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Ratsinformation
Bericht - VO/0618/2001
Grunddaten
- Betreff:
-
Bericht zur Versteigerung von städtischen Aufträgen im Internet
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Bericht
- Federführend:
- 10.1 - Allgemeiner Service
- Bearbeiter*in:
- Dieter Finger
- Verfasser*in:
- Dieter Finger
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
|
|
Stadtverordnetenversammlung
|
Entscheidung
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|
|
21.12.2001
| |||
●
Erledigt
|
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Haupt- und Finanzausschuss
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Vorberatung
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18.12.2001
| |||
●
Erledigt
|
|
Magistrat
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Vorberatung
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|
Sachverhalt
Die
Stadtverordnetenversammlung hatte in ihrer Sitzung am 24. August 2001 folgenden
Beschluss gefasst:
Der
Magistrat wird beauftragt, unter Beibehaltung der Vergabekriterien der Stadt
Marburg einen Modellversuch zur pilothaften Einführung von e-Procurement zu
planen. Hierzu soll der Magistrat:
- einzelne
Aufträge für Güter oder Dienstleistungen, die aufgrund ihrer einfachen
Spezifizierbarkeit für inverse Auktionen geeignet sind und die einen
Beschaffungswert von ca. 100.000 DM haben, auswählen.
- mehrere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung hierfür fortbilden
und den Besuch eines Workshops zum öffentlichen e-Procurement ermöglichen,
damit diese mit der Durchführung eines solchen Projektes vertraut gemacht
werden und entsprechende Vorgänge in der Verwaltung und mit Lieferanten
kommunizieren können.
- für
die Durchführung dieses Projektes einen erfahrenen Partner
(e-Auktionshaus, etc.) suchen.
- die
Allgemeine Geschäftsanweisung und die Richtlinien für die Vergabe von
Leistungen und Bauleistungen der Universitätsstadt Marburg für dieses
Projekt im Rahmen einer Experimentierklausel gegebenenfalls anpassen.
- prüfen,
ob und inwieweit das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für
die Durchführung eines solchen Projektes Mittel bereit stellt und diese
gegebenenfalls beantragen.
Der Magistrat hat aufgrund dieses Beschlusses ein Schreiben an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gerichtet, nähere Informationen zu der Thematik erbeten und sein grundsätzliches Interesse an einer Mitarbeit und pilothaften Erprobung dieses neuen technischen Vergabeverfahrens bekundet.
Parallel
dazu hat der Magistrat mit der Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
KPMG Consulting AG Kontakt aufgenommen, um nähere Einzelheiten zu dem von KPMG
Consulting AG für das Bundeswirtschaftsministerium erstellten Studie zu den „Chancen
und Risiken inverser Auktionen im Internet für Aufträge der öffentlichen Hand“
zu erhalten. Von dort wurde uns die Ende September 2001 veröffentlichte Studie
zur Verfügung gestellt und gleichzeitig angeboten, an einem von KPMG Consulting
AG organisierten Workshop zu der Thematik teilzunehmen. Dieses Angebot wurde
von zwei Mitarbeitern der Organisationsabteilung wahr genommen, da sowohl die
Durchführung inverser Auktionen in einer realitätsnahen Umgebung erprobt werden
konnte und auch mehrere Mitarbeiter/innen des Bundeswirtschaftsministeriums
teil genommen haben.
Bei
der praktischen Erprobung inverser Auktionen zeigte sich, dass zwar
Standardsoftware für die Durchführung von Auktionen im Internet vorhanden ist,
die spezifischen vergaberechtlichen Anforderungen der öffentlichen Hand mussten
aber zunächst speziell für den Workshop vom KPMG eBusiness Solution Center
angepasst werden. Es existiert also auf dem Markt noch keinerlei speziell
entwickelte Software, die in der Lage wäre, inverse Auktionen für öffentliche
Einrichtungen abzuwickeln. Es wurde angegeben, dass für die notwendigen
Anpassungen der Software als auch die Bereitstellung der erforderlichen
Hardware derzeit mit Investitionen von mehreren Hunderttausend Euro gerechnet
werden müsse. Zudem sind die notwendigen technischen Voraussetzungen nicht nur
beim Ausschreibenden, sondern auch bei den Bietern erforderlich. Neben dem
erforderlichen Internet-Zugang ist hier insbesondere die Digitale Signatur zu
nennen, die zur eindeutigen Identifizierung bei einem Bietvorgang erforderlich
ist.
Gravierender
als die technischen Fragen sind derzeit aber noch die rechtlichen Probleme des
Vergaberechts. Dies zeigte sich bei den am Workshop teilnehmenden
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums. Während
das für Multimedia und neue Technologien zuständige Referat dem Einsatz
inverser Auktionen grundsätzlich positiv gegenüber steht, bezieht das für
Vergaberecht zuständige Referat eine distanzierte bis ablehnende Haltung. Dies
kommt auch in dem Antwortschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums an den
Magistrat zum Ausdruck, das von dem für Vergaberecht zuständigen Referat
verfasst wurde:
„Das von Ihnen dargestellte Szenario einer
Offenlegung der Rangfolge aller Angebote ist ein denkbarer
Lösungsvorschlag der Studie, der bei Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte
von einer möglichen Vergaberechtskonformität eines solchen Verfahrens ausgeht
(Abschnitt 3.3.2.1 der Studie). Die Offenlegung der Preise bei einer inversen
Auktion ist jedoch aufgrund des dem Vergaberecht immanenten Prinzips des geheimen
Wettbewerbs, durch Vertraulichkeitsgrundsatz und Verhandlungsverbot
bei Ausschreibungen sowohl unterhalb als auch oberhalb der
EU-Schwellenwerte aus vergaberechtlicher Sicht derzeit auszuschließen.“ ...
„Bei Subsumtion des Sachverhalts unter diese
vergaberechtlichen Tatbestände bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass allenfalls
bei Freihändigen Vergaben ohne Festlegung einer Angebotsfrist eine Offenlegung
der Rangfolge der Angebote zulässig sein dürfte. Das „Dilemma“ wird aber
deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die für die Durchführung von
Freihändigen Vergaben geeigneten Leistungen nach § 3 Nr. 4 VOL/A nicht
identisch sind mit den Leistungen, für die eine inverse Auktion idealerweise in
Frage käme (Abschnitt 6.4.1. der Studie).“
Weiterhin wird in dem Schreiben mitgeteilt, dass im Rahmen einer per Erlass geregelten Experimentierklausel zunächst das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern, das mit der Realisierung der elektronischen Vergabeprozesse nach VOL/A und VOF im Rahmen der Leitprojektes „E-Vergabe“ beauftragt ist, die Durchführung inverser Auktionen unterhalb der EU-Schwellenwerte in der Praxis testen soll. Eine Einbeziehung der Stadt Marburg oder anderer öffentlicher Einrichtungen in einen solchen Test komme derzeit nicht in Betracht.
Fazit:
Inverse
Auktionen als Sonderform der elektronischen Vergabe stellen derzeit aufgrund
der noch in der Entwicklung befindlichen technischen Plattformen keine
Alternative zu der herkömmlichen Abwicklung von Vergabeverfahren dar. Unter
Kostengesichtspunkten kommt daher auch ein pilothafter Einsatz in der
Stadtverwaltung Marburg derzeit nicht in Betracht, zumal eine finanzielle
Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium abgelehnt wurde.
Daneben
bestehen erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Durchführung inverser
Auktionen bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand durch das für Vergaberecht
federführend zuständige Bundeswirtschaftsministerium. Ohne dass eine
entsprechende Änderung der maßgeblichen vergaberechtlichen Bestimmungen (Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Vergabeverordnung des Bundes, VOL, VOB, VOF)
erfolgt, besteht derzeit keine Möglichkeit für die Stadt Marburg, auch nur
pilothaft inverse Auktionen in einem begrenzten Rahmen bei
Beschaffungsverfahren anzuwenden.
Unabhängig
von den geschilderten Restriktionen für die Durchführung inverser Auktionen
beobachtet der Magistrat aufmerksam die Entwicklungen im Bereich der
elektronischen Vergabe. Elektronische Vergabe bedeutet, das vorgeschriebene
Vergabeverfahren elektronisch abzubilden, in dem die Ausschreibungen auf einer
vergaberechtskonformen Beschaffungsplattform im Internet platziert werden, die
bei einer rein papiermäßigen Ausschreibung in Zeitungen oder speziellen Submissionsblättern
nicht immer Kenntnis von einer Ausschreibung erhalten. Die elektronische
Vergabe hat den Vorteil, dass durch das Erreichen einer größeren Zahl
potenzieller Bieter der Wettbewerb steigt und damit die Aufträge
wirtschaftlicher vergeben werden können. Zudem können durch den Wegfall von
Druck und Versand der Angebotsunterlagen die Prozesskosten deutlich gesenkt
werden.
Hier
befinden sich jedoch die technischen Entwicklungen noch im Aufbau, wenngleich
mit der neuen Vergabeverordnung des Bundes in diesem Jahr die rechtlichen
Voraussetzungen zur Abgabe elektronischer Angebote geschaffen wurden.
Erforderlich für eine elektronische Angebotsabgabe ist jedoch die Digitale
Signatur, für die aber noch kein technischer Standard besteht, der für eine
größere Verbreitung auch auf Seiten der Bieter notwendig ist. Bis die
technischen Rahmenbedingungen sowohl hinsichtlich einer standardisierten
Internet-Plattform als auch der Digitalen Signatur erfüllt sind, dürften
realistischerweise noch mind. 2 - 3 Jahre vergehen.
Dietrich
Möller
Oberbürgermeister
Anmerkung:
Die
Studie über Chancen und Risiken inverser Auktionen im Internet für Aufträge der
öffentlichen Hand kann bei Interesse bei der Organisationsabteilung eingesehen
bzw. zur Verfügung gestellt werden.
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