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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers. - VO/0333/2005

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:

 

Bauleitpläne im Zusammenhang mit der Ausweisung neuer Baugebiete sowie zur Umstrukturierung bereits genutzter Flächen für Wohnungsbau in den Außenstadtteilen werden so gesteuert, dass eine zeitnahe Bereitstellung des Baulandes, die Vergabe an Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf (Stichwort Einheimische) und eine weitestgehende, für die Stadt kostenneutrale Verfahrensabwicklung gewährleistet ist. Hierfür sind regelmäßig Verträge und Vereinbarungen notwendig.

 

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Sachverhalt

Begründung:

Der Ruf nach (Neu-) Bauland wird in Marburg in den letzten Jahren vorrangig von den Vertretern und Eigentümern der Außenstadtteile getragen. Wie anhand der Baulandanalyse (Magistratsvorlage vom 22.06.04 zur „Baulandsituation und -bereitstellung in den Außenstadtteilen“, verteilt auch an alle Bau- und Planungsausschussmitglieder) dargestellt wurde, korrespondiert allerdings nicht immer die Ist-Situation, d. h. die Menge des tatsächlich ausgewiesenen und erschlossenen Baulandes (= Baulücken) mit der subjektiven Wahrnehmung. Zudem war und ist die Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen in Bauland - auch durch den Umstand, dass u. a. Planungskosten und Erschließungsanteile auf die Allgemeinheit abgewälzt werden - ein lukratives Geschäft, ohne dass dafür vom Einzelnen besondere Leistungen abverlangt werden.

 

Eine ungesteuerte Baulandausweisung ohne die Berücksichtigung der vorhandenen Potentiale, seien es Baulücken oder Umnutzungsreserven, widerspricht schon in Zeiten starker Nachfrage elementaren stadtentwicklungsplanerischen Zielsetzungen. In Zeiten relativ entspannterer Baulandmärkte und vor der absehbaren demografischen Entwicklung - eine wichtige Variable bei der Bemessung des künftigen Baulandbedarfs - sind die Auswirkungen einer räumlich und zeitlich un- bzw. fehlgelenkten Baulandentwicklung wegen ihrer langfristigen Wirkungen, beispielsweise auf Verkehrsbeziehungen, Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen und Investitionslenkung (Stichwort: historischer Ortskern), umso gravierender.

 

Ein erster Schritt die Gestaltungs-/Steuerungsmöglichkeiten der Kommune aktiv zu nutzen, wurde im Zuge zweier Ortsvorsteherversammlungen (19.09.2002/20.09.2004) getan: das Einwohnerverhältnis zwischen dem „verstädterten Bereich“ (= Kernstadt inkl. Cappel, Marbach, Ockershausen, Wehrda) und den Außenstadtteilen soll im Zuge künftiger Baulandausweisungen zumindest nicht zum Nachteil der infrastrukturell besser ausgestatteten Kernstadt verändert werden. Unter dieser Prämisse wird eine Prioritätenliste für die künftige Baulandausweisung in den Außenstadtteilen erarbeitet. Allerdings werden selbst nach Einigung auf eine zeitlich gestufte Baulandbereitstellung wesentliche Problempunkte nicht getroffen. Ein zeitlich gestuftes Verfahren zur Baulandausweisung bietet für sich genommen keine Gewähr für die Erreichung folgender, bisher einvernehmlich formulierter Ziele:

 

- kostenneutrale Verfahrensabwicklung für die Stadt,

- zeitnahe Nutzung des ausgewiesenen Baulandes,

- vorrangige Bereitstellung des Baulandes für „Einheimische“.

 

Im Gegenteil, die Entwicklung der vergangenen 30 - 40 Jahre zeigt deutlich, dass mit einer „reinen“ Angebotsplanung (=  Ausweisung + Erschließung von Bauland ohne Blick auf die weitere Umsetzung/Nutzung) oben angeführte Zielsetzungen nicht erreicht werden können.

 

Zur Zielerreichung bedarf es deshalb der Verknüpfung von Plan mit einem Umsetzungsinstrument. Das Baugesetzbuch (BauGB) bietet in diesem Zusammenhang beispielsweise die Möglichkeiten des „städtebaulichen Vertrages“ gem. § 11 BauGB an, so dass das Ziel, die Angebotsplanung durch eine bedarfsorientierte, strategische Steuerung = Verbindung von Plan und Umsetzung zu ersetzen, rechtlich fixiert werden kann. Daneben können auch im Zuge von Umlegungsverfahren umfangreiche Regelungen/Vereinbarungen zur o. g. Zielerreichung getroffen werden.

 

Die Abkehr vom Prinzip der reinen Angebotsplanung hin zu einer strategischen Baulandentwicklung ist eine grundsätzliche Entscheidung und sollte keineswegs einzelfallsbezogen angewendet werden. Im Sinne der Gleichbehandlung der Eigentümer und als Signal für Bauwillige in den Stadtteilen bedarf es einer langfristigen Perspektive, damit vertraglichen Regelungen weder der Beigeschmack von Willkür noch der Beliebigkeit anhaftet. Ein entsprechender Grundsatzbeschluss ist aber auch Ausdruck eines neuen, aktiveren Rollenverständnis der Stadt im Prozess der Baulandbereitstellung. Zudem benötigt die Verwaltung einen von einer breiten politischen Mehrheit getragenen Grundsatzbeschluss, um bei Verhandlungen mit den beteiligten Akteuren/Eigentümern eine aussichtsreiche Verhandlungsbasis zu haben.

 

Bei den Vorarbeiten für die Prioritätenliste zur weiteren Baulandausweisung zeigt es sich, dass potentiell geeignete Neubaugebiete nicht durchgängig in der Hand eines Eigentümers liegen. In den Fällen mit regelmäßig unterschiedlichen (Partikular-) Interessenslagen der jeweiligen Eigentümer benötigen beide Verhandlungspartner nicht nur solide Rahmenbedingungen im Sinne oben beschriebener Grundsatzentscheidungen. Zum Interessenausgleich zwischen Stadt und Eigentümer bzw. zwischen den verschiedenen Eigentümern untereinander kann darüber hinaus auf unterschiedliche Modelle zurück gegriffen werden.

 

Exkurs: Eigentumsverhältnisse und Umsetzungsstrategien:

 

Grundsätzlich lassen sich zwei Strategien unterscheiden, mit denen die genannten Zielsetzungen erreicht werden können und die gleichzeitig den Interessenausgleich zwischen den Eigentümern untereinander bzw. zwischen Stadt und Eigentümer(n) fördern:

 

1) Grundstückstauschverfahren

2) Zwischenerwerbsmodelle

 

1.  Grundstückstauschverfahren

Grundstückstauschverfahren sind notwendig, wenn innerhalb der künftigen Baugebietserweiterung mehrere Eigentümer Flächen besitzen und eine zweckmäßige bauliche Nutzung der Grundstücke aufgrund ihres Zuschnittes und/oder fehlender Erschließung nicht gewährleistet ist. Es lassen sich 3 Typen von Grundstückstauschverfahren unterschieden:

 

Þ     Klassische Umlegung

         Bei der Umlegung bleibt das Grundeigentum dem bisherigen Eigentümer in der Substanz erhalten. Das Umlegungsverfahren, auf all dessen Facetten an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, zielt primär auf den Ausgleich privater Interessen untereinander. Nach der Grundstücksneuordnung und Aussonderung der Flächen für Erschließungsanlagen bleibt es allein den Eigentümern überlassen, was mit dem Bauland geschehen soll (Eigennutz, Verkauf, Bevorratung...); die gesteckten Ziele lassen sich durch ein reines Umlegungsverfahren nicht erreichen. Der zum Teil erhebliche Verwaltungsaufwand bleibt bei der Stadt, weitergehende Gebühren und Steuern für die eigentliche Neuordnung entfallen.

 

Þ     Freiwillige Umlegung

         Kennzeichen dieses Verfahrens ist die Verknüpfung von Teilen des amtlichen Umlegungsverfahrens mit auf freiwilliger Basis getroffenen Vereinbarungen. Dabei müssen im Prinzip zwei Voraussetzungen gegeben sein:

         erstens eine überschaubare Anzahl von Eigentümern und zweitens relativ zweckmäßig geschnittene Grundstücke, die primär durch Tauschvorgänge arrondiert werden können. Die Notwendigkeit der Bildung einer (fiktiven) Umlegungsmasse ergibt sich, um die Tausch- bzw. Kaufvorgänge im Gebiet für alle beteiligten Eigentümer transparenter zu machen.

 

Die Kombination des (freiwilligen) Umlegungsverfahrens mit städtebaulichen Verträgen eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit boden- bzw. wohnungspolitische Zielsetzungen zu erreichen. Bekanntestes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das sog. „Weilheimer Modell“, bei dem vor dem Bauleitplanverfahren mit den Eigentümern vertraglich geregelt wird, dass bei der Bebauung (der neugeordneten Grundstücke) Ortsansässige bevorzugt Berücksichtigung erfahren. Vertraglich kann aber auch die Übernahme von gebietsbezogenen Kosten geregelt werden; prinzipiell ist der Regelungsumfang städtebaulicher Verträge sehr weit gestreckt und wird lediglich durch die „Angemessenheit“ der Leistungen für den Eigentümer beschränkt.

Ein Nachteil gegenüber der amtlichen Umlegung liegt im Anfallen von Gebühren und Steuern für die Eigentümer.

 

Þ     Vereinbarte amtliche Umlegung

         Im Verfahren der vereinbarten amtlichen Umlegung einigen sich die einzelnen Eigentümer untereinander und gegenüber der Gemeinde auf materielle Inhalte und Ergebnisse einer notwendigen Bodenordnung. Vollzogen wird dann die vertraglich fixierte Vereinbarung durch ein formales Umlegungsverfahren.

 

Gegenüber der klassisch „freiwilligen Umlegung“ liegt der Vorteil in den niedrigeren Kosten (z. B. Steuern und Gebühren) und in der Rechtssicherheit, da es sich bei der formalen Umlegung um ein bewährtes Verfahren handelt.

 

         Die Zielsetzungen zeitnahe Nutzung des ausgewiesenen Baulandes und vorrangige Bereitstellung des Baulandes für „Einheimische“ wären wiederum über die (städtebauliche) Vertragskomponente zu erreichen.

 

 

2.  Zwischenerwerbsmodelle

Bei den Zwischenerwerbsmodellen werden die Flächen eines Gebietes entweder durch die Kommune selbst, durch verwaltungsexterne Organisationseinheiten oder durch private Dritte (Investoren) zunächst aufgekauft und nach Durchführung bodenordnerischer und erschließungstechnischer Maßnahmen wieder verkauft.

 

Der (reine) kommunale Zwischenerwerb kann bei entsprechender Verkaufsbereitschaft auf freiwilliger Basis verlaufen oder durch ein breites rechtliches Instrumentarium im Falle der „städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ (SEM) flankiert werden, um dann auch Grundstücke nicht kooperationswilliger Eigentümer erwerben zu können. Im Falle verkaufsbereiter Eigentümer kann der Zwischenerwerb der Grundstücke auch durch verwaltungsexterne Organisationseinheiten (Eigenbetriebe, Eigengesellschaften = quasi kommunaler Zwischenerwerb) oder durch private Dritte (wie z.b. in Schröck praktiziert) stattfinden.

 

Im Falle privater Investitionen bedarf es der Durchführung und des Abschlusses eines Vorhaben- und Erschließungsplanes (i. S. des § 12 BauGB). In diesem Fall kann der Aufwand für Kapital (Vorfinanzierung) und das Finanzierungsrisiko (bei sinkender Nachfrage) von der Kommune auf den Investor abgewälzt werden, während in den übrigen Fällen insbesondere das Risiko bei der Stadt bliebe. Extremfall SEM, bei der die Kommune keinen Gewinn machen darf, aber bei den Kapitalkosten das Risiko alleinig trägt.

 

Unter Berücksichtigung der besonderen Eigentumsverhältnisse potentiell geeigneter Bauflächen in den Außenstadtteilen (meist überschaubare Eigentümerzahlen), der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, der für die Stadt günstigeren Risikoverteilung und der prognostizierten (abgeschwächten) Nachfrageentwicklung sollten bei Verhandlungen mit den Eigentümern Grundstückstauschmodelle bevorzugt werden.

 

 

Es wird deshalb empfohlen, noch vor Präsentation/Diskussion der Prioritätenliste für künftige Baulandausweisungen in den Außenstadtteilen im Sinne der Sicherstellung des Planvollzugs, der Umsetzung oben genannter Ziele und zur Gewährleistung einer optimierten Bodennutzung den entsprechenden Grundsatzbeschluss zu fassen.

 

 

 

 

Dietrich Möller

Oberbürgermeister

 

 

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