Seiteninhalt
Ratsinformation
Kenntnisnahme - VO/0430/2005
Grunddaten
- Betreff:
-
Luftschadstoffe
hier: Feinstaubbelastung und sonstige Luftschadstoffsituation in Marburg
Bericht an die Stadtverordnetenversammlung
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- 69 - Umwelt und Naturschutz
- Bearbeiter*in:
- Norina Nickel
- Verfasser*in:
- Herr Steih-Winkler
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
|
|
Stadtverordnetenversammlung
|
Vorberatung
|
|
|
22.07.2005
| |||
●
Erledigt
|
|
Umweltschutz- und Abfallbeseitigungskommission
|
Vorberatung
|
|
●
Erledigt
|
|
Magistrat
|
Vorberatung
|
|
Beschlussvorschlag
1. Gesetzesgrundlagen
Seit
dem 01. Januar 2005 gelten in der Bundesrepublik neue und verschärfte Richt-
und Grenzwerte. Dabei wurde die EU-Richtlinie 1999/30/EG in mehrere
Verordnungen zum Bundesimmissionsschutzgesetz umgesetzt (22. BImschV zu
Luftschadstoffen, 33. BImschV zu Ozon), um eine europaweite vereinheitlichte
Messung und Bewertung von Luftschadstoffen zu erreichen.
Gemäß Richtlinie
1999/30/EG
<http://www.umweltbundesamt.de/luft/vorschriften/eu/1999_30_EG_de.pdf>,
Anhang III, Anhang V gelten ab 01. Januar 2005 bzw. 01. Januar 2010 z. B. für
den Feinstaub in der Fraktion PM10 (= particulate matter
(Partikel in der Größe) <10 µm) folgende Werte:
Immissionsgrenzwert
Stufe 1 |
a) 50 µg/m3 PM10
über 24 Stunden, höchstens 35 Überschreitungen im Jahr, einzuhalten ab
1.1.2005 b) b) 40 µg/m3 PM10
über 1 Kalenderjahr, einzuhalten ab 1.1.2005 |
Immissionsgrenzwert Stufe
2 |
c) 50 µg/m3 PM10
über 24 Stunden, höchstens 7 Überschreitungen im Jahr, gültig ab
1.1.2010 d) 20 µg/m3 PM10
über 1 Kalenderjahr, gültig ab 1.1.2010 |
Die
EU-Richtlinie empfiehlt bei der Überschreitung dieser Grenzwerte die Aufstellung
langfristiger Luftqualitätsziele auch für die weiteren Schadstoffe Stickoxide
(NO2, NOX), Schwefeldioxid (SO2), Ozon (O3),
Benzol, Kohlenmonoxid (CO) und Blei.
In der
Verordnung über Immissionswerte (22. BImSchV) werden für PM10
folgende Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit, gültig ab 01.
Januar 2005 , angegeben:
· 24-h Wert: 50 µg/m3 (zulässige
Überschreitungshäufigkeit pro Jahr: 35-mal)
· Jahresmittel: 40 µg/m3.
Bei
Überschreitung eines Immissionsgrenzwertes mit Berücksichtigung der
Toleranzmarge ist nach § 47 Abs.1 BImSchG ein Luftreinhalteplan zu erstellen; §
13 Abs 1 Nr. 5 der 22. BImSchV legt dann fest, dass spätestens 22 Monate nach
Ablauf des Jahres, in dem die erhöhten Belastungen festgestellt wurden, ein Luftreinhalteplan
vorzulegen ist, der die Einhaltung des Grenzwertes nach Ablauf der
Übergangsfrist - d. h. ohne Toleranzmarge - sicherstellt.
2.
Zuständigkeiten
Zuständige
Behörde für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen nach § 47 Abs. 2 BImSchG
ist nach § 5 der Hessischen Zuständigkeitsverordnung für den Immissionsschutz
das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
Dieses bedient sich der Hessischen Landesanstalt für Umwelt und Geologie
(HLUG), Wiesbaden. Diese ist beauftragt, die hessischen Luftmessdaten zu
erheben sowie Luftreinhaltepläne zu entwickeln und umzusetzen. Die HLUG
betreibt die Luftmessstationen und wertet die entsprechenden Daten aus.
Die
in einem Luftreinhalteplan festgeschriebenen Maßnahmen - z. B. Verkehrsbeschränkungen
- sind mit den örtlich zuständigen Behörden - z. B. den Straßenverkehrsbehörden
- abzustimmen.
3. Marburger Meßdaten und ihre Bewertung
Die Messdaten der Luftmessstation der HLUG in der Gutenbergstraße
bilden die Grundlage für die Auswertungen der Luftmessdaten in Marburg. Die
Schadstoffart PM10 wird seit dem Jahr 2000 an der Luftmessstation
gemessen, während die anderen Schadstoffarten, wie Schwefeldioxid SO2,
Stickstoffdioxid N02, Stickstoffmonoxid NO und Ozon O3
seit 1988 erhoben werden. Seit 2004 können an der Station zusätzlich
Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Temperatur und Relative Feuchte abgerufen
werden. Die Auswertung der an der Messstation erhobenen Daten erfolgt seit 2001
auf der Grundlage der Regelungen der EU-Verordnung.
Die
Auswertungen für PM10, N02 und SO2 in den
Jahren 2001 bis 2004 auf der Basis der TA Luft ergibt das in der folgenden
Tabelle dargestellte Bild:
Tabelle
1:
Überschreitungen
von Grenzwerten nach TA Luft, ab 2.10.2002 gültig, Werte der Jahre
2001-2004
Komponente |
PM10 |
NO2 |
SO2 |
||||
Einheit |
[µg/m³] |
[µg/m³] |
[µg/m³] |
||||
Kenngröße |
24-h |
Jahresmittel |
1-h |
Jahresmittel |
1-h |
24-h |
Jahresmittel |
Grenzwert |
50 |
40 |
200 |
40 |
350 |
125 |
50 |
Zulässige
Überschreitungen/Jahr |
35 |
|
18 |
|
24 |
3 |
|
|
Anzahl |
Wert |
Anzahl |
Wert |
Anzahl |
Wert |
|
Marburg 2001 |
16 |
25 |
0 |
30 |
0 |
0 |
3 |
Marburg 2002 |
25 |
25 |
0 |
29 |
0 |
0 |
4 |
Marburg 2003 |
51 |
32 |
0 |
30 |
0 |
0 |
4 |
Marburg 2004 |
7 |
20 |
0 |
29 |
0 |
0 |
4 |
Marburg 2005, Stand
05.07.05 |
3 |
- |
- |
- |
|
|
- |
Demnach
wurde in Marburg der Grenzwert für PM10 im 24-h-Mittel im Jahre 2003
überschritten, davor und bisher im Jahr 2005 wurde der Wert erst 3-mal
überschritten. Unter Bezug auf den ab 2010 gültigen Grenz- und Richtwert aus
der EU-Luftqualitätsrahmenrichtlinie ist aber festzustellen, dass dieser unter
den heutigen Voraussetzungen nicht eingehalten werden kann. Also gilt,
wenn die Gefahr besteht, dass Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV
überschritten werden können, dass Luftreinhaltepläne bzw. Aktionspläne
nach § 47 Abs. 2 BImSchG aufzustellen sind. Die im Aktionsplan festgelegten
Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der
Immissionswerte zu verringern oder den Zeitraum zu verkürzen, währenddessen die
Werte überschritten werden. Die unmittelbare Wirkung der Maßnahmen steht hier
im Vordergrund.
Das Bild zur Beurteilung ändert sich weiter, wenn für alle Schadstoffe
die Betrachtung auf der Grundlage der Tochterrichtlinien zur
EU-Rahmenrichtlinie Luftqualität erfolgt. Diese Richtlinien erlaubten bis zum
01.01.2005 noch Toleranzen in den Grenzwerten und haben, was die Bewertung der
Luftschadstoffsituation angeht, die Bewertung nach der TA Luft vollständig
abgelöst. Nach diesen Vorgaben ergibt sich für Marburg zwar ein verändertes,
aber kein unbekanntes Bild, das in der folgenden Tabelle abgebildet ist.
Tabelle 2: Beurteilung Luftschadstoffe nach der jeweils
gültigen Regel gem. BImschG auf der Grundlage der
EU-Luftqualitätsrahmenrichtlinie und ihrer Tochterrichtlinien:
Komponente |
O3 |
PM10 |
NO2 |
NOx |
SO2 |
|||||||
Einheit |
µg/m³ |
µg/m³.h |
µg/m³ |
µg/m³ |
µg/m³ |
µg/m³ |
||||||
Kenngröße |
1-h |
1-h |
8-h |
AOT40 |
24-h |
Jm |
1-h |
Jm |
Jm |
1-h |
24-h |
Jm/Wm |
GW(+TM) |
180 |
240 |
120 |
18000 |
70 |
46 |
290 |
58 |
30 |
470 |
125 |
20 |
Zulässige
Überschreitungen/Jahr |
|
|
25 |
|
35 |
|
18 |
|
|
24 |
3 |
|
Marburg
2001 |
20 |
- |
22 |
13082 |
3 |
25 |
- |
30 |
58 |
- |
- |
3/4 |
GW(+TM) |
180 |
240 |
120 |
18000 |
65 |
45 |
280 |
56 |
30 |
440 |
125 |
20 |
Zulässige
Überschreitungen/Jahr |
|
|
25 |
|
35 |
|
18 |
|
|
24 |
3 |
|
Marburg
2002 |
3 |
- |
17 |
13295 |
12 |
25 |
- |
29 |
54 |
- |
- |
4/5 |
GW(+TM) |
180 |
240 |
120 |
18000 |
60 |
43 |
270 |
54 |
30 |
410 |
125 |
20 |
Zulässige
Überschreitungen/Jahr |
|
|
25 |
|
35 |
|
18 |
|
|
24 |
3 |
|
Marburg
2003 |
51 |
- |
29 |
15252 |
19 |
32 |
- |
30 |
56 |
- |
- |
4/5 |
GW(+TM) |
180 |
240 |
120 |
18000 |
55 |
41,6 |
260 |
52 |
30 |
380 |
125 |
20 |
Zulässige
Überschreitungen/Jahr |
|
|
25 |
|
35 |
|
18 |
|
|
24 |
3 |
|
Marburg
2004 |
8 |
- |
29 |
14741 |
7 |
20 |
- |
29 |
51 |
- |
- |
4/5 |
Auf der Basis der für das jeweilige Jahr zulässigen Grenzwerte stellt
also Ozon in Marburg auch einen Problembereich dar.
Die Bewertung der Stickstoffmonoxide NO ist derzeit nicht möglich, diese
sind ein Problem für die Vegetation und werden daher nach den Werten der TA
Luft nur bewertet, wenn die Messung 20 km entfernt von Ballungsräumen oder 5 km
von Bebauung, Industrie oder Straßen durchgeführt wurde. Da dies bei den
vorhandenen hessischen Luftmessstationen nicht der Fall ist, wird auf eine
Bewertung verzichtet.
4. Zusammenfassung
Nach den Beobachtungen der Luftschadstoffsituation in Marburg durch den
Fachdienst Umwelt und Naturschutz ergibt sich die Notwendigkeit, mittel- bis
langfristig ein Maßnahmenpaket zu entwickeln, mit dem wirksam die Luftqualität
verbessert wird.
Luftreinhaltung muß aber auch im größeren überregionalen Zusammenhang
erfolgen.
Daher wurde vom Hessischen Umweltministerium die Stadt Marburg
gasthalber zur ersten Sitzung der Arbeitsgruppe zur Erstellung des
Luftreinhalteplans Lahn-Dill geladen, da Marburg 2003 die einzige Kommune im
Gebiet Mittelhessen mit einer Überschreitung eine Richt- und Grenzwertes
gewesen ist. Unklar bleibt, ob und in welcher Form Marburg im Luftreinhalteplan
Lahn-Dill aufgeführt wird. Die Zuständigkeit hierfür liegt - wie oben
ausgeführt - bei der HLUG.
Die Daten des Luftreinhalteplans Rhein-Main zeigen
einen Anteil von etwa 50% bis 90 % des Verkehrs an den Staubemissionen. Darin
wird ausgeführt, dass von einem fahrenden Auto nicht nur aus dem Auspuff
Feinstaub emittiert wird - so wie die Kfz-Emissionen bisher im
Emissionskataster Verkehr dokumentiert sind -, sondern auch durch Abrieb von
Reifen und Straßenbelag, durch das Abrollen der Räder, durch Staubaufwirbelung
von Straßenstaub durch die fahrenden Autos und durch Verwitterung und Abrieb am
Auto selbst (z. B. Kupplung, Bremsen) freigesetzt. Diese durch den rollenden
Verkehr freigesetzten Emissionen hängen wesentlich vom Straßenbelag und der
Fahrgeschwindigkeit ab. Sie haben dabei etwa die gleiche Größenordnung wie die
Dieselpartikel-Emissionen aus dem Auspuff. Die Berücksichtigung der
Staubemissionen aus Reibung und Verschleiß kann also den Anteil der
Kfz-Emissionen an der Emissionsbilanz etwa verdoppeln und macht damit in den
Städten den Kfz-Verkehr zur Emittentengruppe mit dem dominierenden Anteil an
der Emissionsbilanz Staub.
Daneben gelten die Industrie und die Gebäudeheizung
als Lieferant für Staubemissionen.
Es wäre also vorstellbar, diese drei Bereiche in
einem Luftreinhalteplan mit Aktionsplan zu bearbeiten. Dieser Plan umfasst
sowohl langfristig wirksame Maßnahmen als auch kurzfristige Maßnahmen, um die
Staubemissionen und damit auch Stickstoffdioxid- und Ozonbelastung zu
reduzieren.
Als langfristig wirksam werden z. B. folgende
Maßnahmen angesehen:
Überregionale Initiativen: |
Einführung
des Rußpartikelfilters für Diesel-Fahrzeuge |
verstärkte
Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene |
Einführung
der Maut-Pflicht auch auf Nebenstrecken wie z. B. der B3a |
Weitere
Verbesserung der Abluftreinigung in Industrie- und Gewerbebetrieben |
Verbesserung
des überregionalen ÖPNV |
.............. |
Regionale Maßnahmen |
Umrüstung
kommunaler Fahrzeuge (DBM, Stadtwerke) auf Rußpartikelfilter |
Erhöhung
des Anteils von Erdgasfahrzeugen im Fuhrpark |
Prüfung
des Einsatzes von Elektrofahrzeugen als Dienst-Fz |
Umstellung
von Gebäudeheizungen auf Erdgas/Erdöl mit Emissionüberwachung |
Verbesserung
des Angebots des ÖPNV regional |
Erweitertes
Angebot von Park- and Ride-Plätzen |
Einbau
von Filteranlage/Entstaubungsanlagen in örtlichen Industrieanlagen und
Heizwerken |
Förderung
des Carsharing-Angebots |
Förderung
des Einsatz regenerativer Energien |
Erhöhung
der Sensibilität für die Thematik durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit |
........... |
Kurzfristig nur beschränkt wirksame Maßnahmen |
Bei
sich anbahnenden Grenzwert-Überschreitungen sind kurzfristige
Verkehrsbeschränkungen denkbar um z. B. für bestimmte Zeiten PKW und LKW mit
hoher Staubemissionrate auf bestimmten innerstädtischen Straßen zu vermeiden |
........... |
Diese Übersicht hat nicht den Anspruch der
Vollständigkeit. Als zusätzliche Wirkung bei den verkehrlichen Maßnahmen ist
auch zu berücksichtigen, dass durch verkehrliche Maßnahmen, die zur Reduktion
des LKW-Verkehrs z.B. im Bereich der B3a führen, auch die Lärmbelästigung dort
verringert werden kann.
5. Ausblick
Die
Stadt Marburg erwartet von der Hessischen Landesregierung, dass auch für die
Region Marburg ein Luftreinhalteplan erstellt wird.
Die
Stadt Marburg hat längerfristige Initiativen zur lokalen Feinstaubminimierung
(Umstellung von Stadtbussen und Teilen der Fahrzeugflotte auf Gasbetrieb,
Förderung von gasheizungen) und überregionalen Feinstaubminimierung
(Stromproduktion durch Windkraft und Sonne statt Verbrennung) ergriffen. In
beide Richtungen müssen die Maßnahmen intensiviert werden.
Dr.
Franz Kahle
Bürgermeister
- selbst zuständig
- eigenes Amt zuständig
- anderes Amt zuständig
- andere Zuständigkeit
- selbst verantwortlich
- andere Verantwortlichkeit
- Aufgabe bearbeiten
- NA
- TOP
- Keine Zusammenstellung
- Dokument erstellen
- Alle Workflowbeteiligten benachrichtigen
- Dokument auswählen