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Ratsinformation
Antrag der Fraktion Marburger Linke - VO/0357/2006
Grunddaten
- Betreff:
-
Antrag der Fraktion Marburger Linke betr. Stellungnahme von Vertretern Kommunaler Spitzenverbände zur "Reform des SGB II"
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Antrag der Fraktion Marburger Linke
- Federführend:
- 09 - Unterstützung kommunaler Gremien
- Bearbeiter*in:
- Norbert Wagner
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ausschuss für Soziales, Jugend und Gleichstellung
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Vorberatung
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14.06.2006
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05.07.2006
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Erledigt
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|
Stadtverordnetenversammlung
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Entscheidung
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23.06.2006
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14.07.2006
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22.09.2006
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Beschlussvorschlag
Die
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Marburg möge beschließen:
1. Die
Stadtverordnetenversammlung widerspricht in wesentlichen Punkten der
„Persönlichen Erklärung zur Reform des SGB II“, die Vertreter von kommunalen
Spitzenverbänden und Wohlfahrtsverbänden am 15. Mai abgegeben haben, sowie
Positionen, die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände am 3. Mai auf einer
Pressekonferenz zum „Fortentwicklungsgesetz“ für das SGB II geäußert haben.
2. Sie erklärt, dass
Christian Ude, Präsident des Deutschen Städtetages, und Dr. Stephan Articus,
geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages, zu diesem
Thema nicht im Namen der Stadt Marburg sprechen.
3. Sie kann keine
„besorgniserregende Finanzentwicklung bei den passiven Leistungen im SGB II“
erkennen.
4. Sie hält eine „Senkung
passiver Leistungen“ nicht für notwendig und lehnt es ab, dass das
Arbeitslosengeld II sich an der „früheren Sozialhilfe orientieren“ solle –
durch strengere Anrechnung von Vermögen und die Abschaffung des befristeten
Zuschlags beim Übergang von ALG I zu ALG II.
5. Sie fordert
Oberbürgermeister Vaupel auf, diese Positionen dem Deutschen Städtetag
gegenüber zum Ausdruck zu bringen.
Die Stadtverordnetenversammlung
ist der Meinung,
1. dass der Regelsatz für
Arbeitslosengeld II von gegenwärtig 345 Euro auf mindestens 415 Euro erhöht
werden soll,
2. dass die
Inanspruchnahme von ALG II durch Erwerbstätige verringert werden kann, indem
ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird.
Sachverhalt
Begründung:
Seit Wochen wird in den
Medien eine Debatte um den Missbrauch von Hartz-IV-Leistungen geführt.
Offensichtlich suchen die Unternehmensverbände und Teile der Bundesregierung
nach Gründen, um die Leistungen für die Arbeitslosen noch weiter zu reduzieren.
Unterstützung finden sie neuerdings auch bei Vertretern kommunaler
Spitzenverbände und einzelner Wohlfahrtsverbände, die in einer „Persönlichen
Erklärung“ vom 15. Mai 2006 „eine Senkung passiver Leistungen“ verlangen.
Dabei wurden bereits durch
die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I und die Abschaffung der
Arbeitslosenhilfe Millionen LeistungsbezieherInnen und ihre Angehörigen auf
Sozialhilfeniveau gedrückt. Das Ziel, durch „Fördern und Fordern“ mehr Menschen
in Arbeit zu bringen, war nur vorgeschoben, da schlichtweg die Arbeitsplätze
fehlen. Viel mehr ging es darum, die Haushalte auf Kosten der Arbeitslosen zu
sanieren, und Arbeitslose zu zwingen, jede, auch noch so schlecht bezahlte
Arbeit anzunehmen.
Die Bundesregierung hat
zugegeben, dass von einer Kostenexplosion keine Rede sein kann. Hätte es 2005
noch die alten gesetzlichen Regelungen gegeben gegeben, hätten sich die Kosten
auf 43,5 Mrd. Euro belaufen. Durch Hartz IV sind es 44,4 Mrd. Euro geworden.
Dies gelingt aber nur, indem der Regelsatz für ALG II mit 345 Euro monatlich
unterhalb eines bedarfgerechten Niveaus gehalten wird. Der Paritätische
Wohlfahrtverband hat jüngst in einer Expertise darauf hingewiesen, dass der
Gesetzgeber zu statistischen Manipulationen greift, um dieses Ziel zu
erreichen, und hat errechnet, dass der Regelsatz bei 415 Euro liegen müsse.
Besorgniserregend ist die
Finanzentwicklung allenfalls, wenn man sie an den Erwartungen der Bundesregierung
misst. Es ist richtig ist, dass die geplanten Einsparungen in Höhe von 10 Mrd.
Euro nicht realisiert werden können. Daran sind allerdings nicht die
HilfebezieherInnen, die fast durch die Bank mit weniger Geld auskommen müssen,
schuld, sondern die Bundesregierung. Sie hat nicht nur die Zahl der
Hilfebedürftigen unterschätzt, sondern durch Hartz IV und die
Arbeitsmarktpolitik zu ihrer Erhöhung beigetragen:
1. Die
Massenarbeitslosigkeit verharrt auf einem hohen Niveau. Deshalb macht es auch
keinen Sinn, weitere „Anreize“ für die Arbeitsaufnahme - etwa durch Streichung
des Übergangszuschlags von ALG I auf ALG II - zu schaffen, weil es nicht an
Arbeitsbereitschaft sondern an Arbeitsplätzen mangelt. Dies wird sich auch
sobald nicht ändern, da die Binnenkonjunktur weiterhin lahmt. Dies liegt u.a.
daran, dass Löhne, Renten und Lohnersatzleistungen hinter der Inflationsrate
zurückbleiben, die Massenkaufkraft durch die Mehrwertsteuererhöhung weiter
schwindet wird und durch die Verlängerung von Arbeitszeiten Arbeitsplätze nicht
nur von der Privatwirtschaft sondern auch von Bund, Ländern und Kommunen
abgebaut werden.
2. Hartz IV fördert die
bestehende Tendenz zu Niedriglöhnen, indem LeistungsbezieherInnen gezwungen
werden, jegliche Arbeit anzunehmen. Dadurch erklärt sich, dass immer mehr
Menschen trotz Arbeit arm sind und Anspruch auf Unterstützung haben. Dem könnte
durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes - wie er sich in vielen
europäischen Ländern bewährt hat - ein Riegel vorgeschoben werden.
3. Die Abschaffung der
Sozialhilfe für Erwerbsfähige hat einen Effekt gehabt, mit dem der Gesetzgeber
nicht gerechnet hatte - nämlich dass mehr Hilfsbedürftige ihre Rechte
wahrnehmen. Es ist bekannt, dass viele Menschen, die Anrecht auf Sozialhilfe
gehabt hätten, diese aus Unkenntnis oder Scham nicht beantragt haben. Durch ALG
II hat sich dies offensichtlich verändert
- weil durch die
Öffentlichkeit, die Hartz IV zuteil wurde, mehr Bedürftige über ihre Rechte
informiert sind,
- die Stigmatisierung von
ALG II geringer ist als die der Sozialhilfe und
- angesichts der schamlosen
Selbstbedingungsmentalität der Reichen in diesem Lande sowie einer Politik, die
von unten nach oben umverteilt, sich kein Hilfsbedürftiger mehr zu schämen
braucht, Arbeitslosengeld II in Anspruch zu nehmen.
Gez. Pit Metz
Gez. Eva Chr. Gottschaldt
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