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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Antrag der Fraktion Marburger Linke - VO/0357/2006

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Beschlussvorschlag

 

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Marburg möge beschließen:

 

1. Die Stadtverordnetenversammlung widerspricht in wesentlichen Punkten der „Persönlichen Erklärung zur Reform des SGB II“, die Vertreter von kommunalen Spitzenverbänden und Wohlfahrtsverbänden am 15. Mai abgegeben haben, sowie Positionen, die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände am 3. Mai auf einer Pressekonferenz zum „Fortentwicklungsgesetz“ für das SGB II geäußert haben.

 

2. Sie erklärt, dass Christian Ude, Präsident des Deutschen Städtetages, und Dr. Stephan Articus, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages, zu diesem Thema nicht im Namen der Stadt Marburg sprechen.

 

3. Sie kann keine „besorgniserregende Finanzentwicklung bei den passiven Leistungen im SGB II“ erkennen.

 

4. Sie hält eine „Senkung passiver Leistungen“ nicht für notwendig und lehnt es ab, dass das Arbeitslosengeld II sich an der „früheren Sozialhilfe orientieren“ solle – durch strengere Anrechnung von Vermögen und die Abschaffung des befristeten Zuschlags beim Übergang von ALG I zu ALG II.

 

5. Sie fordert Oberbürgermeister Vaupel auf, diese Positionen dem Deutschen Städtetag gegenüber zum Ausdruck zu bringen.

 

Die Stadtverordnetenversammlung ist der Meinung,

 

1. dass der Regelsatz für Arbeitslosengeld II von gegenwärtig 345 Euro auf mindestens 415 Euro erhöht werden soll,

 

2. dass die Inanspruchnahme von ALG II durch Erwerbstätige verringert werden kann, indem ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird.

 

 

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Sachverhalt

 

Begründung:

 

Seit Wochen wird in den Medien eine Debatte um den Missbrauch von Hartz-IV-Leistungen geführt. Offensichtlich suchen die Unternehmensverbände und Teile der Bundesregierung nach Gründen, um die Leistungen für die Arbeitslosen noch weiter zu reduzieren. Unterstützung finden sie neuerdings auch bei Vertretern kommunaler Spitzenverbände und einzelner Wohlfahrtsverbände, die in einer „Persönlichen Erklärung“ vom 15. Mai 2006 „eine Senkung passiver Leistungen“ verlangen.

Dabei wurden bereits durch die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe Millionen LeistungsbezieherInnen und ihre Angehörigen auf Sozialhilfeniveau gedrückt. Das Ziel, durch „Fördern und Fordern“ mehr Menschen in Arbeit zu bringen, war nur vorgeschoben, da schlichtweg die Arbeitsplätze fehlen. Viel mehr ging es darum, die Haushalte auf Kosten der Arbeitslosen zu sanieren, und Arbeitslose zu zwingen, jede, auch noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen.

 

Die Bundesregierung hat zugegeben, dass von einer Kostenexplosion keine Rede sein kann. Hätte es 2005 noch die alten gesetzlichen Regelungen gegeben gegeben, hätten sich die Kosten auf 43,5 Mrd. Euro belaufen. Durch Hartz IV sind es 44,4 Mrd. Euro geworden. Dies gelingt aber nur, indem der Regelsatz für ALG II mit 345 Euro monatlich unterhalb eines bedarfgerechten Niveaus gehalten wird. Der Paritätische Wohlfahrtverband hat jüngst in einer Expertise darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber zu statistischen Manipulationen greift, um dieses Ziel zu erreichen, und hat errechnet, dass der Regelsatz bei 415 Euro liegen müsse.

 

Besorgniserregend ist die Finanzentwicklung allenfalls, wenn man sie an den Erwartungen der Bundesregierung misst. Es ist richtig ist, dass die geplanten Einsparungen in Höhe von 10 Mrd. Euro nicht realisiert werden können. Daran sind allerdings nicht die HilfebezieherInnen, die fast durch die Bank mit weniger Geld auskommen müssen, schuld, sondern die Bundesregierung. Sie hat nicht nur die Zahl der Hilfebedürftigen unterschätzt, sondern durch Hartz IV und die Arbeitsmarktpolitik zu ihrer Erhöhung beigetragen:

 

1. Die Massenarbeitslosigkeit verharrt auf einem hohen Niveau. Deshalb macht es auch keinen Sinn, weitere „Anreize“ für die Arbeitsaufnahme - etwa durch Streichung des Übergangszuschlags von ALG I auf ALG II - zu schaffen, weil es nicht an Arbeitsbereitschaft sondern an Arbeitsplätzen mangelt. Dies wird sich auch sobald nicht ändern, da die Binnenkonjunktur weiterhin lahmt. Dies liegt u.a. daran, dass Löhne, Renten und Lohnersatzleistungen hinter der Inflationsrate zurückbleiben, die Massenkaufkraft durch die Mehrwertsteuererhöhung weiter schwindet wird und durch die Verlängerung von Arbeitszeiten Arbeitsplätze nicht nur von der Privatwirtschaft sondern auch von Bund, Ländern und Kommunen abgebaut werden.

 

2. Hartz IV fördert die bestehende Tendenz zu Niedriglöhnen, indem LeistungsbezieherInnen gezwungen werden, jegliche Arbeit anzunehmen. Dadurch erklärt sich, dass immer mehr Menschen trotz Arbeit arm sind und Anspruch auf Unterstützung haben. Dem könnte durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes - wie er sich in vielen europäischen Ländern bewährt hat - ein Riegel vorgeschoben werden.

 

3. Die Abschaffung der Sozialhilfe für Erwerbsfähige hat einen Effekt gehabt, mit dem der Gesetzgeber nicht gerechnet hatte - nämlich dass mehr Hilfsbedürftige ihre Rechte wahrnehmen. Es ist bekannt, dass viele Menschen, die Anrecht auf Sozialhilfe gehabt hätten, diese aus Unkenntnis oder Scham nicht beantragt haben. Durch ALG II hat sich dies offensichtlich verändert

- weil durch die Öffentlichkeit, die Hartz IV zuteil wurde, mehr Bedürftige über ihre Rechte informiert sind,

- die Stigmatisierung von ALG II geringer ist als die der Sozialhilfe und

- angesichts der schamlosen Selbstbedingungsmentalität der Reichen in diesem Lande sowie einer Politik, die von unten nach oben umverteilt, sich kein Hilfsbedürftiger mehr zu schämen braucht, Arbeitslosengeld II in Anspruch zu nehmen.

 

 

Gez. Pit Metz

Gez. Eva Chr. Gottschaldt

 

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