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Ratsinformation
Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers. - VO/0645/2005
Grunddaten
- Betreff:
-
Bauleitplanung der Stadt Marburg; *Altstadtsanierung: Sanierungsgebiet "Nördliche Altstadt";*Offenlage der Sanierungsbebauungspläne Nr. 1/S 66, 1/S 69, 1/S 70 und 1/S 71*für die Bereiche unterer Steinweg / Pilgrimstein und Ketzerbach / Am Weinberg*
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers.
- Federführend:
- 61 - Stadtplanung und Denkmalschutz
- Bearbeiter*in:
- Ellen Fischer
- Verfasser*in:
- Markus Klöck
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Magistrat
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Vorberatung
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Erledigt
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Ausschuss für Umwelt, Energie und Verkehr
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Vorberatung
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15.11.2005
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●
Erledigt
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Bau- und Planungsausschuss, Liegenschaften
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Vorberatung
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17.11.2005
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●
Erledigt
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Stadtverordnetenversammlung
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Entscheidung
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25.11.2005
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Beschlussvorschlag
Die Stadtverordnetenversammlung wird
gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:
Die Sanierungsbebauungspläne Nr. 1/S 66, 1/S 69, 1/S
70 und 1/S 71 im Sanierungsgebiet Nördliche Altstadt werden als Grundlage für
die Offenlage gem. § 3 u. 4 BauGB beschlossen. Für die Sanierungsbebauungspläne
muss keine Umweltprüfung gem. § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt werden.
Sachverhalt
Begründung:
Verfahrensstand, Planungsanlass und -erfordernis
Nach der bereits am 24.07.1972 erfolgten Festsetzung
des Sanierungsgebiets mit den drei Teilbereichen "Nördliche Altstadt",
"Nordwestliche Oberstadt" und "Weidenhausen" hat
die Stadtverordnetenversammlung am 25.01.1985 die Aufnahme vorbereitender
Untersuchungen für den Bereich "Nördliche Altstadt" beschlossen.
Eine förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes "Nördliche
Altstadt" kam durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung
vom 11.10.1986 zustande.
Bis Ende 1987 wurden von der Freien Planungsgruppe
Berlin (FPB) Vorbereitende Untersuchungen sowie ein Rahmenplan des
Sanierungsgebiets vorgestellt und in einem Rahmenplan zusammengefasst;
diese wurden inhaltlich bis Januar 1993 fortgeschrieben. Neben sanierungs-
und bauleitplanerischen Untersuchungen wurden auch verschiedene
Konzeptionen zur Straßenraumgestaltung in Abstimmung mit der Bevölkerung
erarbeitet, die allerdings nicht umgesetzt wurden.
Die zwischenzeitlich erarbeiteten Folgeuntersuchungen
des Sanierungsbüros und der Stadtplanungsabteilung betrafen in erster
Linie die Sanierungsbedürftigkeit der Gebäudesubstanz und deren zeitliche
Maßnahmenumsetzung. Erst im Juni 1996 wurde vor dem Hintergrund der Notwendigkeit
einer konkreten Bauleitplanung bzw. Sanierungsumsetzung eine aktualisierte
Bestandsaufnahme und -analyse weiterbearbeitet.
Zunächst prioritär
bearbeitet wurden hierbei 4 der insgesamt 12 Sanierungsbebauungspläne, die
aufgrund ihrer städtebaulichen Wichtigkeit, den Erfordernissen der
Qualitätsverbesserung der baulichen und gebäudetechnischen Struktur
und der Sicherung sowie Fortentwicklung von Grün- und Freiflächenpotentialen
hervortraten:
Der Bebauungsplan
1/S 66 im Bereich unterer Steinweg und Pilgrimstein,
der Bebauungsplan
1/S 69 im Bereich Östliche Ketzerbach,
der Bebauungsplan 1/S 70 im Bereich Mittlere
Ketzerbach/Zwischenhausen und
der Bebauungsplan 1/S 71 im Bereich
"Westliche Ketzerbach".
In der inhaltlichen Diskussion zur
Umsetzung ist die Altstadtsanierung z. T. weit vorangeschritten, auf formeller
Ebene ist die unter Ziff. 4 des vorgenannten Paragraphen angesprochene
Bauleitplanung, d. h. qualifizierte Bebauungspläne, die die städtebaulichen
Ziele der Altstadtsanierung rechtsverbindlich für jeden Bauherren
vorschreiben, nicht abgeschlossen. Nach dem Aufstellungsbeschluss vom
11.10.1986, dessen Aktualisierung vom 17.12.1997 und der Bürger- und
Trägerbeteiligung im Sommer 2000 steht nun die Offenlage von vier Bebauungsplänen an. Diese Phase der
erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit und der Beteiligung der Behörden und
sonstigen Träger soll nunmehr im November/Dezember 2005 erfolgen. Ein Abschluss
der Bauleitplanverfahren ist bis Mitte Juli 2006 geplant.
Ziel und Zweck der Planung
Altstadtsanierung in Marburg steht seit Anfang
der 70er Jahre in der Diskussion; viele der Sanierungsziele, die damals
mit der Bevölkerung gemeinsam entwickelt wurden, haben beinahe zeitlosen
Bestand. Die städtebaulichen, denkmalpflegerischen und sozialplanerischen
Erfolge haben die Sanierungspraxis weit über die Stadtgrenzen hinaus
beispielhaft werden lassen.
Mit dem absehbaren Auslaufen der Sanierung
(Weidenhausen und Nordwestliche Oberstadt), der Umsetzung stadtentwicklungspolitischer
Ziele (Oberstadtaufzug, Aufzug Parkhaus Pilgrimstein, Anbindung an Marburg-Mitte,
Sicherung der Einzelhandelsinteressen, usw.), die über die Altstadtgrenzen
hinweg Perspektiven und Chancen aufzeigen, wird jedoch der zukünftige
Erwartungs- und Umsetzungsdruck an die Altstadt nicht abnehmen. Gerade
der Wandel im Umfeld von Wirtschaftsgefüge, Sozial- und Wohnstruktur
zeitigt einerseits die Stadtplanung zu flexiblen, Variationen einräumenden
Zielvorstellungen, andererseits muss in einigen Bereichen eine eher
stringente, weisende bauleitplanerische Funktion erfolgen, die Belange
von Aufenthaltsqualität, Kräftigung von heterogenen Wohn- und Handelsstrukturen
sowie Auflagen von Denkmalschutz und verkehrsplanerische Vorstellungen
berücksichtigt. Auch die städtebauliche Inwertsetzung des Bereichs
Elisabethstraße samt der beabsichtigten fußläufigen Vernetzung ist in diesem
Zusammenhang zu sehen.
Umweltprüfung
Mit dem Europarechtsanpassungsgesetz
Bau - EAG Bau -, das am 20. Juli 2004 in Kraft getreten ist, ist die
Umweltprüfung (EG-Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen
von bestimmten Programme und Plänen) für die Bauleitplanung eingeführt worden.
Gleichzeitig bestimmen die §§ 233
und 244 im Baugesetzbuch hierfür die Übergangsbestimmungen.
Im vorliegenden Fall der 4
Sanierungsbebauungspläne muss keine Umweltprüfung gem. § 2 Abs. 4 BauGB
durchgeführt werden, da das Verfahren vor dem 20. Juli 2004 förmlich
eingeleitet worden ist (aktualisierter Aufstellungsbeschluss: 17.12.1997; die
Bürgerbeteiligung fand vom 28.06. 11.08.2000 statt) und vor dem 20. Juli 2006
durch die Öffentliche Bekanntmachung abgeschlossen werden soll (§§ 233 Abs. 1
i. V. m. 244 Abs. 1, 2 BauGB). Daher ist der Satzungsbeschluss für April oder
Mai 2006 anzustreben.
Aus
den vorliegenden Bebauungsplänen mit den darin umgesetzten Sanierungszielen
ergeben sich keine negativen Auswirkungen im Sinne grünordnerischer oder
naturräumlicher Art; sie schreiben vielmehr die Bestandssicherung und deren
behutsame Weiterentwicklung bauleitplanerisch fort. Eine Umweltprüfung würde
aufgrund der Bestandssituation und der grünordnerischen Aufwertung keine
Qualitätssteigerung mit sich bringen bzw. würde nach § 14b (2) UVP-Gesetz
voraussichtlich keine erhebliche Umweltauswirkung haben.
Gegenüber
der ersten Verfahrensrunde (Bürger- und Trägerbeteiligung) ist unter Beachtung
der dort erfolgten Rückmeldungen zu erwarten, dass die nun erfolgende Offenlage
keine gravierenden Anregungen erbringen wird.
Planung
Aufgrund der heterogenen kleinteiligen
Bebauungs- und Nutzungsstruktur erforderte der Planungsprozess eine
intensive Bestandsaufnahme und -analyse mit kritischer Aktualisierung
und Diskussion vorhandener Planungskonzeptionen.
Die gewachsene städtebauliche Struktur
gilt es unter maßgeblicher Berücksichtigung der bauleitplanerischen
Umsetzung der Sanierungsziele, des städtebaulichen Denkmalschutzes
und der Belange der Grünordnung behutsam fortzuentwickeln.
Die Sanierungsbebauungspläne sind neben
dem Rahmenplan und den Vorbereitenden Untersuchungen zur Nordstadt, den Planungskonzepten
des Bahnhofareals, dem Rahmenplan Marbach und dem Verkehrsentwicklungsplan
auch als ein Baustein der übergreifenden, nachhaltigen Stadtentwicklung
zu verstehen.
Art und Maß der baulichen Nutzung
Die interessante städtebauliche wie architektonisch-denkmalpflegerische
Struktur, die sich in stark differierender Geschossigkeit, Trauf- und
Firsthöhen, Dachformen und -stellungen, Fassadenabwicklung und weiteren
signifikanten Merkmalen der Nördlichen Altstadt äußert, soll insgesamt
gesichert und ggf. behutsam ergänzt werden.
Hierzu gehört insbesondere die Orientierung
an der historisch gewachsenen geschlossenen Bebauung mit ihren linearen
Raumkanten sowie die Anerkennung der symmetrischen Raumbezüge der
Ketzerbach als direkt vorgelagerter Straßenbereich zur Elisabethkirche.
Die in den einzelnen Bebauungsplänen teils
in Nutzungsschablonen, teils in Tabellen angefügten Festsetzungen zu
Art und Maß der baulichen Nutzung sind durch exakte Berechnungen der Gebäudekubatur
in Bezug zum historischen Bestand erhoben worden. Sie berücksichtigen
somit auch die Rauminhalte der Dachgeschosse in Relation zu den historischen
Dachneigungen und -formen. Somit wird selbst bei einem Verlust historischer
Bausubstanz bei Beibehaltung architektonischer Neugestaltungsoptionen
eine wirksame Einfügungsverpflichtung seitens Bauherrn und Bauausführenden
angestrebt.
Die Art der baulichen Nutzung regelt hier
ebenso die eigentliche Struktur der Abfolge zwischen wohnlicher und
gewerblicher Nutzung. Der Schutz der Wohnfunktion in den Obergeschossen
gilt seit Mitte der 70er Jahre als wichtiges Ziel der Marburger Sanierung.
Einerseits wird eine Belebung der Altstadt durch ansässige Wohnbevölkerung
auch außerhalb üblicher Geschäftzeiten erreicht, zum anderen dient
dies auch als Faktor, dem nahversorgenden Handel und Gewerbe höhere
Kaufkraft zuzuordnen.
In der Vergangenheit wurde unter Verweis auf
die Sanierungsziele und deren Anspruch an eine ausgewogene Sozialstruktur eine strikte Reglementierung
der gewerblichen Flächen ausschließlich auf die Erdgeschosse
angewandt, hiervon soll nunmehr allerdings in Teilbereichen abgewichen werden.
Erweiterte Möglichkeiten für eine gewerbliche
Nutzung im 1. OG sind in definierten Bereichen akzeptabel, sofern sie
durch die stadträumliche und gebäudespezifische Struktur gerechtfertigt
erscheinen. Dies ist gewährleistet z. B. im gesamten Bereich rund um die
Kreuzung Ketzerbach, Elisabethstraße, Pilgrimstein und Deutschhausstraße: dort
ist eine Eignung aufgrund der vorhandenen Konzentration tertiärer
Nutzungen infolge hoher Fußgängerfrequentierung/Kaufkraft (Einkaufsachse
Bahnhofstraße - Elisabethstraße - Steinweg - Oberstadt) und der die
Wohnnutzung einschränkenden hohen Verkehrsbelastung nachweisbar. In
den westlichen Bereichen der Ketzerbach, vornehmlich auf deren Südseite
(Ketzerbach 27-52), ist die seit je her beinahe rein wohnlich genutzte
Gebäudestruktur als auch deren räumliches Abrücken vom eigentlichen Straßenraum
maßgebend für eine Nichtausweisung der gewerblichen Obergeschossnutzung.
Die differenzierte Festsetzung gewerblicher Nutzung des 1.
Obergeschosse basiert auf der Anwendung des § 6 BauNVO i. V. mit § 1 (7)
BauNVO.
Die Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften
sowie Vergnügungsstätten wird im Wesentlichen durch den einfachen
Bebauungsplan zur Steuerung gastronomischer Betriebe (Inkrafttreten am 29.05.1998)
geregelt. Im Hinblick auf die Öffnung der ersten Obergeschosse für gewerbliche
Nutzungen erfährt der weiterhin geltende einfache Bebauungsplan eine
ergänzende, differenzierende Regelung für die nachfolgenden Teilbereiche; die
übrigen Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans zur Steuerung
gastronomischer Betriebe werden hierdurch nicht ersetzt, sondern ergänzt und
konkretisiert.
Eine räumlich deckungsgleiche Festsetzung wird auch für die
Ausweitung der gastronomischen Betriebe (Schank- und Speisewirtschaften)
getroffen. Hintergrund ist die derzeit zu starre räumliche Ausweisung des
Gebietstyps 3 (gemischt genutzte Gebiete) gegenüber den von gastronomischen
Betrieben frei zu haltenden Wohnbereichen (Gebietstyp 1, wohndominierte
Gebiete). Eine parzellenscharfe Trennung mitten auf der Ketzerbach-Nordseite
ist planungsrechtlich fragwürdig und auch den Beteiligten vor Ort schwer
vermittelbar. Hinzutritt die durch die boulevardartige Umgestaltung des
Straßenraums mit ihren breiten Gehwegen und Aufenthaltsflächen entstehende
Möglichkeit zur Außenbestuhlung insbesondere nutzbar auf der besonnten
Nordseite. Demnach
gibt es künftig eine Zulässigkeit gastronomischer Nutzungen auch für
den nordwestlichen Bereich der Ketzerbach (Hausnummern 30-61), die Südseite
(Hausnummern 29-52) bleibt hingegen dem Gebietstyp 1 zugehörig.
Um die
Wohnnutzung im 1. Obergeschoss und somit die Sozialstruktur dennoch zu stärken,
wird eine Inanspruchnahme gastronomischer
Nutzungen von maximal 40
% der Hauptnutzfläche als Obergrenze festgesetzt. Aus Erfahrung wird dies
vorzugsweise eher seltener der Gastraumfläche, als vielmehr den Küchen-, Lager-
und Sanitärnutzungen zur Verfügung gestellt.
Umgestaltung der Ketzerbach
An der grundsätzlichen Frage einer Straßenraumumgestaltung
der Ketzerbach wurde sich in der Vergangenheit schon des öfteren versucht.
Im Jahre 2003 wurde
u. a. angeregt durch die positiven Ergebnisse des Wettbewerbs zur Aufwertung
des Umfelds der Elisabethkirche - ein neuer Anlauf genommen, die Umgestaltung
der Ketzerbach durch die Entwicklung von drei städtebaulichen Szenarien des
Planungsbüros scape zu thematisieren.
Die verschiedenen Varianten wurden umfassend in
verschiedenen Beteiligungsebenen, sowohl in der Öffentlichkeit, den politischen
Gremien und Beiräten wie auch allen zuständigen Fachdiensten der Verwaltung
vorgestellt und stets gemäß den abgewogenen Stellungnahmen aktualisiert und
verfeinert. Das Ergebnis dieses Prozesses wurde in der Vorlage vom 22.7.2005
durch die Stadtverordnetenversammlung zugunsten der Variante 3 Boulevard zur
weiteren Realisierung beschlossen.
Die in den vorliegenden Bebauungsplänen wiedergegebene
Ausbaukonzeption stellt die im Zusammenhang mit den festgesetzten öffentlichen
Verkehrsflächen notwendige planungsrechtliche Grundlage für die Umgestaltung
dar.
Dr. Franz Kahle
Bürgermeister
Anlagen
Begründung mit folgenden Plänen:
- Zusammenfassung der
während der Beteiligung der Öffentlichkeit und Beteiligung der Behörden
vorgebrachten Stellungnahmen
- Städtebauliche
und Freiflächenbestandspläne
- Plan
Landschafts- und Freiraumplanerische Situation
- Bebauungspläne 1/S 66, 1/S 69, 1/S
70 und 1/S 71
- Übersichtsplan
Umgestaltung der Ketzerbach
FD 61 |
FB 6 |
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