentscheidungen. Zum
Interessenausgleich zwischen Stadt und Eigentümer bzw. zwischen den
verschiedenen Eigentümern untereinander kann darüber hinaus auf
unterschiedliche Modelle zurück gegriffen werden.
Exkurs: Eigentumsverhältnisse und
Umsetzungsstrategien:
Grundsätzlich lassen sich
zwei Strategien unterscheiden, mit denen die genannten Zielsetzungen erreicht
werden können und die gleichzeitig den Interessenausgleich zwischen den
Eigentümern untereinander bzw. zwischen Stadt und Eigentümer(n) fördern:
1) Grundstückstauschverfahren
2) Zwischenerwerbsmodelle
1. Grundstückstauschverfahren
Grundstückstauschverfahren
sind notwendig, wenn innerhalb der künftigen Baugebietserweiterung mehrere
Eigentümer Flächen besitzen und eine zweckmäßige bauliche Nutzung der
Grundstücke aufgrund ihres Zuschnittes und/oder fehlender Erschließung nicht
gewährleistet ist. Es lassen sich 3 Typen von Grundstückstauschverfahren
unterschieden:
Þ Klassische
Umlegung
Bei der Umlegung bleibt das
Grundeigentum dem bisherigen Eigentümer in der Substanz erhalten. Das Umlegungsverfahren,
auf all dessen Facetten an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann,
zielt primär auf den Ausgleich privater Interessen untereinander. Nach der
Grundstücksneuordnung und Aussonderung der Flächen für Erschließungsanlagen
bleibt es allein den Eigentümern überlassen, was mit dem Bauland geschehen soll
(Eigennutz, Verkauf, Bevorratung...); die gesteckten Ziele lassen sich durch
ein reines Umlegungsverfahren nicht erreichen. Der zum Teil erhebliche
Verwaltungsaufwand bleibt bei der Stadt, weitergehende Gebühren und Steuern für
die eigentliche Neuordnung entfallen.
Þ Freiwillige
Umlegung
Kennzeichen dieses Verfahrens ist die
Verknüpfung von Teilen des amtlichen Umlegungsverfahrens mit auf freiwilliger
Basis getroffenen Vereinbarungen. Dabei müssen im Prinzip zwei Voraussetzungen
gegeben sein:
erstens eine überschaubare Anzahl von
Eigentümern und zweitens relativ zweckmäßig geschnittene Grundstücke, die
primär durch Tauschvorgänge arrondiert werden können. Die Notwendigkeit der
Bildung einer (fiktiven) Umlegungsmasse ergibt sich, um die Tausch- bzw.
Kaufvorgänge im Gebiet für alle beteiligten Eigentümer transparenter zu machen.
Die
Kombination des (freiwilligen) Umlegungsverfahrens mit städtebaulichen Verträgen
eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit boden- bzw. wohnungspolitische
Zielsetzungen zu erreichen. Bekanntestes Beispiel in diesem Zusammenhang ist
das sog. Weilheimer Modell, bei dem vor dem Bauleitplanverfahren mit den
Eigentümern vertraglich geregelt wird, dass bei der Bebauung (der neugeordneten
Grundstücke) Ortsansässige bevorzugt Berücksichtigung erfahren. Vertraglich
kann aber auch die Übernahme von gebietsbezogenen Kosten geregelt werden;
prinzipiell ist der Regelungsumfang städtebaulicher Verträge sehr weit
gestreckt und wird lediglich durch die Angemessenheit der Leistungen für den
Eigentümer beschränkt.
Ein Nachteil
gegenüber der amtlichen Umlegung liegt im Anfallen von Gebühren und Steuern für
die Eigentümer.
Þ Vereinbarte
amtliche Umlegung
Im Verfahren der vereinbarten amtlichen
Umlegung einigen sich die einzelnen Eigentümer untereinander und gegenüber der
Gemeinde auf materielle Inhalte und Ergebnisse einer notwendigen Bodenordnung.
Vollzogen wird dann die vertraglich fixierte Vereinbarung durch ein formales
Umlegungsverfahren.
Gegenüber der
klassisch freiwilligen Umlegung liegt der Vorteil in den niedrigeren Kosten
(z. B. Steuern und Gebühren) und in der Rechtssicherheit, da es sich bei der
formalen Umlegung um ein bewährtes Verfahren handelt.
Die Zielsetzungen zeitnahe Nutzung des
ausgewiesenen Baulandes und vorrangige Bereitstellung des Baulandes für
Einheimische wären wiederum über die (städtebauliche) Vertragskomponente zu
erreichen.
2. Zwischenerwerbsmodelle
Bei den
Zwischenerwerbsmodellen werden die Flächen eines Gebietes entweder durch die
Kommune selbst, durch verwaltungsexterne Organisationseinheiten oder durch
private Dritte (Investoren) zunächst aufgekauft und nach Durchführung
bodenordnerischer und erschließungstechnischer Maßnahmen wieder verkauft.
Der (reine) kommunale Zwischenerwerb
kann bei entsprechender Verkaufsbereitschaft auf freiwilliger Basis verlaufen
oder durch ein breites rechtliches Instrumentarium im Falle der städtebaulichen
Entwicklungsmaßnahme (SEM) flankiert werden, um dann auch Grundstücke nicht
kooperationswilliger Eigentümer erwerben zu können. Im Falle verkaufsbereiter
Eigentümer kann der Zwischenerwerb der Grundstücke auch durch
verwaltungsexterne Organisationseinheiten (Eigenbetriebe, Eigengesellschaften =
quasi kommunaler Zwischenerwerb) oder durch private Dritte (wie z.b. in Schröck
praktiziert) stattfinden.
Im Falle privater
Investitionen bedarf es der Durchführung und des Abschlusses eines Vorhaben-
und Erschließungsplanes (i. S. des § 12 BauGB). In diesem Fall kann der Aufwand
für Kapital (Vorfinanzierung) und das Finanzierungsrisiko (bei sinkender
Nachfrage) von der Kommune auf den Investor abgewälzt werden, während in den
übrigen Fällen insbesondere das Risiko bei der Stadt bliebe. Extremfall SEM,
bei der die Kommune keinen Gewinn machen darf, aber bei den Kapitalkosten das
Risiko alleinig trägt.
Unter Berücksichtigung der besonderen Eigentumsverhältnisse potentiell geeigneter Bauflächen in den Außenstadtteilen (meist überschaubare Eigentümerzahlen), der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, der für die Stadt günstigeren Risikoverteilung und der prognostizierten (abgeschwächten) Nachfrageentwicklung sollten bei Verhandlungen mit den Eigentümern Grundstückstauschmodelle bevorzugt werden.
Es wird deshalb empfohlen, noch vor
Präsentation/Diskussion der Prioritätenliste für künftige Baulandausweisungen
in den Außenstadtteilen im Sinne der Sicherstellung des Planvollzugs, der
Umsetzung oben genannter Ziele und zur Gewährleistung einer optimierten
Bodennutzung den entsprechenden Grundsatzbeschluss zu fassen.
Dietrich Möller
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